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Mittwoch, 10. Januar 2018, 23:00 MEZ


Kälte, Starkschneefall, Sturm, Eisregen
USA

23.12.2017-07.01.2018


"Grayson" vor Nordamerika,
04.01.2018
Quelle: NASA Worldview

Kurz vor Weihnachten 2017 begann eine anhaltende Kältewelle in der Osthälfte Nordamerikas und bestand aus mehreren Vorstößen arktischer Kaltluft bis zum 6. Januar 2018. Dabei wurden viele Datumsrekorde und einzelne Monatsrekorde für Dezember gebrochen. Gebietsweise wurden die kältesten Dezembertemperaturen der letzten 4 (Boston, MA) bis 47 Jahre (Sioux City, IA) erreicht. Diese Kältewelle zeichnete sich hauptsächlich durch ihre Dauer aus.
Kurz vor Einsetzen der Milderung fegte Wintersturm "Grayson" über die US-amerikanische und kanadische Ostküste hinweg und brachte Starkschneefall, Orkanböen und eine Sturmflut mit. Die größten Neuschneemengen blieben durch die schnelle Zuggeschwindigkeit hinter denen von Jonas (2016) und Stella (2017) zurück und konzentrierten sich hauptsächlich auf die Küstenregionen mit 25 bis 30 cm Neuschnee in 48 Stunden bis 05.01., 12 UTC, in Maine waren es gebietsweise 60 cm. Heftiger Wind und tiefe Temperaturen brachten Blizzard-Bedingungen und extrem niedrige Windchill-Temperaturen. Die ersten Schneefälle seit 28 Jahren gab es in Tallahassee, Florida, Rekordwasserstände in Boston gefroren durch die nachfolgende Kälte.


Wetterlage und Entwicklung

In der Vorweihnachtswoche dehnte sich der im Herbst 2017 wieder häufig präsente Höhenrücken über dem Westen Nordamerikas noch weiter nach Norden aus, erreichte sogar den Arktischen Ozean und bildete dort ein abgeschlossenenes Höhenhoch aus. Die nordhemisphärischen Kältepole befanden sich zu diesem Zeitpunkt über Ostsibirien und Zentralkanada. Letzterer setzte sich durch die beschriebene Entwicklung südostwärts in Bewegung und leitete eine Kältewelle über dem Osten Nordamerikas ein.

Von Nunavut bis in den Norden der USA sanken die Temperaturen in 850 hPa auf -25 °C im Laufe der Weihnachtstage. Am kältesten war es mit -35 °C in Ontario am 25. Dezember. Im Grenzbereich zur wärmeren Luft im Süden der USA entstanden rund um Weihnachten die zwei Wintertiefs Dylan und Ethan. Eisige Luftmassen, die über die noch eisfreien Großen Seen strichen, sorgten für Rekordschneefälle durch Lake Effect beispielsweise in Erie, PA. Nach der Frostperiode zeigten sich bis zu 87 % des Eriesees gefroren.

Der zweite Kaltluftvorstoß erfolge westlicher über die Northwest Territories (dort bis -32 °C am 28./29.12.) und die -20 °C-Isotherme erreichte zum Jahreswechsel die halbe Strecke bis zur Golfküste. Frankie brachte den Rocky Mountains viel Schnee, gebietsweise auch prekäre Straßenverhältnisse durch 1 bis 2,5 cm dicke Eisschichten auf allen Oberflächen. Die 0 °C-Isotherme lag zu Beginn des neuen Jahres entlang der Golfküste. In der Region Houston wurden am 02.01. Schneeflocken beobachtet. Ein dritter Kaltluftvorstoß mit den kältesten Temperaturen um -30 °C nördlich der Hudson Bay lenkte die -5 °C-Isotherme bis nach Louisiana und Georgia. Östlich von Florida wurde trogvorderseitig eine Zyklogenese initiiert, welche den rasch nordwärts ziehenden Wintersturm Grayson hervorbrachte.

500 hPa-Geopotential/Bodendruck und 850 hPa-Geopotential/Temperatur| Quelle: Wetter3.de
25.12.2017, 18 UTC 30.12.2017, 18 UTC 02.01.2018, 06 UTC 06.01.2018, 06 UTC

Buffalo und Watertown, NY erlebten die kälteste Woche eines Jahres (25.-31.12.) seit Aufzeichnungsbeginn 1871 und 1949.
Im New Yorker Central Park wurden 14 Dauerfrosttage verzeichnet (Rekord: 16, 1961, dahinter 15, 1881) und damit die drittmeisten in der Messreihe.
Boston stellte eine hundertjährige Serie von 7 Tagen mit einer Höchsttemperatur von 20 °F (-6,7 °C) oder weniger ein. In Chicago (zuletzt 1895 und 1936), Detroit (alter Rekord: 11) und Flint (Rekord von 1979 eingestellt) war dies sogar eine 12-tägige Serie. Flint, MI stellte mit -27,8 °C einen Dezemberrekord seit Messbeginn 1921 auf.
In Embarrass, MN war es mit -42,8 °C USA-weit am kältesten (Allzeitrekord -51 °C). Die gefühlten Temperaturen (Windchill) sanken im äußersten Norden auf bis zu -50 °C (Hettinger, ND). Dazu wurden etliche Datumsrekorde zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag aufgestellt.
In den letzten 30 Tagen (bis 06.01.2018) übertraf die Zahl der aufgestellten Tages-Kälterekorde mal wieder die der Wärmerekorde (4853 zu 3296), während im abgelaufenen Jahr das Verhältnis erneut sehr unausgeglichen war und fast 1:3 betrug.


Rekordverdächtige Verstärkung von "Grayson"

In 24 Stunden bis 04.01., 05 UTC verstärkte sich "Grayson" rekordverdächtig schnell mit einem Druckfall um 59 hPa und einem minimalen Kerndruck von 951 hPa bei St. John, New Brunswick (Rekord seit mindestens 1953). Dies konnte hauptsächlich durch die extremen Luftmassenunterschiede (-25 bis +10 °C in 850 hPa) und einer günstigen Jetkonfiguration gelingen. Zunächst gab es gefrierenden Regen und Schneefälle in Florida, Georgia und den Carolinas mit Stromausfällen in bis zu 100.000 Haushalten, anschließend fegte der Blizzard hauptsächlich über die unmittelbaren Küstenregionen bei Massachusetts und Nova Scotia. Tausende Flüge wurden gestrichen.
Boston registrierte den höchsten Wasserstand seit Aufzeichnungsbeginn 1921: +4,69 m über dem mittleren Niedrigwasser (zuletzt +4,66 m im Jahr 1978, Quelle: watchers.news). Mit der Winddrehung nach Durchzug des Sturms übernahm die -20 bis -30 °C (850 hPa) kalte Luftmasse und verwandelte das Hochwasser in Eis. In den betroffenen Gebieten setzt erst am 08.01. eine Milderung und ab dem 10.01. Tauwetter ein.

Video: Eisfluten nahe Boston, Quelle: YouReporter



Orte mit der kältesten letzten Woche des Jahres seit Aufzeichnungsbeginn
Datenquelle: Wunderground
Ort Mitteltmp. alter Rekord
International Falls, MN
Duluth, MN
Ironwood, MI
Sioux Falls, SD
Watertown, NY
Des Moines, IA
Rockford, IL
Buffalo, NY
–28,0 °C
–24,5 °C
–22,2 °C
–19,4 °C
–18,2 °C
-15,9 °C
-15,8 °C
-11,8 °C
–26,0 °C, 1967
–22,3 °C, 1917
-17,1 °C, 1976
–18,6 °C, 1899
-15,9 °C, 1968
-15,9 °C, 1880
-15,2 °C, 1983
-11,4 °C, 1917


Einfluss des Klimawandels auf das Wetter

Durch den menschengemachten CO2 (u.a.)-Ausstoß und dem dadurch verstärkten Treibhauseffekt, der besonders effektiv bei Kälte und Dunkelheit zu Tage tritt, werden die miteinander interagierenden Luftmassen im überwiegenden Fall wärmer. Da "Klima" als der Zustand aller atmosphärischer Parameter über 30 Jahre gemittelt definiert ist und alle 30 Jahre neu berechnet wird, geht jedes "Wetter" (Atmosphärenzustand an einem einzigen Tag) in die Berechnung ein. Neue Studien können mittlerweile belegen, dass manche extreme Wetterereignisse ohne den Klimawandel wesentlich schwächer oder gar nicht aufgetreten wären. In einem veränderten Umgebungsklima (sichtbar am Trend der letzten 100 Jahre) treten veränderte Wetterereignisse auf, die beispielsweise am 1.1.2021 einen "neuen" Klimadurchschnitt von 1991-2020 ergeben. Kurz: Wetter wird zu Klima und Klima wird zu Wetter.

Das Vorhandensein großer Unterschiede in der Feuchtigkeit und Temperatur von Luftmassen bzw. Meeresoberflächentemperaturen auf engem Raum begünstigt die Entstehung starker Niederschläge und Stürme. Einige der stärksten Schneestürme im Osten der USA traten in den letzten 30 bzw. 10 Jahren auf.
In einer wärmeren Welt kann durch höhere Umgebungstemperaturen Wasser schneller verdunsten und regnet sich an anderen Orten stärker ab. Warme Luft hat einen höheren maximalen Wasserdampfgehalt (Sättigungsdampfdruck) als kalte Luft. Das Zusammenspiel von wärmerer Luft, die sich z.B. bei auflandigem Wind mit Feuchtigkeit anreichert, mit einbezogener trockenkalter Luft, die für Niederschläge in fester Form kalt genug ist, kann also immer kräftigere Schneefälle auslösen, solange die "Zutaten" dafür gegeben sind. Wo die Luft "zu warm" wird, wird aus kräftigem Schneefall kräftiger Regen.

Im globalen Mittel waren alle Jahre von 2014 bis 2017 rekordwarm. Dieser Trend überlagert die natürlichen Klimaschwankungen, die in manchen Jahren und im Abstand von Jahrzehnten besonders kalte oder besonders warme Phasen bringen. Rekordkalte Temperaturen (Allzeitrekorde) können insgesamt schwieriger erreicht werden und meist, wenn eine extreme Wetterlage und eine natürliche kalte Phase zusammentreffen.

Die Polarregionen erwärmen sich beispielsweise durch das Eis-Albedo-Feedback etwa doppelt so schnell wie im globalen Mittel und es zeigen sich mit zunehmender Häufigkeit Warmlufteinbrüche aus niederen in die hohen Breiten. Diese sorgen für große positive Temperaturanomalien an den normalerweise kältesten Orten der Nordhemisphäre (arktische Regionen wie Alaska, Kanada, Grönland, Spitzbergen, Sibirien und angrenzendes Polarmeer). Sogar während der eisigen Polarnacht (Durchschnitt um -40°C) können die Temperaturen im Extremfall bis in Gefrierpunktnähe steigen.
Der Polarfront-Jetstream, der normalerweise die um den Nordpol zentrierte Kaltluft begrenzt, erfährt durch die abnehmenden Temperaturunterschiede häufige Asymmetrien und die Verlagerungsgeschwindigkeit der Wellen sinkt. Die Kaltluft wird in weit amplifizierten Trögen aus den hohen Breiten "herausgeweht" und kann in niederen Breiten für ungewöhnliche Kälte sorgen (die auch abhängig von der Wetterlage länger anhalten kann), auch wenn die Temperaturen für höhere Breiten nicht ungewöhnlich wären und es noch kältere Einzelereignisse in der Geschichte gab.


Text: FB
6.-8. Januar 2018


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