Donnerstag, 02. April 2015, 14:45 MEZ Sturmtiefserie "Mike" und "Niklas" Mitteleuropa 29.03.-31.03.2015 Satellitenbild (vis) Orkantief "Niklas" 31.03.2015, 12:15 UTC Quelle: B. J. Burton |
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Nach einem überdurchschnittlich sonnigen und warmen März 2015 stellte sich in Mitteleuropa zum Monatswechsel ein wechselhafter und sehr windiger Witterungsabschnitt ein. Sturmtief "Mike" sorgte am 29. März verbreitet für Sturmböen, lokal traten sogar orkanartige Böen auf. Es entstanden vielerorts Schäden besonders durch umstürzende Bäume. Nur zwei Tage später folgte Tief "Niklas", das im Flachland örtlich sogar Orkanböen über 120 km/h im Gepäck hatte. Auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, wurden Windspitzen bis 191 km/h gemessen. Verbreitet kam es zu sturmbedingten Schäden. Umgestürzte Bäume legten vielerorts den Bahnverkehr lahm. Der Sturm forderte insgesamt elf Menschenleben.
Großwetterlage zum Monatswechsel In den letzen Märztagen lieferte eine bestens intakte Frontalzone über dem Atlantik günstige Bedingungen für die Entwicklung von ausgeprägten Tiefdruckgebieten, die zum Monatsende in rascher Abfolge ostwärts über Mitteleuropa hinweg zogen. Mit viel Wind und Regen im Gepäck fegte am 29.03. zunächst Sturmtief "Mike" über Mitteleuropa hinweg, bevor Orkantief "Niklas" am 31.03. sogar im Flachland mancherorts für Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke sorgte. Verstärken sich in der Atmosphäre die Temperaturgegensätze zwischen sehr kalter Luft über polaren Breiten und wärmeren Luftmassen im Süden, nimmt in der oberen Troposphäre aufgrund der größeren Mächtigkeit der warmen Luft (größerer Abstand der Geopotentialflächen in warmer Luft) der Druckgradient zu und es bildet sich ein ausgeprägtes Starkwindband (Jetstream) aus. Im Bereich des Jets in etwa 9 km Höhe lagen die Windgeschwindigkeiten Ende März zum Teil über 300 km/h. Besonders günstige Bedingungen für Entstehung und Intensivierung von Tiefdruckgebeten lassen sich am linken Ausgang lokaler Maxima des Jetstreams, sogenannter Jetstreaks finden. Das Auseinanderströmen von Luft verursacht hier starke Divergenz und führt zu einer Evakuierung der darunter liegenden Luftsäule. Druckfall am Boden ist die Folge. Diese Prozesse spielten auch bei der Entwicklung von Sturmtief "Mike" und Orkantief "Niklas" eine wichtige Rolle.
Sturmtief "Mike" Als Welle im Bodendruckfeld an der Südflanke des steuernden Zentraltiefs "Lucien" über dem Nordmeer formierte sich "Mike" ab dem 28.03. am Ausgang eines Jetstreaks über dem Atlantik. Bis zum 29.03 verlagerte sich die Welle rasch Ostwärts und wurde zum 12 UTC-Termin über England analysiert. An der Südflanke von Tief "Mike" nahm der Druckgradient deutlich zu und es bildete sich ein ausgeprägtes Sturmfeld aus, das am Mittag des 29.03. zunächst im Süden Englands und Wales verbreitet schwere Sturmböen zur Folge hatte. Windspitzen bis 100 km/h meldete beispielsweise die Station Kenley südlich von London. Zum Abend griffen die stärksten Böen mit der Ostwärtsverlagerung des Tiefs auch auf Mitteleuropa über und am 30.03. lag "Mike" nun als abgeschlossenes Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von 978 hPa bereits über der Ostsee.
Zuvor regnete es entlang der Warmfront und im Bereich des Warmsektors besonders in Staulagen an den West- und Nordwesträndern der Gebirge zum Teil kräftig. Am meisten Regen fiel im Schwarzwald. In Sankt Blasien Menzenschwand beispielsweise fielen bis zum 30.03., 06 UTC 95,5 mm innerhalb 24 Stunden.
Schäden traten hauptsächlich durch umgestürzte Bäume auf, die zum Teil Gebäude und Autos beschädigten oder Straßen und Schienen blockierten. Beeinträchtigungen im Bahnverkehr gab es besonders von Niedersachsen bis nach Brandenburg. In Nordrhein-Westfahlen wurden mehrere Menschen durch umfallende Bäume verletzt. Im Landkreis Kulmbach fiel in drei Gemeinden vorübergehend der Strom aus (Quelle: Stern). Auf der Rückseite von Tief "Mike" floss vorübergehend hochreichende Kaltluft ein, in der sich am 30.04. zahlreiche Schauer und zum Teil Gewitter bildeten, bevor in der Nacht zum Dienstag Orkantief "Niklas" mit seinem Sturmfeld Mitteleuropa erreichte.
Orkantief "Niklas" Große Temperaturgegensätze zwischen sehr kalter Luft, die zwischen einem Hoch über dem mittleren Westen und einer Tiefdruckrinne vor der Ostküste der USA nach Süden bis zum Golf von Mexiko floss, und warmer Luft aus der Karibik, die vorderseitig der Tiefdruckrinne nach Norden transportiert wurde gaben bereits am 28.03. vor der Ostküste der USA den Antrieb für eine Zyklogenese. Als abgeschlossenes Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von unter 995 hPa wurde Niklas am 29.03., 12 UTC vor der Küste Neufundlands analysiert und verlagerte sich unter weiterer Intensivierung ostwärts über den Atlantik. Dabei schlug dem Tief weiterhin die energiereiche Luftmasse tropischen Ursprungs, die "Niklas" an seiner Vorderseite mit sich führte und dort für starke Schichtdickenadvektion verantwortlich war, zu Gute. Seinen Höhepunkt erreichte "Niklas" am 31.03., 06 UTC mit deinem Kerndruck von 973 hPa über der Nordsee. In Verbindung mit einem kräftigen Azorenhoch baute sich an seiner Südseite ein beachtlicher Druckgradient auf, der großflächig für hohe Windgeschwindigkeiten am Boden sorgte. Zwischen Basel und Sylt stellte sich am 31.03. zum 12 UTC-Termin ein Druckgradient von knapp 35 hPa ein.
Die Warmfront von "Niklas" erreichte Deutschland bereits in der Nacht zum 31.03. mit Niederschlägen. In der noch anfangs kalten Luftmasse fiel im Nordosten vorübergehend sogar bis in tiefe Lagen Schnee. Ein Zentimeter Schnee meldete um 8 Uhr MESZ zum Beispiel die Station Potsdam. Im Warmsektor lebte der Wind zum Morgen hin von Südwesten deutlich auf und erreichte bis 8 Uhr MESZ im südwestdeutschen Flachland in Böen bereits vielerorts Windstärke 10. Auf den Bergen, wie etwa auf dem Feldberg im Schwarzwald oder auf dem Weinbiet in der Pfalz wehte der Wind bereits in voller Orkanstärke. Die stärksten Böen traten jedoch vielerorts erst im Laufe des Vormittags oder am Nachmittag auf, als auf der Rückseite des Tiefs aus Nordwesten wieder zunehmend kältere Luft einströmte. Die hochreichend Kalte Luft führte in Verbindung mit der bereits kräftigen Sonneneinstrahlung in der Troposphäre zu einer Labilisierung und bildeten sich zahlreiche zum Teil kräftige Schauer und zum Teil Gewitter aus, bei denen die starken Höhenwinde bis zum Boden herunter gemischt werden konnten. Bundesweit kam es an zahlreichen Stationen zu orkanartigen Böen der Stärke 11. Orkanböen traten neben den Gebirgslagen schwerpunktmäßig im Nordwesten des Landes in Richtung Nordseeküste, aber auch im Süden Bayerns auf, wo die leitende Wirkung der Alpen zu einer zusätzlichen Verstärkung des Windes führte. Böen bis 119 km/h meldete beispielsweise die Station München/Stadt. Die stärksten Windböen wurden mit 191 km/h auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, gemessen.
Die heftigen Windböen sorgten in weiten Teilen Mitteleuropas für schwere Sturmschäden. Umgestürzte Bäume legten vielerorts den Bahnverkehr lahm. Einige Bahnstrecken mussten gesperrt werden, zahlreiche Züge fielen aus. Besonders betroffen waren Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Beispielsweise mussten in Hannover etwa 1000 Passagiere in den Zügen übernachten. Desweitern beschädigte der Sturm zahlreiche Fassaden, Autos und Dächer sowie mehrere Oberleitungen. Der Hauptbahnhof München wurde komplett evakuiert, als ein Glasdach durch die starken Windböen zerbrach. Auch der Flugverkehr wurde durch den Orkan beeinträchtigt. An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main wurden am 31.03. insgesamt 185 Flüge gestrichen. Auch in Hamburg fielen zahlreiche Flüge aus. Bisher ist starben durch den Sturm in Deutschland insgesamt neun Menschen. Von jeweils einem weiteren Toten wird aus Österreich und der Schweiz berichtet (Quellen: Focus, Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung).
Orkantief Niklas zählt in Deutschland insgesamt zu den stärksten Stürmen in der näheren Vergangenheit. Bemerkenswert ist vor allem das späte Auftreten des Sturms. Nur selten erreichten Winterstürme in der Vergangenheit im März noch solche Ausmaße. Als letzter Märzsturm blieb der Orkan "Emma" im Jahr 2008 in Erinnerung der jedoch am 01. März gleich zu Monatsbeginn auftrat. Verbreitet noch höhere Windgeschwindigkeiten traten in Deutschland mit Orkan "Kyrill" auf, der am 18.01.2007 über Deutschland hinwegfegte und damit als stärkster Sturm des vergangen Jahrzehntes in die Geschichte einging. Stärkere Windspitzen im Tiefland brachten ebenfalls im vergangenen Winterhalbjahr die Stürme "Christian" und "Xaver" hervor. Diese waren jedoch jeweils auf ein kleineres Gebiet begrenzt. Mit Orkantief "Christian" am 28.10.2013 traten besonders im Nordseeumfeld Böen von örtlich über 170 km/h auf. Nur wenige Wochen später führte Orkantief "Xaver" am 05.12.2013 im Norden erneut zu Böen über 150 km/h. Der Süden Deutschlands wurde damals von schweren Sturmböen weitgehend verschont.
Text: MB, 02. April 2015 |