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Sonntag, 21. Januar 2007, 18:00 MEZ


Orkantief "Kyrill"

Mitteleuropa, Nordwesteuropa
18./19.1.2007


Satellitenbild: 18.1.2007, 10:41 UTC, NOAA 17 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Wetterlage und Entwicklung
Einer der stärksten Stürme der vergangenen Jahre suchte am 18. und 19. Januar 2007 weite Teile Mittel- und Nordwesteuropas heim. Das Tief „Kyrill“ sorgte verbreitet für Orkanböen und Schäden in Milliardenhöhe.

„Kyrill“ entwickelte sich innerhalb einer ausgeprägten Frontalzone und tauchte am 16. als junges Tiefdruckgebiet über Neufundland auf. Bedingt durch hohe Windgeschwindigkeiten von zum Teil über 200 Knoten (etwa 370 km/h) im 300 hPa-Niveau verlagerte es sich rasch nach Osten und war 48 Stunden später über dem mittleren Nordatlantik auszumachen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der steuernde Höhentrog den Tiefkern am Boden bereits überlaufen. Durch positive und mit der Höhe zunehmende Vorticity-Advektion auf der Vorderseite dieses Troges formierte sich in der Nähe des Okklusionspunktes ein neues Tiefdruckzentrum – der bisherige Kern blieb zurück und löste sich am Abend des 18. auf. Korrespondierend zu dem markanten Höhentrog wanderte „Kyrill“ unter weiterer Verstärkung beschleunigt nach Osten und erreichte am Nachmittag des 18. die Nordsee. Dort wurde mit unter 965 hPa der tiefste Luftdruck analysiert. Die weitere Zugbahn verlief bis Mitternacht über Dänemark und die Ostsee hinweg Richtung Baltikum. Vom 20. an füllte sich das Tief über Nordwestrussland langsam auf.

Wind:
Die Warmfront von „Kyrill“ erfasste in den Morgenstunden des 18. mit länger anhaltendem und ergiebigem Regen den Westen und Nordwesten Deutschlands. Die ersten kräftigeren Böen aus Südwest traten dabei in Rheinland-Pfalz auf (z.B. Weinbiet/Pfälzer Wald (557 m) 104 km/h). Rasch nahm der Wind an Stärke zu, bereits um 8 Uhr meldeten zahlreiche Stationen in der Südwesthälfte des Landes Sturm-, einige Bergstationen schon Orkanböen (z.B. Feldberg/Schw. (1493 m) 119 km/h). Um die Mittagszeit befand sich das gesamte Bundesgebiet im starkgradientigen Warmsektor des Tiefs. Da die Luft jedoch stabil geschichtet war, blieben Böen der Stärke 11 und 12 zunächst auf höhere Lagen beschränkt. Dabei stachen der Brocken im Harz (1142 m) mit 169 km/h und erneut das Weinbiet mit 151 km/h hervor. Am Nachmittag näherte sich von Nordwesten her die Kaltfront an. Entsprechend wurden die ersten Orkanböen im Flachland an der Nordseeküste verzeichnet (z.B. Alte Weser Leuchtturm 126 km/h). Auch im Landesinneren lebte der Wind weiter auf. Um 15 Uhr MEZ konnten verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen gemessen werden. Die Kaltfront war im Radarbild als schmales, konvektiv durchsetztes Regenband erkennbar. Ihr folgten örtlich starke Regenschauer und sogar kurze Gewitter nach. In der Lutherstadt Wittenberg richtete vermutlich ein Tornado schwere Schäden an. Im Bereich der Front sowie in der anschließend einströmenden labilen Kaltluft mischte vertikaler Impulstransport den kräftigen Höhenwind von teilweise mehr als 90 Knoten (ca. 170 km/h) im 850 hPa-Niveau bis zum Boden herab. Osnabrück verbuchte am frühen Abend postfrontal eine 126 km/h-Böe aus westlicher Richtung. Zum selben Zeitpunkt wurde in Karlsruhe eine 108 km/h-Böe notiert. In den darauffolgenden Stunden konnten bundesweit die höchsten Windgeschwindigkeiten beobachtet werden. Orkanartige Böen und Böen mit voller Orkanstärke auch an niedriger gelegenen Orten (z.B. Niederstetten 128 km/h) erlebten viele Stationen. Die heftigsten Böen im Flachland mit jeweils 144 km/h registrierten Düsseldorf/Flgh. und Artern, bei den Bergen der Wendelstein (1835 m) mit 202 km/h. In der Nacht zum 19. blieb es bei verbreitet stürmischen Böen. Vor allem in der ersten Nachthälfte kam es mit Ausnahme des Nordwestens noch flächendeckend zu schweren Sturm-, im Osten und Nordosten begünstigt durch einen durchschwenkenden Bodentrog auch häufiger zu orkanartigen Böen, vereinzelt zu Orkanböen (z.B. Baruth und Trollenhagen je 126 km/h). Am Morgen des 19. schwächte sich der Wind dann auch im Osten ab, während gleichzeitig im Westen und Südwesten durch eine nach Südosten ziehende flache Welle erneut Sturmböen hervorgerufen wurden.

„Kyrill“ wütete auch in anderen Ländern West- und Mitteleuropas. Auf den Britischen Inseln erreichten die Böen Geschwindigkeiten bis 137 km/h (Dublin Airport/Irland), in den Benelux-Staaten bis 133 km/h (Wilhelminadorp/Niederlande). Europaweit forderte der Orkan mindestens 40 Menschenleben. Er hinterließ eine Spur der Verwüstung und verursachte Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Unzählige Bäume stürzten um und blockierten Straßen. Die Deutsche Bahn stellte erstmals in ihrer Geschichte am Abend des 18. bundesweit den Betrieb ein. Zehntausende Fahrgäste mussten in Zügen übernachten. Der neue Berliner Hauptbahnhof wurde am späten Abend evakuiert, nachdem sich ein tonnenschwerer Stahlträger von der Außenfassade losgerissen hatte und auf eine Treppe gestürzt war. Betroffen war auch der Flugverkehr. Allein am größten deutschen Flughafen Frankfurt/Main mussten fast 200 Flüge gestrichen werden. Viele Schulen blieben am Nachmittag des 18. und am 19. geschlossen.

Temperatur:
In seinem Warmsektor führte „Kyrill“ kurzzeitig warme Luft subtropischen Ursprungs bis über die Alpen nach Norden. Diese Warmluft konnte sich am 18. und in der Nacht zum 19. bis zum Boden durchsetzen. Von höheren Lagen abgesehen stiegen deutschlandweit die Temperaturen am 18. tagsüber auf Werte bis +16 °C in Nörvenich. Am Abend wurde es vor der heranrückenden Kaltfront mit zunehmendem Wind im Süden noch milder als am Tage, z.B. stellte Mannheim mit +16,0 °C einen neuen Rekord für die zweite Januardekade um 22 Uhr MEZ auf! Auch an zahlreichen weiteren Stationen reichte es zu neuen Dekadenrekorden. Bemerkenswert sind zudem die mit leichter Föhnunterstützung um Mitternacht erreichten +19 °C am Salzburger Flughafen.

Niederschlag:
Neben Orkanböen und ungewöhnlich milden Temperaturen brachte „Kyrill“ auch hohe Regenmengen. Besonders im Norden und in der Mitte Deutschlands fielen verbreitet 20 bis 40 l/m². Auf dem Brocken summierte sich der 24-stündige Niederschlag bis zum 19., 07 Uhr MEZ sogar auf 90 l/m². Dies entspricht mehr als der Hälfte des Monatssolls. Das benachbarte Braunlage brachte es auf 79 l/m². Stellenweise traten Bäche und kleinere Flüsse über die Ufer.
Text: CE, BM

Bodendruckanalysen vom 17. bis 19.1.2007
Quelle: FU Berlin / DWD
17.1.2007, 00 UTC 18.1.2007, 00 UTC 18.1.2007, 12 UTC 19.1.2007, 00 UTC
500 hPa-Geopotential und -temperatur vom 17.-19.1.2007 jeweils 00 UTC:
Quelle: Wetterzentrale
17.1.2007, 00 UTC 18.1.2007, 00 UTC 19.1.2007, 00 UTC

Wetterwerte

Nachstehend eine Auswahl gemessener Spitzenböen am 18.1.2007, einiger Höchsttemperaturen vom 18.1.2007 und 24-stündiger Niederschlagsmengen vom 18.1.2007, 06 UTC, bis 19.01.2007, 06 UTC, an einigen deutschen Stationen:

Ort Bö, 18.01.
Wendelstein
Brocken
Fichtelberg
Feldberg/Schw.
Artern
Düsseldorf
Kiel-Leuchtturm
Braunschweig
Berlin-Dahlem
Cottbus
München
Karlsruhe
202 km/h
198 km/h
184 km/h
166 km/h
144 km/h
144 km/h
140 km/h
130 km/h
126 km/h
126 km/h
119 km/h
108 km/h
Ort Tmax, 18.01.
Nörvenich
Garmisch
Doberlug
Offenbach
Ingolstadt
München
Heidelberg
Karlsruhe
Freiburg
Berlin
Stuttgart
Hannover
16°C
16°C
15°C
15°C
15°C
15°C
15°C
15°C
15°C
14°C
14°C
14°C
Ort Regen, 18./19.01.
Brocken
Braunlage
Neuhaus
Bad Salzuflen
Lüdenscheid
Berlin-Tempelhof
Bergen
Wernigerode
Fassberg
Lüdge
Oldenburg
Soltau
90 mm
79 mm
59 mm
47 mm
46 mm
45 mm
44 mm
44 mm
44 mm
43 mm
42 mm
42 mm

Niederschlag

Radarbilder vom 18.1.2007:
Quelle: DWD
18.1.2007, 06 UTC 18.1.2007, 09 UTC 18.1.2007, 12 UTC
18.1.2007, 15 UTC 18.1.2007, 18 UTC 18.1.2007, 21 UTC

Satellitenbilder

16.1.07, 14:29 UTC, METOP-A VIS
Quelle: B. J. Burton
17.1.07, 12:00 UTC, MSG VIS
Quelle: Eumetsat
17.1.07, 12:00 UTC, MSG VIS
Quelle: Eumetsat
17.1.07, 14:00 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton
18.1.07, 12:06 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton
19.1.07, 12:00 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton



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