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Montag, 20. Juli 2009, 18:30 MESZ


Gewitter, Starkniederschlag

Nordwest- bis Osteuropa, Alpen
16.-19.07.2009


Satellitenbild: 17.07.2009, 12:45 UTC, NOAA-19 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton

Eine markante Kaltfrontpassage stand in West-, Mittel- und Teilen Osteuropas Mitte Juli 2009 auf der Karte. Dabei spielten weniger kräftige Gewitter als vielmehr starke Regenfälle die dominante Rolle; besonders in Österreich kam es zu Überflutungen. In Teilen der Alpen schneite es örtlich bis etwa 1500 Meter herab kräftig.


Wetterlage und Entwicklung

Vor einem langwelligen, in seinem Südteil spitz zulaufenden Höhentrog über dem Ostatlantik entwickelte sich am 16. und 17.07.2009 innerhalb eines Tages aus einer flachen Welle ein für die Jahreszeit ungewöhnlich kräftiges Tiefdruckgebiet ("Volkrat"). Es verlagerte sich bis zum 18. von der Biskaya über Südengland zur westlichen Nordsee und später nach Schottland, wobei der Luftdruck in seinem Zentrum um rund 15 hPa binnen 24 Stunden fiel. Auf der Vorderseite des Tiefs wurde kurzzeitig sehr warme Luft nordwärts geführt, über Südwestdeutschland konnten im 850-hPa-Niveau (etwa 1500 Meter Höhe) am Morgen des 17. über +20 °C analysiert werden. Im Süden und in der Mitte des Landes stiegen die Temperaturen am 16. verbreitet auf Werte um +30 °C.

Bodendruckanalysen vom 16. bis 19.07.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
16.07.2009, 00 UTC 17.07.2009, 00 UTC 18.07.2009, 00 UTC 19.07.2009, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 16. bis 19.07.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
16.07.2009, 00 UTC 17.07.2009, 00 UTC 18.07.2009, 00 UTC 19.07.2009, 00 UTC

An einer der Kaltfront von "Volkrat" vorgelagerten Konvergenzlinie entwickelten sich erste kräftige Gewitter am Abend des 16. über der Mitte Frankreichs. In den Frühstunden des 17. erreichten diese den Südwesten und Westen Deutschlands. Die Kaltfront folgte rasch nach, sodass in die westlichen Gebiete des Landes bereits in den Frühstunden kühlere Meeresluft einströmte und sich die Gewitteraktivität dort tagsüber in Grenzen hielt. Diese entstanden dafür - linienhaft organisiert - am Vormittag im Bereich eines aus dem Haupttrog herauslaufenden kurzwelligen Randtroges im Nordwesten und am Nachmittag im Umfeld der Konvergenzlinie im Osten der Bundesrepublik. Am Flughafen Leipzig/Schkeuditz wurden zwischen 13 und 14 Uhr MESZ eine orkanartige Böe (115 km/h), in Kyritz im Nordwesten Brandenburgs zwischen 15 und 16 Uhr MESZ 41 mm Regen gemessen. Gleichwohl fielen die Gewitter insgesamt weniger stark aus als im Vorfeld erwartet und konzentrierten sich am 18. auf den osteuropäischen Raum. In Trentčin im Westen der Slowakei starb während eines Musikfestivals ein Mann, als Sturmböen ein Festzelt umrissen. Mindestens 50 weitere Personen wurden verletzt, das Festival daraufhin abgebrochen. In Baranovici (Weißrussland) fielen innerhalb weniger Stunden 40 mm Regen.

Statt der Gewitter rückte in Mitteleuropa am Nachmittag und Abend des 17. das Wetterelement "Starkregen" in den Mittelpunkt. Aus dem Langwellentrog über Westeuropa spaltete sich ein ausgeprägter Randtrog ab, der bis zum 19. über die Alpen und Bayern nordostwärts schwenkte. Auf seiner Vorderseite wirkten kräftige dynamische Hebungsantriebe, die großflächige und von Gewittern durchsetzte Regengebiete erzeugten. Zudem bildete sich über Oberitalien auch am Boden ein Tief, sodass die Kaltfront über dem Alpenraum nur langsam ostwärts vorankam. Im Ostteil der Schweiz fielen innerhalb von 24 Stunden bis zum 18., 06 UTC teilweise deutlich mehr als 100 mm Regen (siehe Tabelle unten). In Lugano brachte ein kräftiges Gewitter bereits in der Nacht zum 17. 81 mm innerhalb weniger Stunden, vom 17. auf den 18. regnete es dann nochmals 106 mm. Die Gesamtmenge innerhalb von 48 Stunden betrug somit 187 mm - normal sind im gesamten Monat Juli 133 mm. Aber auch in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt fiel kräftiger Regen (z. B. Konstanz 67 mm innerhalb von 24 Stunden bis zum 18., 06 UTC / Jachenau-Tannern 75 mm innerhalb von 24 Stunden bis zum 19., 06 UTC). Eine eingelagerte Gewitterlinie brachte am Abend des 17. im Süden Bayerns zudem verbreitet Sturmböen hervor (z. B. Neuburg/Donau 80 km/h). Durch die heftigen Regenfälle traten Flüsse über die Ufer und Straßen wurden überschwemmt. Auf dem Neckar zwischen Stuttgart und Heidelberg sowie auf dem Rhein zwischen Basel und Kembs musste wegen Hochwasser die Schifffahrt eingestellt werden.
In Österreich kamen durch Gewitter und nachfolgendem Starkregen von Innsbruck bis Wien verbreitet Mengen zwischen 30 und 40 mm binnen eines halben Tages zusammen; in Graz (Steiermark), das später wegen Überschwemmungen zum Katastrophengebiet erklärt wurde, an der Universität 57 mm und in der Stadt 50 mm bis zum 18., 18 UTC. Für das Hochwasser dort zeichneten allerdings nicht nur die Regenfälle dieses Ereignisses, sondern auch die nasse Vorgeschichte verantwortlich (siehe Artikel).

Kurzer Webcam-Film von der verschneiten
Fisser Möseralm (Tirol) auf ca. 1800 m Höhe
am Morgen des 18.07.2009 (Größe ca. 4 MB).
Quelle: serfaus-fiss-ladis.at
Derweil drückte intensive Verdunstungsabkühlung die Schneefallgrenze in den Nord- und Zentralalpen örtlich bis rund 1500 Meter herab. Manche höher gelegene Ortschaften präsentierten sich am 18. mitten im Juli in winterlichem Weiß. Schneefall stellt in diesen Höhen selbst im Hochsommer in der Regel nichts Außergewöhnliches dar, entscheidend waren in diesem Fall aber die Mengen. Im 1775 Meter hoch gelegenen Arosa im Schweizer Kanton Graubünden fielen 10 cm - seit 1931 wurde dort im Juli an bislang nur acht Tagen größere Neuschneemengen gemessen. Auf der Zugspitze betrug der Neuschneezuwachs vom 18. auf den 19. 45 cm - soviel wie in einem Juli zuletzt 1981.

Nahe des Tiefkerns im Bereich der rückwärtig umgebogenen Okklusion von "Volkrat" fiel am 17. und 18. auch im Westen Englands ergiebiger Regen. In Boulmer (Northumberland) an der Nordseeküste summierten sich bis zum 18., 06 UTC 68 mm, in Leeming (North Yorkshire) 51 mm. Abseits von Gewittern, Regen und Schnee konnte am Morgen des 17. gegen 7 Uhr MESZ im Raum München ein ganz besonderes Phänomen beobachtet werden, eine sogenannte "Morning Glory". Dabei handelt es sich um eine mehrere Kilometer lange, walzenähnliche Wolke, die in der meteorologischen Grenzschicht entsteht und durch atmosphärische Wellen initiiert wird. Sie kann häufig zum Beispiel im Golf von Carpentaria in Nordaustralien beobachtet werden. Im Fall von München formierte sich die Wolke vor der von Westen nahenden Konvergenzlinie und bildete sich durch einen markanten Windsprung von Südost auf Nordwest und einen Luftdruckanstieg in den Aufzeichnungen des Meteorologischen Institutes der LMU ab.



Wetterwerte

Nachstehend die jeweils fünf größten 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bis zum 17. und 18.07.2009, 06 UTC sowie die fünf größten 24-stündigen Niederschlagsmengen in der Schweiz bis zum 18.07.2009, 06 UTC. Quellen: DWD und MeteoSchweiz

Ort 17./18.
Sigmarszell-Zeisertsweiler (BY)
Konstanz (BW)
Kyritz (BB)
Drewitz bei Burg (SA)
Oberreute (BY)
Rheinstetten (BW)
68 mm
67 mm
64 mm
61 mm
60 mm
11 mm
Ort 18./19.
Jachenau-Tannern (BY)
Obere Firstalm (BY)
Saldenburg-Entschenreuth (BY)
Aschau-Stein (BY)
Großer Arber (BY)
Rheinstetten (BW)
75 mm
71 mm
58 mm
57 mm
56 mm
3 mm
Ort 17./18.
Grono (GR)
Acquarossa (TI)
Hinterrhein (GR)
San Bernardino (GR)
Locarno-Monti (TI)
139 mm
117 mm
112 mm
108 mm
106 mm


Niederschlag

Interpolierte 24-stg. Niederschlagsmenge in Baden-Württemberg (links) und in
Bayern (rechts), jeweils bis zum 18.07.2009, 13 Uhr MESZ.
Quellen: HVZ BW und HND BY
Interpolierte 24-stg. Niederschlagsmenge bis zum
18.07.2009, 13 Uhr MESZ im Iller-Lech-Gebiet
(links) und im Inn-Gebiet (rechts). Quelle: HND BY

Stündliche Niederschlagsmengen in Konstanz (BW) vom
15. bis 18.07.2009 und an der Station Brunftbergtiefe (BY)
vom 17. bis 19.07.2009.
Quellen: HVZ BW und HND BY
Niederschlagssummenlinien an den Stationen Dornbirn
(15.-17.07.2009) und Nenzinger Himmel (16.-18.07.2009,
12 Uhr MESZ) in Vorarlberg, Österreich. An letzterer fielen
bis zum 19., 12 Uhr MESZ nochmals ca. 20 mm.
Quellen: HND BY und Land Vorarlberg


Radarbilder | Quelle: DWD
17.07.2009, 06 Uhr MESZ 17.07.2009, 12 Uhr MESZ 17.07.2009, 18 Uhr MESZ 17.07.2009, 21 Uhr MESZ
Blitzkarten | Quelle: BLIDS
17.07.2009, 04 bis 06 Uhr MESZ 17.07.2009, 10 bis 12 Uhr MESZ 17.07.2009, 16 bis 18 Uhr MESZ 17.07.2009, 19 bis 21 Uhr MESZ


Satellitenbilder

17.07., 13:07 UTC, N-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
17.07., 16:26 UTC, N-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
18.07., 16:02 UTC, N-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
19.07., 10:06 UTC, N-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Text: CE


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