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Sonntag, 13. Juni 2010, 19:30 MESZ


Gewitter/Hitze

Mittel-, Osteuropa
08.-11.06.2010


Satellitenbild: 09.06.2010, 21:00 UTC, MSG-2 IR
Quelle: B. J. Burton

Frühsommerliche Hitze paarte sich in Teilen Mittel- und Osteuropas zum Ende des ersten Junidrittels 2010 mit heftigen Gewittern. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben, mehrere wurden verletzt. Im Südwesten Deutschlands entstanden durch Überschwemmungen und Hagelschlag Schäden in Millionenhöhe. Nahe der Alpen wurden örtlich neue Hitzerekorde für die erste Dekade aufgestellt.


Wetterlage und Entwicklung

Nachdem bereits die erste kurze Hitzewelle des mitteleuropäischen Sommers 2010 Anfang Juni mit zum Teil kräftigen Gewittern zu Ende gegangen war (siehe Artikel), stellte sich nur drei Tage später erneut eine unwetterträchtige Großwetterlage ein. Dabei positionierte sich zunächst ein hochreichendes Tiefdruckgebiet ("Doris") mit seinem Zentrum bei den Britischen Inseln. Auf seiner Vorderseite wurde ab dem 8. warme und recht feuchte Luft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa geführt. Bei Höchsttemperaturen nahe +30 °C entwickelten sich in den Nachmittags- und Abendstunden im Süden Deutschlands einige kräftige Gewitter mit Starkregen und Hagel (z. B. Mönchsroth in Mittelfranken/Bayern), die insgesamt aber noch kaum unwetterartig ausfielen.
Am 9. zog ein sich aus einer Frontalwelle über dem östlichen Nordatlantik formierendes Tief zur spanischen Biskayaküste, während sich das britische Tief abschwächte und schließlich auflöste. Trotzdem wurde das neue Tief auf den Analysekarten weiterhin als "Doris" geführt; es übernahm von nun an die Funktion des steuernden Zentrums. Zugleich weitete sich über Westeuropa ein umfangreicher Langwellentrog nach Süden aus, dessen Südteil zwei um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisende Höhentiefkerne im Bereich der Iberischen Halbinsel beinhaltete. An der Ostflanke des bis in den Norden Afrikas ausgreifenden Troges intensivierte sich die zunehmend auf Süd drehende Höhenströmung und damit die Advektion warmer bis heißer und reichlich feuchter Subtropikluft nach Mitteleuropa.

Bodendruckanalysen vom 09. bis 12.06.2010 | Quelle: FU Berlin / DWD
09.06.2010, 00 UTC 10.06.2010, 00 UTC 11.06.2010, 00 UTC 12.06.2010, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 09. bis 12.06.2010 | Quelle: Wetterzentrale
09.06.2010, 00 UTC 10.06.2010, 00 UTC 11.06.2010, 00 UTC 12.06.2010, 00 UTC

Radaranimation, 09.06.2010,
17:00 bis 22:10 MESZ
in 10-min-Schritten / ca. 5 MB

Quelle der Bilder: IMK, KIT
Zugbahnen, Niederschlag
bis 09.06.2010, 23:00 MESZ
in Südwestdeutschland

Quelle: IMK, KIT
Ein in der Höhenströmung über Ostfrankreich, Benelux und den äußersten Westen Deutschlands schwenkender Randtrog fachte im Laufe des Abends die Gewittertätigkeit vor allem in der Südwesthälfte der Bundesrepublik an. Zunächst entstanden über den Vogesen, dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb am Spätnachmittag erste, wohl noch zum größten Teil der tagesgangbedingten Aufheizung der unteren Luftschichten zuzuschreibende Zellen, die einen nordnordöstlichen Kurs einschlugen. Die kräftigste Zelle über den Vogesen verschmolz dabei zwischen Karlsruhe und Mannheim mit dem aus dem schwäbischen Raum nordwestwärts driftenden Gewitter (siehe Radaranimation). In Mannheim selbst fielen innerhalb einer Stunde 23 mm Regen. Zur selben Zeit organisierte sich über dem Elsass ein mesoskaliges konvektives System, kurz MCS. Es brachte in Straßburg 22 mm binnen 60 Minuten und erreichte etwa zwei Stunden später die Kurpfalz. In Mannheim fielen noch einmal rund 20 mm, die Gesamtniederschlagsmenge belief sich auf 45 mm. Dazu kam Hagel mit Korngrößen bis 4 cm im Durchmesser in der Süd- und Vorderpfalz. In der Nacht verlagerte sich das System über Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nordostwärts; Gießen meldete zwischen 0 und 1 Uhr MESZ eine Stundensumme von 30 mm.
Besonders schwere Schäden - in Millionenhöhe - richteten die beiden Gewitter in der Kurpfalz an. Zahlreiche Keller liefen voll Wasser, Sturmböen bis 76 km/h ließen Bäume umstürzen. In Mannheim brach ein 16 Tonnen schwerer Bagger in eine unterspülte Straße ein. Eine Tiefgarage im Stadtteil Käfertal lief voll Wasser, an den Fahrzeugen entstand Schaden in Höhe von 150.000 Euro. Bei Polizei und Feuerwehr gingen mehrere hundert Notrufe ein. In Rheinland-Pfalz beklagte der Bauern- und Winzerverband Schäden zwischen 20 und 30 Millionen Euro. Etwa ein Zehntel der Anbaufläche für Weinreiben wurde durch Hagel zerstört. Blitzeinschläge führten zu mehreren Dachstuhlbränden.
Bereits am Nachmittag hatten zwei in Verbindung mit Gewittern auftretende Tornados in Ostwestfalen und im Münsterland große Schäden hinterlassen.

Niederschlagsradarbilder vom 09./10.06.2010 | Quelle: DWD
09.06.2010, 18:00 MESZ 09.06.2010, 22:00 MESZ 10.06.2010, 02:00 MESZ 10.06.2010, 06:00 MESZ
Blitzkarten vom 09./10.06.2010 | Quelle: BLIDS
09.06.2010, 16:00-18:00 MESZ 09.06.2010, 20:00-22:00 MESZ 10.06.2010, 00:00-02:00 MESZ 10.06.2010, 04:00-06:00 MESZ

Tiefsttemperaturen Schweiz,
Nacht zum 10.06.2010

Quelle: MeteoSchweiz
Derweil stellte sich mit der Südströmung in den Alpen Föhn ein. In Altenrhein am Bodensee (Schweizer Kanton St. Gallen) betrug die Tiefsttemperatur in der Nacht zum 10. +25,5 °C; in Altdorf (Kanton Uri), Glarus (Kanton Glarus) und Vaduz (Liechtenstein) wurde es nicht kälter als +24 °C. Für Glarus bedeutete ein Tiefstwert von +24,3 °C die wärmste Nacht seit Messbeginn im Jahre 1960. Tagsüber wurden in Kempten (+33,3 °C) und auf dem Hohenpeißenberg (+30,5 °C) neue Rekorde für die erste Junidekade aufgestellt, in Bad Goisern (Oberösterreich) zeigte das Quecksilber +35,4 °C.
Tief "Doris" sowie der korrespondierende Höhentiefkomplex verweilten quasistationär über der Biskaya/Südwestfrankreich; ausgehend davon schwenkte im Laufe des 10. erneut ein markanter Kurzwellentrog auf fast identischer Bahn wie sein Vorgänger am Tag zuvor nordostwärts. Über Südwestdeutschland bildete sich ein flaches Bodentief aus, das ein konfluentes Strömungsmuster in der unteren Troposphäre erzeugte und damit einen zusätzlichen Antrieb für Hebung bereitstellte. Einzig der Feuchtegehalt vor allem der unteren Schichten war nicht ganz so hoch wie am Vortag, ein Grund hiefür könnte Austrocknung durch den zu dieser Zeit noch immer andauernden Föhn sein. Nichtsdestotrotz zogen am Abend von Ostfrankreich her erneut kräftige Gewitter auf, die sich in der Nacht zum 11. nach Nordosten ausbreiteten. Diese gingen besonders im Osten von Rheinland-Pfalz und in Hessen, am Vormittag des 11. auch in Mecklenburg-Vorpommern, mit zum Teil schweren Sturmböen einher. Auf dem Weinbiet (557 Meter über NN) im Pfälzer Wald wurden gar 133 km/h und damit voller Orkan registriert. Selbst in der Region um Karlsruhe - rund 50 Kilometer östlich der Zugbahn des Gewitters gelegen - traten gegen Mitternacht plötzlich stürmische Böen auf. Die Regenmengen fielen insgesamt nicht mehr ganz so hoch aus wie in der Nacht zuvor, am Morgen verzeichnete Waren an der Müritz dann aber doch 34 mm innerhalb von zwei Stunden.
Auch wenn die Gewitter nicht mehr ganz an die Intensitäten der vorangegangenen Nacht heranreichten, mussten Feuerwehren allein in Rheinland-Pfalz erneut mehr als 100 Keller leer pumpen. Die Autobahn 6 war bei Wattenheim kurzzeitig wegen Überflutung gesperrt. Örtlich blockierten umgestürzte Bäume und Äste die Straßen.

Niederschlagsradarbilder vom 10./11.06.2010 | Quelle: DWD
10.06.2010, 18:00 MESZ 10.06.2010, 22:00 MESZ 11.06.2010, 02:00 MESZ 11.06.2010, 06:00 MESZ
Blitzkarten vom 10./11.06.2010 | Quelle: BLIDS
10.06.2010, 16:00-18:00 MESZ 10.06.2010, 20:00-22:00 MESZ 11.06.2010, 00:00-02:00 MESZ 11.06.2010, 04:00-06:00 MESZ

Mit der teilweise gewittrigen Kaltfrontpassage von "Doris", respektive des entlang der Nordseeküste nach Südskandinavien ziehenden Teils "Doris II", wurde die feuchte und außerordentlich warme Subtropikluft am 11. nach Südosten abgedrängt. Im Umfeld der Kaltfront entwickelten sich am 12. im Norden Österreichs, in Tschechien, der Slowakei und Südpolen noch einmal kräftige Gewitter, die teilweise bis ins bayerische Alpenvorland ausgriffen. Bei starkem Regen, Hagel mit Korngrößen bis 8 cm im Durchmesser und heftigen Windböen wurden mindestens zwei Menschen getötet und mehrere verletzt. Südlich der Front blieb es heiß - Feistritz ob Bleiburg (Kärnten) an der Grenze zu Slowenien meldete ein Maximum von +35,6 °C, Graz kam auf +34,7 °C. Ähnliche Höchstwerte wurden auch in großen Teilen Osteuropas gemessen (z. B. Kiew +34,0 °C).



Wetterwerte

Nachstehend in den beiden Tabellen links eine Auswahl der höchsten 12-stündigen Niederschlagssummen in Deutschland bis zum 10. bzw. 11.06.2010, jeweils 6 UTC. Rechts eine Auswahl gemessener Spitzenböen in Deutschland am 10./11.06.2010. Quelle: DWD

Ort 09./10.
Mannheim (BW)
Gießen (HE)
Warburg (NRW)
Kl. Feldberg/Taunus (HE)
Weinbiet/Pf. Wald (RP)
Rheinstetten (BW)
45 mm
43 mm
40 mm
34 mm
33 mm
14 mm
Ort 10./11.
Saarbrücken/Flgh. (SL)
Geisenheim (HE)
Kl. Feldberg/Taunus (HE)
Frankfurt/Main Flgh. (HE)
Kassel (HE)
Rheinstetten (BW)
23 mm
20 mm
17 mm
16 mm
16 mm
4 mm
Ort 10./11.
Weinbiet/Pf. Wald (RP)
Frankfurt/Main Flgh. (HE)
Fritzlar (HE)
Offenbach (HE)
Gießen (HE)
Rheinstetten (BW)
133 km/h
100 km/h
96 km/h
91 km/h
87 km/h
65 km/h


Satellitenbilder

09.06., 20:15 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
10.06., 02:23 UTC, NOAA-18 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
10.06., 19:51 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
11.06., 02:12 UTC, NOAA-18 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Text: CE



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