Am 18. Januar 2018, am selben Wochentag und Datum wie Orkan "Kyrill" im Jahr 2007, fegte Orkan "Friederike" über einen breiten Streifen
von Benelux über Deutschland nach Polen hinweg.
Dabei erreichten die Böen Orkanstärke bis ins Flachland (138 km/h in Gera), auf dem Brocken im Harz wurde mit 204 km/h
die deutschlandweite Rekordböe während "Kyrill" (202 km/h auf dem über 1800 m hohen Wendelstein in Bayern) übertroffen.
Wetterlage und Entwicklung
Extreme Temperaturunterschiede um den 13.01. zwischen der kanadischen Baffin Island, Grönland sowie Neufundland und dem offenen Atlantik
(-35 bis +10 °C in rund 1.500 Metern Höhe) leiteten lehrbuchhaft eine gefährliche Sturmwetterlage über Mitteleuropa ein.
Nach der thermischen Windgleichung entstand am 15.01. ein extrem starker Jetstream-Ast (zu diesem Zeitpunkt der stärkste der Nordhemisphäre) zwischen Neufundland
und Irland mit Windgeschwindigkeiten über 350 km/h in 10 Kilometern Höhe.
Dieser bahnte sich an den Folgetagen in leicht abgeschwächter Form seinen Weg ostwärts, leicht wellend und Nordwest-Südost-orientiert, bis zum östlichen Mittelmeer.
Im Bodendruckfeld etablierte sich ein äußerst kräftiges steuerndes Islandtief, welches am 15.01. einen Kerndruck von 937 hPa aufwies, im Gegensatz zu einem
kräftigen Azorenhoch mit 1042 hPa. In den Nachmittagsstunden des 16.01. traf eine Tiefdruckstörung bei Neufundland auf den Jetstream.
Trogvorderseitig und auf dem Weg vom linken zum rechten Ausgang des Jets konnte sich am 17.01. das Tief "Friederike" entwickeln und sich
in den folgenden Stunden zwischen Irland und Deutschland rasch zu einem Orkantief mit einem minimalen Kerndruck von 974 hPa verstärken.
Um 12 Uhr MEZ am 18.01 traf Sturmtief "Friederike" den Westen Deutschlands mit Windböen, die Orkanstärke hatten. So meldete die Station in Düsseldorf 120 km/h,
in Münster wurden 126 km/h gemeldet. Die Zugbahn verlief weiter über Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. In Thüringen in Erfurt wurde eine Windgeschwindigkeit
von 130 km/h gemeldet, in Gera-Laubnitz 138 km/h. Die höchsten Windgeschwindigkeiten hingegen wurden in den höchsten Lagen gemessen.
So meldete die Station auf dem Brocken 204 km/h , was der "Rekordböe" in Deutschland entspricht. Auf dem Fichtelberg wurden 174 km/h gemessen
und auf der Zugspitze wurden 158 km/h gemeldet. Dort wo der Sturm gewütet hat und weiter gezogen ist, verbesserte sich das Wetter rasch und
es verebbte der Wind weitesgehend. Bis zum Abend zog "Friederike" nach Polen, wodurch der Sturm am Abend in Deutschland
komplett überstanden war.
500 hPa Geopotential und Bodendruck, 850 hPa Pseudopotentielle Temperatur und Bodendruck,
300 hPa Vorticityadvektion und 300 hPa Wind und Divergenz | Quelle: Wetter3 |
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17.01., 18 UTC |
18.01., 00 UTC |
18.01., 06 UTC |
18.01., 12 UTC |
18.01., 18 UTC |
Spitzenwind | Quelle: Wetterzentrale |
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18.01., 09 UTC |
18.01., 12 UTC |
18.01., 15 UTC |
18.01., 18 UTC |
Schäden und Beeinträchtigungen
Die Problematik bei Sturmtief "Friederike" lag darin, dass es am Tag über die Mitte Deutschlands gezogen ist. Die damit verbundenen Orkanböen
trafen genau das Berufsleben der Menschen. Erhebliche Einschränkungen gab es auf den Autobahnen, wo LKWs durch die häftigen Windböen förmlich umgefallen sind
und den Verkehr lahm gelegt haben. Die Deutsche Bahn stellte den Betrieb ab 11 Uhr erst in NRW vollständig ein, ab Mittag dann auch bundesweit.
Die Wiederaufnahme konnte nur sukzessive am Freitag wieder aufgenommen werden. Aufgrund der vielen umgestürzten Bäumen auf Gleise und Oberleitungen
kam es im Bereich NRW erst am Samstag wieder zur Normalisierung des Bahnverkehrs, zudem kam es zu Flugausfällen. Schulen wurden geschlossen und Kinder zur Hauptsturmzeit
nach Hause geschickt. Es grenzt an ein Wunder, dass den Kindern nichts zugestoßen ist. Im Saarland mussten die Patienten eines Krankenhauses
evakuiert werden, da das Dach durch den Wind weggerissen wurde.
Insgesamt beziffern sich die Versicherungsschäden auf rund eine Milliarde Euro. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft(GDV)
fallen die Schäden zu 90% auf Gebäudeschäden und rund 10% auf Schäden an Kraftfahrzeugen. Nach öffentlichen Angaben forderte Sturmtief "Friederike" 8 Todesopfer.
max. WIndgeschwindigkeiten, links: Berge, rechts: Flachland
Datenquelle: DWD |
Station |
max. Windgeschwindigkeiten |
Brocken (1142 m)
Fichtelberg (1213 m)
Zugspitze (2960 m)
Feldberg/Schwarzwald (1486 m)
Kahler Asten (839 m)
Großer Arber (1437 m)
Wasserkuppe (921 m)
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204 km/h
174 km/h
158 km/h
144 km/h
142 km/h
140 km/h
133 km/h
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Station |
max. Windgeschwindigkeiten |
Gera-Laubnitz
Weinbiet
Erfurt
Leipzig
Münster
Düsseldorf
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138 km/h
135 km/h
130 km/h
128 km/h
126 km/h
120 km/h
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Einordnung
Der schwerste Sturm des bisherigen 21. Jahrhunderts war Orkan "Kyrill", er schafft es anhand des Storm Severity Index (SSI; Klawa und Ulbrich, 2003) auf Platz 2
bezogen auf die letzten rund 100 Jahre. Dabei war vor allem die Ausdehnung der Orkanböen bis ins Flachland sowie der extremen Orkanböen auf den Bergen
wesentlich größer und deutschlandweit gegeben (z.B. 119 km/h in Karlsruhe, 145 km/h in Düsseldorf).
Bei "Friederike" war das Gebiet mit Orkanböen bis ins Flachland enger begrenzt und das stärkste Sturmfeld traf genau auf den Brocken.
Daher wurde dort mit 203 km/h die Spitzenböe von 2007 mit 198 km/h übertroffen.
Dort waren fünf Januartage noch extremer (230 km/h beim Capella-Orkan und Daria), bei allen Monaten sind 18 Tage mit noch stärkeren Böen zu finden
(Rekord 262,8 km/h bei Orkantief "Yra" am 24.11.1984).
"Friederike" brachte in Deutschland an 16 Stationen neue Allzeit-Spitzenwindrekorde für den Monat Januar (Messreihen mit mindestens 4 Jahren Dauer).
59 Stationen (das entspricht einem Viertel aller Stationen in Deutschland) konnten mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 km/h aufwarten.
Unter Verwendung des SSI reiht sich nach unseren Berechnungen "Friederike" auf Platz 16 aller Stürme der letzten rund 100 Jahre in Deutschland ein.
Auf Platz 1 liegt Orkan Vivian (26.02.1990), in diesem Jahrhundert schafften es Niklas (2015), Emma (2008) und Jeanette (2002) noch in die Top 20.
Text: FB, DF 25. Januar 2018
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