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Samstag, 26. August 2017, 18:00 MESZ
zuletzt aktualisiert: 02. September 2017, 13:00 MESZ



Tropischer Wirbelsturm
Harvey

USA (Texas, Louisiana)

26.-31.08.2017


Satellitenbild, 25.08.2017, 14:45 UTC
Quelle: GOES NASA

Am 26. August 2017 erreichte Hurrikan "Harvey" einen minimalen Kerndruck von 938 hPa und ging als Kategorie 4-Wirbelsturm mit Mittelwinden bis 215 km/h und Spitzenböen bis 260 km/h um 03:00 UTC nahe Rockport im US-Bundesstaat Texas an Land. Damit ist es der stärkste Landgang eines Hurrikans in den USA seit "Charley" am 13.08.2004, welcher die fünfthöchsten Mittelwinde (240 km/h) seit Ende des 19. Jahrhunderts hervorbrachte.
Die Folge waren zunächst etliche Schäden durch Orkanböen, Starkregen, hohe Wellen und die Sturmflut (+2,1 m in Port Lavaca), bis "Harvey" über Land gegen 18:00 UTC den Hurrikanstatus verlor.
Die atmosphärischen Umgebungsbedingungen verhinderten ein rasches Abschwächen und Abziehen des Tropensturms, folglich führte tagelang anhaltender extrem starker Regen im Großraum Houston zu katastrophalen Überschwemmungen, bei denen Häuser bis zu den Dächern im Wasser versanken.

Fotos, Überschwemmungsgebiet Houston, 27. und 28.08.2017 | Quelle: Severe Weather Europe


Nach Angaben des National Weather Service handelt es sich um ein beispielloses Ereignis mit im historischen Vergleich nie dagewesenen Auswirkungen. Bestehende Regen- und Pegelrekorde wurden bei weitem übertroffen, der Colombia Lakes-Damm hielt den Wassermassen nicht mehr stand. Reservoire, die für 1000-jährige Fluten konstruiert worden waren, liefen über und Wasser musste abgelassen werden. Hunderttausende Häuser waren von Zerstörungen betroffen, 43 Todesopfer sind zu beklagen.

Am 30. August um 08:30 UTC kam es zu einem weiteren Landfall als Tropensturm in Cameron (Louisiana), nachdem sich dieser am 28.08. mit seinem Zentrum zurück auf das offene Meer verlagert hatte - noch nie gab es zwei Landfalls an der Golfküste, die zeitlich so lange auseinander lagen. Seine Verlagerungsgeschwindigkeit nach Nordosten nahm allmählich zu. "Harvey" schwächte sich am 31.08., 00 UTC bei Alexandria (LA) zu einem tropischen Tiefdruckgebiet ab und hatte am 01.09., 15 UTC über Tennessee seine tropischen Eigenschaften schließlich verloren, brachte allerdings auf seinem Weg ins Ohio Valley noch heftigen Regen. Am 04.09. wurde "Ex-Harvey" von einem neuen Tiefdruckgebiet bei den kanadischen Seeprovinzen absorbiert.

Von 26.-29.08. registrierte Cedar Bayou bei Mont Belvieu 1318 mm Regen, ein neuer Rekord für die höchste Gesamtregensumme eines Tropensturms in der Messgeschichte der USA (bislang 1219 mm während Tropensturm "Amelia" im Jahr 1978, Texas Hill Country). Drei private (inoffizielle) Messstationen übertreffen sogar den Hawaii-Rekord (1320 mm) mit einem Maximalwert von 1563 mm in Baytown (Country Club Oaks). Mit geschätzten Schadensummen im oberen zweistelligen Milliardenbereich gehört "Harvey" zu den teuersten Wirbelstürmen in der Geschichte der USA.

Entstehung und Entwicklung

Energiegehalt Golf von Mexiko
© AOML NOAA
Mehr als 80 % der Major Hurrikans auf dem Atlantik entstehen aus einer tropischen Welle, die in westlicher Richtung vom afrikanischen Kontinent auf den Atlantik wandert. So begann auch der Lebenszyklus von "Harvey" am 13.08.
Noch vor Eintritt ins Karibische Meer wurde das tropische Tief am 17.08. zum ersten Mal als Tropensturm klassifiziert. Nach Überqueren der südlichen Kleinen Antillen schwächte sich "Harvey" über dem Karibischen Meer ab und wurde fortan nicht mehr als tropischer Sturm oder als tropische Depression geführt. Die Welle wanderte nach Nordwesten und erreichte am 22.08. den südwestlichen Teil des Golfs von Mexiko. Dabei entwickelte sich wieder eine bodennahe Strömung um ein Zentrum, das System intensivierte sich zunächst wieder zu einer tropischen Depression und infolge hohen ozeanischen Wärmegehalts (SST 30-31 °C) sowie geringer Windscherung rapide zum dritten und bislang stärksten Hurrikan der atlantischen Saison 2017. Mit Kategorie 4 erreichte "Harvey" eine größere Stärke als die meisten Modelle berechneten.
Bei dessen Landfall wurden zudem östlich seines Zentrums (durch enorme Windscherung in Verbindung mit Gewittern) über 100 Tornadowarnungen in drei Tagen ausgegeben, die bisher größte Zahl der letzten 20 Jahre in der Region Houston. 33 (vorläufige) Tornados wurden gezählt.

Bereits im Vorfeld des Sturms ließen die prognostizierten Umgebungsbedingungen katastrophale Regenmengen nach dem Landfall erwarten. Der überdurchschnittlich warme Golf von Mexiko bis in einige Dekameter Tiefe stellte enorme Wärme- und Feuchtigkeitsmengen bereit, zeitweise erreichten die PWAT-Werte (niederschlagbares Wasser) rekordverdächtige 70-75 mm (im mitteleuropäischen Sommer sind es selten mehr als 30-35 mm). Über mehrere Tage hinweg zeigten sich in der gesamten Troposphäre windschwache Verhältnisse, der Sturm verlangsamte seine Verlagerungsgeschwindigkeit am 27.08. auf 2-3 km/h. Der Jetstream verlief weit im Norden, im Nordwesten und Osten der USA befand sich je ein blockierendes Hochdruckgebiet. Zusätzlich erstreckte sich eine quasistationäre Front parallel zur Golfküste über dem Südosten der USA mit Konvergenz bodennaher nördlicher und südöstlicher Winde.

Grafiken und Lebenszyklus von "Harvey" | Quellen: Cyclonephase, RAMMB, NASA, NOAA SSD, CIMSS, NASA Worldview, GOES NASA
Zugbahn und SST Wind- und Druckverlauf Nds. 23.-29.08. Cyclone Phase
Shear und SST Ausfällbares Wasser Windfeld 25.08., 18 UTC Windfeld 26.08., 06 UTC
Sat.bild 25.08., 19:45 UTC Sat.bild 26.08., 04:45 UTC Sat.bild 26.08., 18:45 UTC Sat.bild 27.08., 12:45 UTC

Folgerichtig wurden langjährige Regenrekorde pulverisiert. Am 27.08. fielen mancherorts 100 bis 200 mm Regen in einer Stunde (bereits 25-50 mm sind als extrem zu bezeichnen), 300 bis 350 mm in sechs Stunden bedeuteten eine statistische Wiederkehrzeit von 500 Jahren (Quelle: HCFCD). Houston Intercontinental Airport verzeichnete am 27.08. mit 408 mm den nassesten Tag der Messgeschichte (alt: 211 mm), etwa so viel wie bei Tropensturm "Allison" (2001) in fünf Tagen (419 mm) und eine 2-Tages-Summe von 621 mm (26.-27.08.) - zum Vergleich, der nasseste Monat in Houston: 488 mm im Juni 2001, Monatsniederschlag (1981-2010): 96 mm.
Am Houston Hobby Airport bedeuteten 825 mm in drei Tagen (26.-28.08.) einen Rekord für alle größeren Städte der USA seit 1895, mit einer berechneten Wiederkehrzeit von mehr als 1000 Jahren (Quelle: MetSTAT). Beaumont-Port Arthur verdoppelte die bestehenden Rekorde für den nassesten Tag (mit 661 mm am 29.08.) und 4-Tages-Zeitraum (mit 1203 mm, 26.-30.8.). Häufig fiel während des Ereignisses mehr Regen als der durchschnittliche Jahresniederschlag in Austin und Corpus Christi (800-900 mm) in rund fünf Tagen - das nasseste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn in Houston und Beaumont ist damit bereits im August garantiert. Etliche Pegel erreichten rasch die höchste Hochwasserstufe und übertrafen bestehende Rekorde zum Teil deutlich (Cypress Creek und San Jacinto River - Okt. 1994, Buffalo Bayou, Clear Creek, Trinity River und Brazos River/Richmond - Jun. 2016, San Bernard River, Neches River, Village Creek - Aug. 1915).

Radarbilder und Meeresoberflächentemperaturen (SST) | Quellen: UCAR, Tropicaltidbits
25.08.2017, 14 UTC 25.08.2017, 20 UTC 25.08.2017, 23 UTC 26.08.2017, 02 UTC
26.08.2017, 05 UTC 26.08.2017, 08 UTC 26.08.2017, 14 UTC SST Atlantik

Die äußeren Regenbänder von "Harvey" erfassten die texanische Küste zwischen Brownsville und Houston bereits in den Vormittagsstunden des 25.08. (UTC). Diese intensivierten sich vor allem östlich des herannahenden Sturms und reichten am Abend bis zum westlichen Louisiana. Unterdessen steigerten sich die Orkanböen bis zum Landfall am frühen 26.08. nordöstlich von Corpus Christi, anschließend blieb der Hurrikan westlich von Victoria nahezu stationär. Da sich ein großer Teil des Wirbelsturms noch über dem Meer befand und enorme Energiemengen direkt vom Golf von Mexiko in seine Zirkulation einbeziehen konnte, behielt "Harvey" nach dem Landfall noch bis 10:00 UTC ein auf dem Radar gut erkennbares Auge und bis 18:00 UTC Hurrikanstärke. Die starken Niederschläge außerhalb des Sturmzentrums konzentrierten sich auf das Gebiet von Houston über Austin bis San Antonio. Ab den Nachmittagsstunden entfernten sich die inneren und äußeren Spiralbänder des Sturms voneinander, um 18:00 UTC erfolgte die Herabstufung zu einem Tropensturm. Um 00:00 UTC am 27.08. reichten die Regenfälle bis Shreveport (Louisiana), 500 km vom Sturmzentrum entfernt.

Radarbilder | Quellen: NCDC
26.08.2017, 18 UTC 27.08.2017, 00 UTC 27.08.2017, 06 UTC 27.08.2017, 12 UTC
27.08.2017, 18 UTC 28.08.2017, 00 UTC 28.08.2017, 06 UTC 28.08.2017, 12 UTC

In den Frühstunden des 27.08. (UTC) entfernten sich die Regengebiete zunehmend vom Sturmzentrum weg nach Norden und Osten. Eine Linie mit konvektiven Zellen, wie an einer Perlschnur aufgereiht und extremen Niederschlagsraten, erreichte Houston und erhielt vom Meer her immer weiteren Nachschub. Gegen 12 UTC konzentrierte sich ein riesiges Niederschlagsgebiet auf den Großraum Houston, welches sich im Lauf des Abends wieder etwas nach Westen und umso weiter nach Osten ausdehnte. Damit waren auch einige Regionen in Louisiana von heftigen Regenfällen betroffen. Ein ähnliches Spiel wiederholte sich am 28.08. mit einer Reintensivierung des Tropensturms in der Nacht (Ortszeit) und den kräftigsten Regenfällen östlich von Houston. Um 12 UTC fiel der stärkste Regen bei Lake Charles, um 18 UTC auch in Baton Rouge und New Orleans.

Radarbilder | Quellen: NCDC
28.08.2017, 18 UTC 29.08.2017, 00 UTC 29.08.2017, 06 UTC 29.08.2017, 12 UTC
29.08.2017, 18 UTC 30.08.2017, 00 UTC 30.08.2017, 06 UTC 30.08.2017, 12 UTC

In der Nacht auf den 29.08. zog das Zentrum von "Harvey" wieder auf offenes Meer hinaus, folglich entstanden um dieses neue kräftige Gewitterkomplexe, die erneut etliche Stunden den Raum Houston betrafen. Ein zweites Dauerregengebiet verstärkte sich über dem Osten Louisianas und immer häufiger erreichten Regenfälle auch Mississippi, Alabama und den Florida Panhandle. Instabilität und Hebung durch die stationäre Front ließen auch in Georgia und dem südlichen Florida Regen und Gewitterzellen entstehen, 1000 km vom Sturmzentrum entfernt.
Am 30.08. endete der Regen in Houston, besonders nass zeigten sich zum Zeitpunkt des zweiten Landfalls die Regionen um Beaumont (LA) und Pensacola (FL). Die Niederschläge folgten der allmählich zunehmenden Nordwärtsverlagerung des Tropensturms.

Radarbilder | Quellen: NCDC
30.08.2017, 18 UTC 31.08.2017, 12 UTC 31.08.2017, 18 UTC 01.09.2017, 00 UTC
01.09.2017, 06 UTC 01.09.2017, 12 UTC 01.09.2017, 18 UTC 02.09.2017, 00 UTC

Nicht nur in Texas und Louisiana (max. 565 mm, Bayou Conway), auch in Arkansas (253 mm), Tennessee (224 mm) und Kentucky (233 mm) trug sich Harvey noch in die Geschichtsbücher ein, mit einer Top 8- bis Top 3-Platzierung bei den höchsten Regensummen während eines tropischen Systems in diesen Staaten.

Pegelstände Texas | Quelle: West Gulf River Forecast Center
Buffalo Bayou at Piney Point Village Cypress Creek near Westfield Village Creek near Kountze Neches River at Beaumont

Niederschlagsmengen (links) und Spitzenböen (rechts) während Hurrikan " Harvey" in den USA (26.08.)
Datenquellen: WPC NOAA, Wunderground
Ort Menge
Cedar Bayou
Clear Creek
Dayton
Marys Creek
Beaumont/Port Arthur
Santa Fe
Pasadena
Horsepen Creek
South Houston
Berry Bayou
Friendswood
Houston WFC Office
League City
1317,8 mm
1254,8 mm
1250,4 mm
1249,7 mm
1202,7 mm
1186,2 mm
1161,8 mm
1158,2 mm
1140,7 mm
1137,9 mm
1118,9 mm
1101,9 mm
1100,3 mm
Ort Böe
Port Aransas
Copano Village
Lamar
Rockport
Taft
Magnolia Beach
Edna
Aransas Pass
Brazos
Palacios
Corpus Christi
Quintana
Austin Bergstrom Intl. Airport
212 km/h
201 km/h
177 km/h
174 km/h
145 km/h
127 km/h
117 km/h
114 km/h
113 km/h
111 km/h
105 km/h
93 km/h
84 km/h

Einordnung

"Harvey" ist der erste Major Hurricane (mind. Cat. 3) seit "Wilma" (2005) der auf die USA, und der erste Hurrikan seit "Ike" (2008) der auf den Bundesstaat Texas trifft. Noch nie lag die Zeitspanne zwischen zwei Landfalls von Major Hurricanes in den USA mit 4323 Tagen so hoch, fast 12 Jahre seit "Wilma".

"Harvey" nahm eine typische August-Zugbahn durch die westliche Karibik zur Golfküste und befand sich zeitlich in der Gesellschaft der schwersten und teuersten Hurrikane der jüngeren US-Geschichte: Hurrikan "Andrew" (1992) am 24. August mit 45 Mrd. $ und Hurrikan "Katrina" (2005) am 29. August mit 105 Mrd. $ Schaden (Quelle: NHC). Der zweitteuerste Sturm war "Sandy" am 29. Oktober 2012.
Ungewöhnlich war jedoch, dass sich "Harvey" nach der Fast-Auflösung in der Karibik und Überquerung der Yucatán-Halbinsel zu einem Cat. 4-Hurrikan in nur 56 Stunden entwickeln konnte und weit südlich in Texas an Land ging. Dieser Küstenabschnitt wird im Durchschnitt nur alle 15 Jahre von einem Hurrikan getroffen, der letzte vergleichbar starke Hurrikan in Texas war "Carla" vor 56 Jahren.
Zudem behielt ein Hurrikan, der auf Texas traf, mit 117 Stunden nie zuvor so lange den Tropensturm-Status wie "Harvey" (Quelle: Phil Klotzbach), vermutlich unterstützt durch die Überflutungen ("Brown Ocean Effect") und die langsame Zuggeschwindigkeit, was wiederum die extremen Regenmengen ermöglichte. Die Regensummen von Tropensturm "Allison" (2001), welcher für das bislang schwerste Flutereignis in Houston verantwortlich zeichnete, wurden in diesem Jahr in der Hälfte der Zeit erreicht (2-3 Tage statt 5 Tage).

Fotos, Überschwemmungsgebiet Houston, 27.08.2017 | Quelle: Severe Weather Europe


Typische Zugbahnen im August/September und Wiederkehrperioden von (Major) Hurricanes | Quelle: NHC,

Das Auftreten von schweren Hurrikans zu dieser Jahreszeit ist eine normale Ausprägung der Bandbreite des Wetters und Klimas im Umfeld des tropischen Atlantiks. Zugbahnen, die maximale Stärke und die Häufigkeit schwerer Stürme hängen von den vorhandenen Umgebungsbedingungen ab, die sich periodisch und auf verschieden großen Zeitskalen abwechseln. Dennoch gibt es Anzeichen, dass die Auswirkungen von "Harvey" durch den menschengemachten Treibhausgasausstoß und Klimawandel verstärkt wurden. In einer wärmeren Welt kann mehr Energie in Form von Feuchtigkeit umgesetzt werden, was die Wahrscheinlichkeit für stärkere Regenfälle, aber auch Dürreperioden erhöht. Durch Meeresspiegelanstieg höhere Normalwasserstände verstärken Sturmfluten, ein schwächerer oder verschobener Jetstream ändert Zugbahnen und Charakteristika von Wetterereignissen. In den letzten drei Jahren waren bereits mehrfach in Texas und Louisiana "100 bis 1000-jährige Flutereignisse" zu beobachten, in diesem Sommer kam es in vielen Teilen der Welt zu Hitzerekorden und Rekordregenfällen, welche nach aktuellen Erkenntnissen seit einiger Zeit häufiger werden.
Text: FB
26.-30. August 2017

zuletzt aktualisiert am: 02. September 2017


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