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Donnerstag, 14. Mai 2015, 23:00 MESZ
aktualisiert: 17. Mai 2015, 14:00 MESZ


Gewitter, Tornados

Mitteleuropa

12.05.-13.05.2015


Tornadoschäden bei Fützen (BW),
am Abend des 13.05.2015
© Marco Kaschuba



Im Zuge des zweiten Vorstoßes sommerlicher Warmluft im Mai 2015 stellte sich die zweite heftige und schadensträchtige Gewitterlage innerhalb von nur acht Tagen ein. Nach dem ersten heißen Tag 2015 am 12. Mai bildeten sich gegen Abend an einer Konvergenzlinie vor der Kaltfront von Tief "Benedikt" heftige Gewitter. Am 13. Mai stellte sich durch eine Randtiefentwicklung im Süden Deutschlands eine noch brisantere Wetterlage ein, die mit Hagelunwettern und erneut mit Tornados einherging.



Wetterlage und Entwicklung

Wie vor einer Woche war eine westliche Höhenströmung mit eingelagerten kurzwelligen Trögen und Keilen der Ausgangspunkt für die Wetterlage um den 12. Mai. Nach dem Durchgang und Nordostwärtsverlagerung des atlantischen Troges mit den korrespondierenden Tiefs "Yvo" und "Zoran" (Analyse zur Unwetterlage hier) gestaltete sich das Wetter mit Zwischenhoch "Suse" und Tief "Andreas" vergleichsweise ruhig. Am 9. Mai vergrößerte ein neuer Trog über dem Atlantik seine Amplitude und Tief "Benedikt" übernahm im Bodendruckfeld die Rolle des steuernden Zentraltiefs. Vorderseitig des Troges wölbte sich ein kräftiger Höhenrücken auf, dessen Stromlinien im Geopotentialfeld durch einen weiteren Trog über Osteuropa vorübergehend einen "Omega"-Verlauf nachbildeten (Zeichen für eine stabile Wetterlage). Diese Strömungskonstellation war auch die Ursache für extreme Hitze in Marokko und Spanien.

In Deutschland herrschte bodennah mit Hoch "Tina" eine zunehmend warme Südwestströmung, Wolken lösten sich am 9. Mai abends von Südwesten her auf und verbreitet verliefen die Folgetage bis zu den Mittagsstunden des 12. Mai störungsfrei. Die 10°C-Isotherme (850 hPa) erreichte Deutschland in den Abendstunden des 10. Mai und überdeckte das Land am 12., im Süden wurden bis zu 16°C analysiert. Auf Stationshöhe erreichten die Temperaturen 31 Grad in der Spitze.

500-hPa-Geopot. mit RETOP | Quelle: Wetter3
10.05.2015, 18 UTC 11.05.2015, 18 UTC 12.05.2015, 18 UTC 13.05.2015, 18 UTC 14.05.2015, 18 UTC


Zugbahn von Tief "Benedikt" und Randtiefentwicklung

Tief "Benedikt" griff nun ab 12.05., 12 UTC mit der Nordostverlagerung des zugehörigen Atlantiktrogs in das deutsche Wettergeschehen ein. Im Übergangsbereich der durch die Kaltfront von "Benedikt" voneinander getrennten unterschiedlichen Luftmassen (trockenkühler im Nordwesten, schwülwarm im Südosten) entstanden an einer vorderseitig gelegenen Bodenkonvergenz diagonal über Deutschland heftige Gewitter. Die Kaltfront kam jedoch immer langsamer weiter nach Südosten voran, da zum einen die frontsenkrechte Windkomponente abnahm und zum anderen Wellenbildung an dieser einsetzte. Das am 13.05. aus dieser Welle entstandene Randtief überquerte Süddeutschland von Frankreich her. Dabei wurde zunächst feuchtwarme Luft wieder in diese Gebiete gelenkt und mit der rückseitig wieder vordringenden Kaltluft entstanden, verstärkt durch Konvergenzeffekte und hohe vertikale Windscherung, unwetterartige Gewitter.

850-hPa-Temp. mit -Geopot. und 850 hPa pseudopot. Temp. mit Bodendruck | Quelle: Wetter3
12.05.2015, 00 UTC 12.05.2015, 12 UTC 13.05.2015, 00 UTC 13.05.2015, 12 UTC 14.05.2015, 00 UTC
12.05.2015, 12 UTC 12.05.2015, 18 UTC 13.05.2015, 12 UTC 13.05.2015, 18 UTC 14.05.2015, 00 UTC



Superzelle bei Meiningen
12.05.
© Marco Kaschuba
Heftige Gewitter in Mittel- und Ostdeutschland

Am 12. Mai waren besonders von Hessen bis nach Mecklenburg-Vorpommern Starkregen-, Hagel- und Sturmereignisse im Zuge der an der Konvergenz linienhaft, nicht durchgängig aufgereihten Gewitterzellen zu beobachten. Bodennah zusammenströmende Luftmassen aus westlichen und südlichen Richtungen bringen energiereiche Luftmassen (Theta-E um 50°C) zum Aufsteigen, in der Höhe unterstützt durch Hebung resultierend aus positiver Vorticityadvektion und Erhöhung des Temperaturgradienten durch negative Schichtdickenadvektion. Beispielsweise zeigte der Radiosondenaufstieg von Meiningen (12 UTC) zudem eine starke Windzunahme mit der Höhe bis 300 hPa, bei gleichzeitiger Winddrehung von Süd auf West in den untersten drei Kilometern der Troposphäre. Bei dieser zusätzlich hohen vertikaler Windscherung, trotz vergleichsweise niedrigen CAPE-Werten (um 600 J/kg im Vergleich zu über 1500 J/kg im Südwesten) entstehen besonders kräftige Gewitterzellen.

Gegen 14:30 Uhr ließ ein Unwetter bei Krakow am See (MV) entlang der A19 auf mehreren hundert Metern Länge Bäume umstürzen. Diese blockierten auch die Fahrbahnen der A19, die in beide Richtungen gesperrt werden musste. Untersuchungen deuten auf ein linienhaftes Fallwindereignis (Downburst) hin.
In Gießen traten 3 cm große Hagelkörner auf, bei Weilmünster im Lahntal soll ein Tornado gesichtet worden sein. Zwischen 16:30 und 17 Uhr deckten (sehr wahrscheinlich) F1-Tornados bei Nohra und Kirchgandern (Thüringen) Dächer wie beispielsweise das eines Supermarktes ab.

Satellitenbilder Europa und Radarbilder Deutschland, 12.05.2015 | Quellen: EUMETSAT, DWD
12.05.2015, 13 UTC 12.05.2015, 17 UTC 13.05.2015, 06 UTC 13.05.2015, 16 UTC
14:25 UTC 15:10 UTC 16:05 UTC 17:40 UTC


Radiosonde, München
13.05., Quelle:
weather.uwyo.edu
Am 13. Mai stellte sich in Süddeutschland eine brisante Gewitterlage ein. Hohe horizontale und vertikale Temperatur- und Feuchtegradienten bedeuteten hohe potentielle Instabilität, die durch Hebung ausgelöst werden kann. Höhendivergenz und PVA vorderseitig eines Kurzwellentroges ließen bodennah ein Randtief entstehen, das beim Durchzug Hebung durch Konvergenzeffekte weiter verstärkte.
Der Radiosondenaufstieg von München zeigt eine noch stärkere Richtungsscherung des Windes in tieferen Luftschichten (0-3 km) als am Vortag mit einer Drehung von Nordost auf Südwest. Damit waren die Bedingungen lokal für Hagel und Tornados gegeben.

Großhagel in Freiburg

Im Vorfeld dieses Unwetters fielen eine Stunde zuvor auch in der Lorraine (Frankreich) bei Hymont 6 cm große Hagelsteine vom Himmel, ebenso in Pinkafeld (Österreich) in der dort noch nicht verdrängten schwülwarmen Luft. Dächer und Autos wurden stark beschädigt.
Gegen 21 Uhr waren in Freiburg im Breisgau Hagelgrößen um 5 cm zu finden. Wasser stand teilweise einen Meter hoch in den Straßen. Bei Kenzingen zwischen Lahr und Freiburg besteht der Verdacht auf einen Tornado, der auf zwei Hektar bis zu 150-jährige Buchen fällte, die selbst dem schweren Orkan "Lothar" (1999) standhielten.

Tornados in Bayern und Baden-Württemberg

Zum zweiten Mal innerhalb von nur acht Tagen bildeten sich in Deutschland starke Tornados. Am Abend des 13. Mai waren Orte in Baden-Württemberg und Bayern betroffen.
Zwischen 21:30 und 22:00 Uhr wütete ein Tornado einer Stärke von F2 auf der Fujita-Skala (181-253 km/h) zwischen Bonndorf (Landkreis Waldshut) und Tengen (Landkreis Konstanz) auf einer Länge von etwa 30 Kilometern sowie einer Breite von 100-400 Metern. Weitere Verdachtsfälle westlich davon könnten derselben Freiburger Superzelle zugeordnet werden. Bäume und Strommasten wurden wie Streichhölzer abgeknickt, Teile von Dächern wie Photovoltaik-Anlagen weggerissen. Bis drei Uhr morgens waren die Fahrzeuge der Feuerwehr Bonndorf im Einsatz. Mit der in Europa ebenfalls verwendeten TORRO-Skala wird dieser Tornado als T5 (221-260 km/h) eingestuft (Quelle: ESWD).

Weiter nördlich entstand ein mesoskaliger Gewitterkomplex, der seinen Ausgangspunkt am Südrand des Pfälzer Wald noch vor 20 Uhr nahm und wenige Stunden später die Grenze zu Österreich passierte.
Auf dem Weg nach Osten über den Kraichgau und den Stuttgarter Raum schlossen sich Gewitterzellen zusammen und nahmen immer mehr superzelluläre Strukturen an.
Gegen 22:15 Uhr bildete sich bei Stettenhofen (BY) nördlich von Augsburg ein Tornado der Stärke F3, der bis nach Affing und Aichach weiterzog (etwa 14 km). Der Wirbelsturm wurde teilweise von golfballgroßen Hagelkörnern begleitet. Bei Windgeschwindigkeiten von deutlich über 200 km/h (T6: 261-299 km/h) wurden Teile der Orte auf einer Breite von 150 Metern verwüstet. Ganze Dächer wurden abgedeckt, sogar Teile aus Mauern gerissen, durch die Luft gewirbelt und Verkehrszeichen umgebogen. 100 Menschen mussten aus einem Wohnkomplex evakuiert werden, dutzende Häuser sind stark beschädigt, weitere unbewohnbar oder einsturzgefährdet. Nach Bützow (MV) eine Woche zuvor sind hier Schadenssummen von mindestens 40 Millionen Euro zu erwarten.

Satellitenbilder Europa und Radarbilder Deutschland, 13.05.2015 | Quellen: EUMETSAT, DWD
18 UTC 19 UTC 20 UTC 21 UTC 22 UTC
17:55 UTC 18:55 UTC 19:25 UTC 20:25 UTC 21:25 UTC


Tornados entstehen in Zusammenhang mit Superzellen: Gewitterzellen, die durch starke vertikale Windscherung in sich zu rotieren beginnen. Durch die unterschiedliche Verlagerungsgeschwindigkeit und -richtung der Luftmassen werden diese in horizontale Rotation versetzt (Scherungsvorticity), die durch die aufsteigende Warmluft im Aufwindbereich der Gewitterzelle in die Vertikale gekippt wird. Feuchtwarme Luftmassen fließen aus der Umgebung nach, aus dem Pirouetteneffekt folgt eine Erhöhung der Drehgeschwindigkeit bei geringer werdendem Abstand von der Drehachse bzw. bei einer Luftströmung zur Drehachse hin. In der Folge kann die Rotation den Boden erreichen und ein Tornado auskondensieren.


Text: FB
14. Mai 2015

aktualisiert: FB, 17. Mai 2015


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