Banner
Der Internet Explorer bietet nur eine eingeschränkte Funktionalität. The browser you're using is only limited functionable.

Dienstag, 21. Mai 2013, 23:30 MESZ


Tornados, heftige Gewitter

USA - Great Plains, Mittlerer Westen

18.-21.05.2013


EF5-Tornado bei Moore (Oklahoma), 20.05.2013
Quelle: Wikipedia

In den USA suchten Mitte Mai 2013 heftige Gewitter Gebiete der Great Plains und des Mittleren Westens heim. Heftige Regenfälle und Windböen, großer Hagel und Tornados verursachten vor allem in einem Streifen von Nordtexas und Kansas bis nach Illinois große Schäden. Besonders betroffen war der Bundesstaat Oklahoma, wo ein EF5-Tornado über Moore, einer Vorstadt von Oklahoma City hinwegzog. Mindestens 24 Menschen kamen in den Unwettern ums Leben, viele werden noch vermisst.



Wetterlage, Voraussetzungen und Dynamik

Alljährlich treten über den USA vor allem während des Frühjahrs unwetterartige Gewitter auf, die häufig von heftigen Regenfällen, Downbursts, großem Hagel und Tornados begleitet werden. Besonders Gebiete in den Great Plains und im Mittleren Westen sind bei Unwetterlagen prädestiniert dafür, von tornadischen und schadenbringenden Superzellen heimgesucht zu werden. Von Texas im Süden bis nach South Dakota im Norden erstreckt sich die so genannte Tornado Alley, eine Region, die für ihre hohe Anzahl der jährlich vorkommenden Tornados bekannt ist.

Für die Bildung von Superzellen, die Königinnen aller Gewittersysteme, die für die große Mehrheit der auftretenden Tornados verantwortlich sind, müssen bestimmte atmosphärische Bedingungen vorherrschen. Diese Voraussetzungen werden über den zentralen Teilen der USA und dort bevorzugt in den Great Plains und im Mittleren Westen vor allem im Frühjahr häufig erfüllt:

1) Die Troposphäre muss hochreichend labil oder bedingt labil geschichtet sein. Damit wird hochreichende Feuchtkonvektion überhaupt erst ermöglicht. In den mittleren Breiten, und somit auch in den USA, trifft dies auf der Vorderseite von Kurzwellentrögen zu, wenn sich großräumige Hebung, niedertroposphärische Warmluftadvektion und gleichzeitiges Einsickern von Höhenkaltluft destabilisierend auf die vertikale Temperaturschichtung der Troposphäre auswirkt. Der meridional verlaufende Gebirgszug der Rocky Mountains im Westen des Landes fungiert dabei als natürlicher Erschaffer von gehäuft auftretenden Leetrögen stromab, also östlich des Hochgebirges. Dieser Leetrog über den zentralen Landesteilen kann sogar in langjährig gemittelten Klimakarten der Höhenströmung und Geopotentialverteilung ausgemacht werden.

2) Feuchtwarme bis feuchtheiße Luftmassen in den untersten Luftschichten, der so genannten Grenzschicht, werden von trockenkalter Luft in der mittleren und oberen Troposphäre überlagert. Gerät eine solch geschichtete Luftsäule unter großräumige Hebung, tritt kräftige Labilisierung ein. Bei Freisetzung dieser potentiellen Instabilität können in nur kurzer Zeit scheinbar wie aus dem Nichts unwetterartige Gewitter entstehen. Man nennt solch eine Wetterlage in Fachkreisen auch symbolisch passend "loaded-gun Wetterlage". Die Great Plains und der Mittlere Westen sind bei entsprechenden Unwetterlagen favourisiert für eine potentiell labil geschichtete Luftmasse. Östlich des sich ausbildenden Leetiefs wird bodennah feuchtwarme Luft aus dem Golf von Mexiko idealerweise mit einem Low-Level-Jet (niedertroposphärisches Starkwindband) nordwärts geführt. Gleichzeitig sickert mit dem von Westen herannahenden Höhentrog in der oberen und mittleren Troposphäre trockene und kühle Luft aus den nördlichen Rocky Mountains ein, die nachfolgend über der feuchtwarmen Golfluft zu Liegen kommt. Zusätzlich wird in der mittleren Troposphäre die vertikal sehr mächtige Grenzschicht von den höher gelegenen Steppengebieten der Rockies und der Plains hinter der so genannten "dry line" tagsüber ostwärts Richtung Zentralstaaten advehiert. Das besondere ist, dass dort diese trockenwarme und gut durchmischte Luft vom Erdboden abgehoben ankommt und sich dann über den feuchtwarmen Luftmassen befindet. Treffend wird diese Schicht auch als EML (elevated mixed layer) bezeichnet. Eine EML erzeugt hohe potentielle Labilität und begünstigt die Entstehung sehr großen Hagels.

3) Unter der Trogvorderseite kommt es unter langsamen synoptischskaligen Hebungsprozessen meist in Gebieten bodennaher Konvergenzen zur Initialzündung für organisierte Konvektion, sobald die feuchtwarme Luft zum vertikalen Ausweichen und damit zum Aufsteigen gezwungen wird. Dies ist im Bereich von Bodentiefs oder Bodentrögen gegeben. In den Plains und im Mittleren Westen entstehen die kräftigsten Gewittersysteme oft entlang oder im Vorfeld der im Tagesverlauf ostwärts propagierenden dry line, die als Diskontinuitätslinie die feuchtwarme Tropikluft aus dem Golf von Mexiko von der kühlen und trockenen Kontinentalluft aus subpolaren oder gemäßigten Breiten trennt.

4) Für die Entwicklung von Superzellen essentiell ist eine hohe vertikale Geschwindigkeits- und Richtungsscherung des Windes, die die Trennung der Auf- und Abwinde im Gewittersystem gewährleistet und die Dynamik einer Superzelle ermöglicht und aufrechterhält. Die Geschwindigkeitsscherung, also eine mit der Höhe zunehmende Windgeschwindigkeit, wird in nahezu allen Fällen von herannahenden und durchschwenkenden Höhentrögen bereitgestellt, in deren Umfeld in der oberen Troposphäre der Polarfrontjet (Starkwindband in der Höhe) anzutreffen ist. Richtungsscherung tritt bei Warmluftadvektion in Warmluftregimen vorderseitig von Bodentiefs auf. Dort dreht der Wind mit der Höhe nach rechts, meist von bodennah östlichen Winden über Südost und Süd bis auf Südwest oder West in der mittleren und oberen Troposphäre. Je stärker sich das Bodentief entwickeln kann (z.B. Leetief stromab der Rocky Mountains), desto kräftiger fällt die Richtungsscherung aus. Die Windscherung erzeugt horizontale Wirbel, welche in Gewitteraufwinden zu Wirbel mit vertikaler Drehachse gekippt werden. Damit gerät der Aufwindbereich in Rotation, was der dynamischen Definition einer Superzelle entspricht. Superzelluläre Gewitter neigen dann zu Tornados, wenn starke bodennahe Richtungsscherung des Windes, starker bodennaher Auftrieb und zugleich niedrige Wolkenuntergrenzen vorherrschen.



Verlauf und Entwicklung

Ab dem 18.05. waren zunächst über den Great Plains alle notwendigen Bedingungen für die Entstehung kräftiger Gewitter inklusive Superzellen und Tornados gegeben. Von Nordtexas bis nach South Dakota traten in Verbindung mit den Gewittern vor allem starker Hagelschlag und heftige Windböen auf. In Kansas wurden kräftigere Tornados gesichtet. Am 19.05. wanderte der Schwerpunkt der Gewitter mit der Trogvorderseite samt einem beobachteten EF4-Tornado über Oklahoma langsam ostwärts. Der Höhepunkt der Schwergewitterlage wurde am 20.05. erreicht, als in einem Streifen von Nordtexas über Oklahoma bis nach Illinois die größte Instabilität mit genügend vertikaler Windscherung überlappte und somit in diesem Korridor organisierte Gewittersysteme und etliche Superzellen mit teilweise heftig ausfallenden Tornados entstanden. Dabei fielen Form und Ausprägung des Höhentroges und damit auch die Windscherung nur suboptimal aus, was ein noch größeres Einzugsgebiet und eine noch größere Verbreitung der Unwetter verhinderte.


Höhenwetterkarten zur Großwetterlage

500-hPa-Geopotential und Bodendruck, 850-hPa-Pseudopotentielle Temperatur | Quelle: wetter3.de
19.05.2013, 00 UTC 20.05.2013, 00 UTC 21.05.2013, 00 UTC


Satellitenbilder und Niederschlagsradar

GOES-13 Satellitenbilder und Niederschlagsradarbilder staatenweit | Quellen: GOES NASA NOAA, NCAR UCAR
18.05.2013, 23:45 UTC 19.05.2013, 23:45 UTC 20.05.2013, 23:45 UTC
18.05.2013, 23:57 UTC 19.05.2013, 23:57 UTC 21.05.2013, 00:00 UTC


Unwettermeldungen

Im SPC (Storm Prediction Center) eingegangene Unwettermeldungen (Tornado/Downburst/Hagel) | Quelle: SPC
18.05.2013 19.05.2013 20.05.2013



Kräftige Superzellen über Oklahoma am 20.05.2013, EF5-Tornado über Moore (OK)

Die heftigsten Gewitter der mehrtägigen Unwetterlage entluden sich am 20.05. von Nordtexas bis nach Illinois. Besonders stark betroffen war der Bundesstaat Oklahoma. In Yukon (OK) wurden 8 cm große Hagelkörner beobachtet. In Bigheart (OK) gab es sogar bis zu 11 cm großen Hagel. Wapanucka und Eureka Springs, beide Orte in Oklahoma gelegen, registrierten Orkanböen bis 129 km/h. Am markantesten in Erscheinung trat ein heftiges Tornadoereignis in Oklahoma. Dort verwüstete ein Tornado der höchsten Kategorie EF5 gegen 15:00 Uhr Ortszeit (22:00 MESZ) vor allem das dichtbesiedelte Stadtgebiet von Moore in unmittelbarer Nachbarschaft zur Hauptstadt Oklahoma City und hinterließ eine Schneise der Zerstörung und große Schäden. Der Tornado hatte etwa 50 Minuten lang Bodenkontakt und verlagerte sich mit einem maximalen Durchmesser von rund 2 Kilometern und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 40 km/h ostnordostwärts. In seiner Zugbahn lagen auch Schulen und Krankenhäuser. Eine Tornadowarnung für Moore erfolgte 16 Minuten vor Eintreffen des Wirbelsturms. Trotzdem kamen nach letzten Behördenangaben mindestens 24 Menschen in den Unwettern ums Leben. Damit liegt die Zahl der Todesopfer zur Stunde deutlich unter vorangegangenen Tornadokatastrophen in den USA. Der tödlichste Tornado, der so genannte "Tri-State"-Tornado, trat im März 1925 auf und forderte 695 Menschenleben. Der jüngst im Mai 2011 beobachtete Joplin-Tornado (siehe auch Artikel) nimmt mit 158 Opfern Platz 7 der tödlichsten Tornados der US-Geschichte ein.

Bereits im Mai 1999 zog in Oklahoma über dieselbe Region der "Bridge Creek-Moore"-Tornado hinweg, ebenfalls ein EF5-Tornado, der auf Basis des Jahres 2011 einen Gesamtschaden von 1.4 Milliarden US-Dollar verursachte. Dies ist bis heute der viertteuerste Tornado seit dem Jahr 1950. Ersten Schätzungen zufolge soll sich der Moore-Tornado vom 20.05.2013 mindestens in die Top-5 der teuersten USA-Tornados einreihen. Eine Übersicht der schadenreichsten Tornados in den USA seit dem Jahr 1950 gibt das SPC (Basis Jahr 2011):

1) Joplin, Missouri, 22. Mai 2011, 2.8 Mrd. US-Dollar
2) Topeka, Kansas, 8. Juni 1966, 1.7 Mrd. US-Dollar
3) Lubbock, Texas, 11. Mai 1978, 1.5 Mrd. US-Dollar
4) Bridge Creek-Moore, Oklahoma, 3. Mai 1999, 1.4 Mrd. US-Dollar
5) Xenia, Ohio, 3. April 1974, 1.1 Mrd. US-Dollar


Radiosonde Norman (OK)
20.05., 17 UTC © SPC
Die meteorologischen Bedingungen in und rund um Oklahoma waren am 20.05. hervorragend für die Entwicklung tornadischer Superzellen. Der Radiosondenaufstieg vom 20.05., 17 UTC über Norman (OK) gibt eine CAPE (verfügbare potentielle Konvektionsenergie) von über 3000 J/kg bei günstiger Windscherung aus. Eine Umgebung, in der bei Konvektionsauslösung Schwergewitter vorprogrammiert sind. Analysekarten zeigen um 20:00 UTC (Beobachtungszeit des Moore-Tornados) kräftige vertikale Geschwindigkeitsscherung des Windes. Von der Erdoberfläche bis in eine Höhe von 6 Kilometern nahm der Wind im Bereich der entstandenen Superzellen um rund 30 m/s zu. Etwa 20 m/s gilt als untere Grenze für die Entwicklung von Superzellen. Im Umfeld der Moore-Tornado-Superzelle wurde in den untersten 3 Kilometern der Troposphäre eine SRH von etwa 250 m²/s² analysiert. Dieser Wert der "Storm Relative Helicity" (sturmrelative Helizität/Wirbelhaftigkeit) gilt als förderlich für superzelluläre Gewitter. Die SRH gibt an, wie viel Wirbelhaftigkeit und Rotation eine Superzelle auf ihrer Zugbahn sammeln kann. Am deutlichsten sticht der bodennahe EHI, der "Energy Helicity Index" hervor, welcher den bodennahen Auftrieb mit der bodennahen Richtungsscherung kombiniert und anschließend den Wert normiert. Somit fungiert der EHI als Tornadoparameter und zeigt im Vorfeld der Oklahoma-Superzelle Werte von 3 bis 4. Spätestens ab einem Indexwert von 2 gelten signifikante Tornadoereignisse als wahrscheinlich.

Niederschlagsradarbilder der Superzelle südlich der Hauptstadt Oklahoma City geben zum Zeitpunkt des Moore-Tornados ein beeindruckendes Hakenecho (hook echo) wieder. Neben Tornados und großem Hagel trat punktuell auch heftiger Starkregen auf. Bei Durchzug der Gewitter fielen in Oklahoma City 72 mm/6 h bis zum 21.05., 00 UTC. Im Verlauf organisierten sich über dem Bundesstaat mehrere Superzellen zu einer Gewitterlinie. Auch weiter gen Nordosten löste es aus und mehrere linienartige Gewitterverbünde sorgten vor allem für einige markante Downburstereignisse. In Hannibal im Bundesstaat Missouri trat eine Spitzenböe von 142 km/h auf. Bis in den 21.05. hinein hielten die kräftigen Gewitter an und beschäftigten weiterhin den Mittleren Westen und die Mississippiregion.


Analysekarten zum Moore-Tornado zur Beobachtungszeit gegen 20:00 UTCSPC Mesoscale Analysis
)

EHI (Energy Helicity Index) 0-1 km Vertikale Windscherung 0-6 km SRH (Storm Relative Helicity) 0-3 km


Niederschlagsradarbilder und Niederschläge

Niederschlagsradar Oklahoma (oben), Zoom Region Oklahoma-City (unten links), 24-h-Niederschlagssumme (unten rechts)
Quellen: NOAA AHPS, wunderground.com, NCAR UCAR
20.05.2013, 19:00 UTC 20.05.2013, 20:00 UTC 20.05.2013, 21:00 UTC
20.05., 20:06 UTC, OK-Superzelle 24-Niederschlag [in] im Bereich der Superzellen bis 21.05., 12 UTC


Satellitenbilder der Superzellen über OklahomaNCAR UCAR, NASA Earth Observatory
)

20.05., 20:45 UTC: VIS-Kanal 20.05., 20:45 UTC: IR/Temperatur Wolkenobergrenze
20.05., VIS-Kanal, eingezeichnet der vom Tornado besonders schwer getroffene Ort Moore


Video aus Moore (OK)



Text: DK
21. Mai 2013


Visit us at
Facebook:

Information on warning levels and icons used
Information on meteoalarm.eu