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Dienstag, 31. Oktober 2017, 18:00 MEZ



Orkan
Herwart

Mitteleuropa

28.-29.10.2017


Satellitenbild Orkan "Herwart"
29.10.2017 08:00 UTC
Quelle: Sat24

Ende Oktober zog Orkan "Herwart" über Dänemark, Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich und die Slowakei hinweg und brachte Orkanböen an der Nord- und Ostseeküste, lokal im Norden und Osten Deutschlands, sowie im Flachland von Österreich und in Tschechien mit sich. Die stärksten Böen im Flachland unter 700 m wurden am Leuchtturm Alte Weser (Nordseeküste) und auf den Leiser Bergen (Österreich) mit 144 km/h gemessen. Verbreitet gab es Schäden durch umgestürzte Bäume, in Norddeutschland und Tschechien fiel zwischenzeitlich der Strom aus. Mindestens 6 Menschen kamen durch den Orkan ums Leben, zahlreiche weiter wurden verletzt. Alle wichtigen Verbindungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn mussten am 29.10. im Norden und Osten Deutschlands gesperrt werden.


Wetterlage und Entwicklung

Zum Monatsende des Oktober 2017 lag Hoch "Ulrike" am 24.10. über Mitteleuropa. Weiter im Nordwesten von Europa befand sich Tief "Florenz". Dazwischen herrschte eine Südwest-Strömung vor, wodurch warme Luftmassen aus Südeuropa über Frankreich bis nach Deutschland transportiert wurden (10 °C in 850 hPa am 25.10. in Süddeutschland). Tief "Florenz" verlagerte sich in der Folge von den Britischen Inseln nach Skandinavien und befand sich am 26.10. mit dem Zentrum über Estland. Dadurch stieß westlich davon ein kräftiger Höhenrücken über dem Nordatlantik nach Osten vor. Es stellte sich über dem Atlantik zunächst eine Hochdruckbrücke am Boden mit dem Hoch über Spanien ein. Am 27.10. lag das Zentrum des kräftigen Hochs dann mit einem Bodendruck von 1035 hPa über Irland. Vom Nordmeer verlagerte sich ein schnell ziehender Höhentrog am 26. und 27.10. an der Rückseite von "Florenz" nach Süden bis nach Mitteleuropa und generierte über der Ostsee ein Tief mit einem Bodendruck von unter 1008 hPa. Mit dem Durchzug des Tiefs in den Osten Europas stellte sich von Island bis nach Mitteleuropa in der Höhe und am Boden eine kräftige Nordwestströmung ein. Über dem Nordmeer flossen am 27.10. rückseitig eines Tiefdruckgebiets bei Spitzbergen arktische Luftmassen (< -10 °C in 850 hPa) nach Süden. Ein erster Kurzwellentrog zog am 28.10. in der Frontalzone von Grönland nach Skandinavien. Am Boden entstand Tief "Grisha" mit einem Bodendruck von unter 980 hPa im Zentrum. Durch den Kaltluftausbruch über dem Nordmeer stellte sich am 28.10. hier ein Temperaturgradient von ca. 15 K auf wenigen hundert Kilometern ein. In der kräftigen Nordwestströmung in der Höhe (ca. 150 kn in 300 hPa) kam es über dem Nordmeer an der Vorderseite eines weiteren Kurzwellentrogs zur Hebung durch die Advektion mit der Höhe zunehmender positiver Vorticity. Dadurch fiel der Druck am Boden am 28.10. um 18 UTC vor der Küste Norwegens auf unter 990 hPa. Fortan befand sich das Bodentief im Ausströmbereich des Jet Streams und gleichzeitig im Bereich kräftiger Hebung an der Trogvorderseite. Der Druck fiel bis zum 29.10. um 06 UTC auf unter 974 hPa. Bis dahin hatte sich das Bodentief, welches den Namen "Herwart" bekommen hatte, von Norwegen über die Ostsee bis in den Norden von Polen verlagert. Es stellte sich ein Druckgradient von ca. 54 hPa zu Hoch "Vera" über Südfrankreich ein. Das Zusammenspiel von großem Druckgradienten und schneller Verlagerung des Tiefs sorgte für beachtliche Spitzenböen in Dänemark, Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich und der Slowakei.

500 hPa Geopotential und Bodendruck, 850 hPa Pseudopotentielle Temperatur und Bodendruck, 300 hPa Vorticityadvektion und 300 hPa Wind und Divergenz | Quelle: Wetter3
28.10., 12 UTC 28.10., 18 UTC 29.10., 00 UTC 29.10., 06 UTC 29.10., 12 UTC

Orkanböen im Flachland in Deutschland, Tschechien und Österreich

Am 29.10. um 00 UTC lag das Zentrum von Tief "Herwart" über dem Süden von Schweden. In den kommenden sechs Stunden traten in Dänemark und dem Norden Deutschlands die stärksten Windböen auf. Da der Orkan sich sehr schnell verlagerte, hielten die Spitzenböen meist nur für einen Zeitraum von 2 - 3 Stunden an. Das Windfeld kam in kurzer Zeit bis in den Osten und Süden Deutschlands voran. Die Kaltfront des Tiefs zog innerhalb von nur 12 Stunden von der Nordsee bis zu den Alpen und reichte um 12 UTC im Osten bereits bis in die Slowakei. Da die Kaltfront von Kaltluftadvektion überlaufen wurde, war die Hebung entlang der Luftmassengrenze nur mäßig ausgeprägt. Es kam zu Regenmengen von meist unter 10 mm innerhalb von 24 Stunden.
Um ca. 2 UTC erreichte das Windfeld von Orkan "Herwart" die deutsche Nordseeküste und Schleswig-Holstein. Schleswig-Jagel meldete eine Orkanböe von 119 km/h. In der darauf folgenden Stunde verzeichnete die Insel Fehmarn an der Ostsee eine Böe von 133 km/h, Trollenhagen in Mecklenburg-Vorpommern maß 115 km/h. Am Leuchtturm Alte Weser an der Nordseeküste wurde zu jener Stunde mit 144 km/h die stärkste Böe im Flachland während "Herwart" gemessen. Auf 144 km/h kam einige Stunden später auch die Messstaion auf den Leiser Berge (451 m) in Österreich. Entlang der deutschen Nordseeküste gab es verbreitet Orkanböen. Sogar Emden verzeichnete ein Böe von 120 km/h, in Sankt Peter-Ording waren es 135 km/h und auf Sylt maß die Messstation in List 142 km/h.
Zwischen 05 UTC und 10 UTC traten die stärksten Böen im restlichen Deutschland auf. In Berlin-Schönefeld und Wittenberg (Sachsen-Anhalt) wehte der Wind in Böen ebenfalls mit Orkanstärke (125 km/h). An vielen anderen Stationen gab es orkanartige Böen (z.B. Leipzig/Halle: 106 km/h). Von Niedersachsen über Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen, Thüringen bis nach Bayern konnten verbreitet Sturmböen und schwere Sturmböen im Flachland gemessen werden. Auf den Gipfeln der Mittelgebirgen reichte es für Böen über 170 km/h (Fichtelberg, Erzgebirge: 176 km/h; Brocken, Harz: 172 km/h).

Satellitenbilder und Radarbilder am 29.10. | Quellen: WOKSAT, DWD
29.10., 00 UTC 29.10., 03 UTC 29.10., 06 UTC 29.10., 09 UTC 29.10., 12 UTC

Um die Mittagszeit und am frühen Nachmittag erreichten die stärksten Böen auch Österreich, die Slowakei und Ungarn. Zuvor lagen bereits Polen und Tschechien im Windfeld von Orkan "Herwart". In Polen wehte der Wind in Breslau mit 115 km/h am Stärksten. Zahlreiche Stationen in Tschechien verzeichneten Spitzenböen über 100 km/h. Die stärkste Böe maß Pribyslav mit 126 km/h. Im Nachbarland Österreich gab es ebenfalls zahlreiche Orte im Flachland, die orkanartige Böen oder sogar Orkanböen messen konnten. In Wien-Schwechat beispielsweise traten Böen bis zu 126 km/h auf.

Ausgewählte Spitzenböen während Orkan "Herwart" im Nord- und Ostseeumfeld und in Dänemark
Datenquelle: DWD Java Map
Ort Land Böe Zeit
Leuchtturm Alte Weser (32 m)
List auf Sylt (25 m)
Sankt Peter-Ording (5 m)
Fehmarn (3 m)
Glücksburg-Meierwik (27 m)
Leuchtturm Kiel (31 m)
Cuxhaven (5 m)
Helgoland (4 m)
Emden (0 m)
Elpersbüttel (3 m)
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
144 km/h
142 km/h
135 km/h
133 km/h
130 km/h
122 km/h
121 km/h
120 km/h
120 km/h
120 km/h
03 UTC
04 UTC
04 UTC
03 UTC
04 UTC
05 UTC
05 UTC
04 UTC
04 UTC
04 UTC
Ort Land Böe Zeit
Schleswig-Jagel (21 m)
Rostock-Warnemünde (4 m)
Skrydstrup (43 m)
Trollenhagen (69 m)
Nordholz (Flugplatz) (25 m)
Bremerhaven (7 m)
Leck (7 m)
Laage (40 m)
Hohn (10 m)
Hamburg-Fuhlsbüttel (11 m)
Schleswig-Holstein
Mecklenburg-Vorpommern
Dänemark
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Mecklenburg-Vorpommern
Schleswig-Holstein
Hamburg
119 km/h
118 km/h
117 km/h
115 km/h
115 km/h
115 km/h
113 km/h
108 km/h
104 km/h
102 km/h
02 UTC
04 UTC
03 UTC
03 UTC
04 UTC
04 UTC
05 UTC
04 UTC
04 UTC
03 UTC

Ausgewählte Spitzenböen während Orkan "Herwart" im restlichen Deutschland unterhalb von 700 m
Datenquelle: DWD Java Map
Ort Land Böe Zeit
Berlin-Schönefeld (46 m)
Wittenberg (105 m)
Schleiz (501 m)
Chemnitz (418 m)
Oschatz (150 m)
Hoyerswerda (116 m)
Wunnsiedel-Schönbrunn (622 m)
Fürstenzell (476 m)
Lichtenhain-Mittelndorf (321 m)
Leipzig/Halle (131 m)
Berlin
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Sachsen
Sachsen
Sachsen
Bayern
Bayern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
125 km/h
125 km/h
118 km/h
114 km/h
112 km/h
111 km/h
110 km/h
109 km/h
108 km/h
106 km/h
05 UTC
06 UTC
07 UTC
07 UTC
09 UTC
06 UTC
08 UTC
07 UTC
06 UTC
08 UTC
Ort Land Böe Zeit
Dresden-Klotzsche (227 m)
Seehausen (21 m)
Manschow (12 m)
Grünow (56 m)
Ummendorf (162 m)
Faßberg (73 m)
Hof (565 m)
Hannover (55 m)
Osterfeld (246 m)
Chieming (551 m)
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Brandenburg
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Niedersachsen
Bayern
Niedersachsen
Sachsen-Anhalt
Bayern
106 km/h
106 km/h
105 km/h
103 km/h
102 km/h
101 km/h
101 km/h
100 km/h
100 km/h
99 km/h
06 UTC
04 UTC
05 UTC
04 UTC
04 UTC
04 UTC
08 UTC
04 UTC
06 UTC
09 UTC

Ausgewählte Spitzenböen während Orkan "Herwart" in Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn und der Slowakei unterhalb von 700 m
Datenquelle: DWD Java Map
Ort Land Böe
Leiser Berge (451 m)
Kremsmuenster (389 m)
Wien-Schwechat (190 m)
Pribyslav (536 m)
Lilienfeld (696 m)
Wien / Hohe Warte (200 m)
Aigen/Ennstal (649 m)
Breslau-Strachowice (124 m)
Kocelovice (522 m)
Innsbruck Flughafen (584 m)
Linz Flughafen (313 m)
Salzburg Flughafen (450 m)
Wien-Unterlaa (199 m)
Brünn-Turany (246 m)
Österreich
Österreich
Österreich
Tschechien
Österreich
Österreich
Österreich
Polen
Tschechien
Österreich
Österreich
Österreich
Österreich
Tschechien
144 km/h
126 km/h
126 km/h
126 km/h
122 km/h
119 km/h
119 km/h
115 km/h
115 km/h
115 km/h
115 km/h
112 km/h
112 km/h
112 km/h
Ort Land Böe
Caslav (239 m)
Usti Nad Orlici (406 m)
Wolfsegg (619 m)
Bratislava (134 m)
Kostelni Myslova (573 m)
Pardubice (230 m)
Szeged (83 m)
Namest Nad Oslav (479 m)
Krakau (237 m)
Karlsbad (607 m)
Posen-Lawica (84 m)
Jelenia Gora (344 m)
Papa (134 m)
Prag-Ruzyne (365 m)
Tschechien
Tschechien
Österreich
Slowakei
Tschechien
Tschechien
Ungarn
Tschechien
Polen
Tschechien
Polen
Polen
Ungarn
Tschechien
112 km/h
108 km/h
108 km/h
108 km/h
108 km/h
107 km/h
104 km/h
104 km/h
104 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
100 km/h
100 km/h

Auswirkungen

Durch Orkan "Herwart" kam es in Deutschland, Polen, Österreich und Tschechien vor allem zu Schäden durch umgestürzte Bäume und Strommasten bzw. durch unsichere Gegenstände (z.B. Baugerüste). Mindestens 6 Menschen sind durch den Sturm ums Leben gekommen. Mehrere 100 000 Haushalte waren in Tschechien längere Zeit ohne Strom. Auch in Norddeutschland fiel der Strom für kurze Zeit während "Herwart" aus. In Deutschland gab es im Norden und Osten große Behinderungen im Zugverkehr durch umgestürzte Bäume und Äste, die auf die Oberleitungen fielen. Alle Strecken im Fernverkehr mussten zwischenzeitlich gesperrt werden und konnte teilweise erst nach einem oder zwei Tagen wieder befahren werden. Tausende Passagiere strandeten dadurch an den Bahnhöfen im Land. An der Nordseeküste kam es zu einer Sturmflut, die zu Schäden an den Stränden führte. Die Elbe im Hamburger Hafen lag am 29.10. über 3 m oberhalb des mittleren Hochwassers. Dadurch überschwemmte das Wasser den Hamburger Fischmarkt. Vor der Insel Langeroog lief ein Frachter auf Grund. In Berlin rückte die Feuerwehr innerhalb von 3 Stunden am Morgen des 29.10. zu über 100 wetterbedingten Einsätzen aus. Kleinere Behinderungen gab es auch im Straßen- und Flugverkehr (Quellen: NDR, Reuters, Zeit).

Schadensbilder aus Deutschland, Polen und Österreich durch Orkan "Herwart" am 29.10. | Quelle: Severe Weather Europe
Rostock Leipzig Freiberg Freiberg Freiberg
Leipzig Polkowice (PL) Polkowice Polkowice Polkowice
Polkowice Polkowice Steiermark (AT) Steiermark Gols (AT)


Text: JW
31. Oktober 2017



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