Montag, 16. Januar 2017, 22:30 MEZ
Sturm / Starkschneefall West- und Mitteleuropa 12.01.-13.01.2017 Umgestürzter Baum in Offenbach am 13. Januar 2017 Quelle: Jan Paller |
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Mitte Januar 2017 sorgte Orkantief "Egon" über Frankreich und Deutschland für heftige Windböen, die auch teilweise im Flachland Orkanstärke erreichten. Eine Böe von 148 km/h maß die Wetterstation auf dem Weinbiet in Rheinland-Pfalz. Zu den hohen Windgeschwindigkeiten im Saarland und in Rheinland Pfalz kam es durch einien sog. Sting Jet, der sich an der Südseite des Orkantiefs ausbildete. Neben starkem Wind sorgten Starkschneefälle an der Nordseite des Tiefs für erhebliche Verkehrsbehinderungen. Neuschneemengen von 10 - 20 cm, örtlich auch über 25 cm, in wenigen Stunden konnten in den westlichen Mittelgebirgen beobachtet werden. Schäden traten in Deutschland und Frankreich hauptsächlich durch umgestürzte Bäume auf. Dadurch kam es zu erheblichen Behinderungen im Schienen- und Straßenverkehr. Einige Flughäfen hatten mit Verspätungen und Flugabsagen zu kämpfen. Zahlreiche Unfälle auf den Straßen wurden aus dem Süden und der Mitte Deutschlands gemeldet. Ein Mensch starb in Hessen bei einem Unfall auf glatter Fahrbahn, einige weitere wurden teilweise schwer verletzt. Durch Sturm und Schnee kam es zu Schäden an Gebäuden, Stromleitungen und parkenden Autos. Einige Straßen waren aufgrund des Starkschneefalls nicht passierbar.
Wetterlage und Entwicklung Mit Sturmtief "Dieter", welches am 11.01. über dem Süden Norwegens lag, stellte sich die Wetterlage über weiten Teilen von Mittel- und Westeuropa um. Hatten davor zumeist hoher Luftdruck und kalte Luftmassen das Wettergeschehen dominiert, kamen mit Tief "Dieter" und bereits einen Tag zuvor mit Tief "Caius" wieder wärmere und feuchtere Luftmassen vom Atlantik in den Westen Europas voran. Über dem Atlantik bildete sich am 10.01. und 11.01. eine kräftige Frontalzone aus (Temperaturunterschiede von 15 K auf ca. 700 km). In der Höhe reichte der Jetstream mit mittleren Winden von bis zu 170 kn (315 km/h) von Grönland über Schottland bis nach Deutschland. Aufgrund des Höhentiefs über dem Balkan (siehe auch: Kältewelle in Südosteuropa) zweigte das Starkwindband über Deutschland in einen nördlichen und südlichen Ast ab. Ein Kaltluftvorstoß von Grönland nach Süden über dem Nordatlantik führte in der Folge dazu, dass sich ein Kurzwellentrog in der kräftigen westlichen Höhenströmung in Richtung West- und Mitteleuropa verlagerte. Die Tiefdruckgebiete "Caius" und "Dieter" nahmen, über Skandinavien liegend, die Rolle der steuernden Tiefdruckgebiete ein. Die Advektion mit der Höhe zunehmender positiver Vorticity resultierte am 12.01. um 06 UTC in beginnendem Druckfall südwestlich von Irland. An der Vorderseite des Tiefs wurden in den nächsten Stunden feuchtwarme Luftmassen aus Südwesten in die Zirkluation mit eingebunden. Die Überlagerung von Warmluftadvektion, der Advektion positiver Vorticity, sowie der günstigen Lage im Divergenzbereich des Jetstreams führten zu starken Hebungsvorgängen im Zentrum des mittlerweile entstandenen Bodentiefs. Ein Druckfall von 20 hPa konnte am 12.01. innerhalb von 6 Stunden beobachtet werden. In diesem Zeitraum zog das Tief, welches mittlerweile als Sturmtief "Egon" bezeichnet wurde, vom Ärmelkanal in den Norden Frankreichs. Über Mitteleuropa wurde die Kaltluft der vorherigen Tage durch feuchtwarme Luftmassen an der Vorderseite von Sturmtief "Egon" verdrängt. Am 13.01. um 00 UTC lag die Temperatur in 850 hPa am Alpenrand bei +3 °C. Zweistellige Plusgrade konnten zu diesem Zeitpunkt teilweise am Oberrhein gemessen werden (Freiburg: 10,1 °C). Vom Norden Frankreichs zog Orkan "Egon" weiter nach Belgien und anschließend in den Westen Deutschlands. Über Deutschland lag das Zentrum des Sturms erst über Nordrhein-Westfalen und später dann über Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Am Nachmittag des 13.01. erreichte das Tief dann den Norden von Polen und schwächte sich in der Folge ab. Binnen 18 Stunden war "Egon" vom Norden Frankreichs nach Polen gezogen. Der tiefste Bodendruck lag bei 979 hPa um 03 UTC am 15.01. Die Überlagerung von Warmluftadvektion und Hebung durch Vorticityadvektion führte an der Nordseite des Tiefs zu kräftigen Regen- und später Schneefällen.
Orkanböen im Flachland von Frankreich und Deutschland Die stärksten Windböen traten im Norden Frankreichs, sowie in den deutschen Bundesländern Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen auf. Da sich Orkan "Egon" relativ schnell von West nach Ost verlagerte, traten die Spitzenböen meist nur für einige Stunden auf. In Frankreich maß Dieppe (am Ärmelkanal gelegen) mit 147 km/h die stärkste Orkanböe. Es traten im Norden des Landes verbreitet orkanartige Böen und gebietsweise auch Orkanböen auf. Auch im Landesinnern konnten teilweise Böen über 130 km/h aufgezeichnet werden (Albert: 134 km/h). In der Mitte und im Süden Deutschlands verzeichneten einige Stationen im Flachland von Rheinland-Pfalz und dem Saarland ebenfalls Orkanböen. Weinbiet, in Rheinland-Pfalz gelegem, kam auf 148 km/h, Berus im Saarland auf 126 km/h, Hahn (Rheinland-Pfalz) und Tholey (Saarland) kamen auf Spitzenböen von 120 km/h. Auch in Niederstetten im Osten Baden-Württembergs reichte es mit 119 km/h zu einer Orkanböe. Orkanartige Böen und schwere Sturmböen trafen verbreitet die Regionen im Süden und in der Mitte Deutschlands.
Starkschneefall im Norden und der Mitte von Deutschland Die Überlagerung von Warmluftadvektion und positiver Vorticityadvektion resultierte in kräftigen Hebunsgvorgängen nördlich des Tiefzentrums. Im Westen Deutschlands kamen binnen weniger Stunden teilweise 10 cm bis 20 cm Neuschnee zusammen. Aufgrund des starken Windes waren gebietsweise Schneeverwehungen zu beobachten. In den westlichen Mittelgebirgen und später auch weiter östlich kamen teilweise 20 cm bis 30 cm Neuschnee in weniger als 12 Stunden zusammen.
Auswirkungen von Orkantief "Egon" In Frankreich und Deutschland gab es Schäden durch Sturm und Schneefall. Die starken Windböen entwurzelten zahlreiche Bäume, die den Straßen und Schienenverkehr behinderten. Allein in Deutschland zählte die ESWD (European Severe Weather Database) über 80 Meldungen von durch Bäume blockierten Straßen in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Hessen, Baden-Württemberg, Thüringen und Bayern. Unfälle im Zug- und Straßenverkehr, einige davon auch mit schwer verletzten Person, waren die Folge der umgestürzten Bäume. Schäden an Gebäuden und Autos, sowie an Stromleitungen wurden in den erwähnten Bundesländern ebenfalls gemeldet. Dazu kam es in einigen Regionen durch Schneeverwehungen zu erheblichen Behinderungen im Straßenverkehr. Über 30 Straßen mussten nach Starkschneefällen unter anderem in Hessen, Thüringen, Niedersachsen, Bayern und Sachsen gesperrt werden. Einige Dörfer waren in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern kurzzeitig von der Außenwelt abgeschnitten. In einigen Bundesländern blieben am 13.01. Schulen geschlossen, Passagiere an Flughäfen in Hessen (Hahn und Frankfurt) und Sachsen (Dresden, Leipzig) hatten mit Verspätungen und Flugausfällen zu kämpfen. Viele Zugstrecken im Land waren zeitweise gesperrt. Im Saarland mussten die Rettungskräfte über 350 Mal ausrücken, es gab 13 Verkehrsunfälle. Chaotische Verhältnisse traten im Westerwaldkreis, sowie in der Eifel und im Hunsrück (Rheinland-Pfalz) auf. Viele LKWs blieben in den Schneeverwehungen stecken. In Hessen gab es einen Toten bei einem Unfall auf glatter Fahrbahn. Im Nachbarland Frankreich wurden 5 Personen in Paris durch den starken Wind leicht verletzt. In Soissons zerstörte der Wind das Fenster einer Kirche. Drei parkende Autos wurden in Compiègne von einem abgetragenen Hausdach stark beschädigt. Über 190 000 Haushalte waren im Norden Frankreichs kurzzeitig ohne Strom. Text: JW 16. Januar 2017 |