Mitte Juli 2017 bildeten sich über West- und Mitteleuropa wiederholt kräftige Gewitter, die mit großem Hagel, schweren Sturmböen
und Starkregen einhergingen. Am 19. Juli bildete sich über dem Westen und der Mitte Deutschlands eine Gewitterlinie aus, die
vor allem in Nordrhein-Westfalen zu Schäden durch Starkregen und Sturm führte. Betroffen waren unter anderem die Städte Köln und
Düsseldorf, am 22.07. kam es in Berlin und Umgebung erneut zu Überschwemmungen infolge heftiger Regenfälle. Neben Deutschland waren
von den Gewittern vor allem die Osthälfte Frankreichs, die Schweiz, Österreich, Tschechien und Polen betroffen.
Wetterlage und Entwicklung
Am 14.07. schob sich ein Keil des Azorenhochs nach Osten und lag an den Folgetagen über weiten Teilen von West- und
Mitteleuropa. Mit der Warmfront eines Tiefs bei Skandinavien gelangten am 16.07. feuchtwarme Luftmassen aus dem Südwesten Europas
bis in den Norden Deutschlands. Die Kaltfront des Tiefs lag am 17.07. über Belgien, der Mitte Deutschlands und Polen, von den Britischen
Inseln näherte sich an jenem Tag Hoch "Irmingard". Südlich der Kaltfront hielten sich die feuchtwarmen Luftmassen über der Südhälfte
von Deutschland. Ein ausgeprägter Langwellentrog befand sich am 18.07. über dem Ostatlantik und reichte mit der Amplitude bis in den
Norden Afrikas. Vorderseitig konnte über dem Südwesten Frankreichs und dem Norden Spaniens Druckfall im Bodendruckfeld beobachtet werden.
Östlich davon gelangte warme und feuchte Luft mit einer südlichen Strömung vom Nordosten Spaniens bis in den Norden Frankreichs und
den Südwesten Deutschlands. Die Temperatur in 850 hPa erreichte über dem Süden Deutschlands an jenem Tag 18 °C, die Luft
war sehr labil geschichtet (CAPE: 1500 - 1800 J/kg).
Vom Seegebiet westlich von Island verlagerte sich am 19.07. ein Höhentief nach Südosten in Richtung der Britischen Inseln.
Damit verbunden bildete sich am Boden Tief "Zlatan", welches an jenem Tag mit einem von zwei Zentren über England lag.
Der Höhentrog über dem Südwesten Europas kam allmählich weiter nach Osten voran. Über dem Norden Frankreichs, den Benelux Staaten
und dem Nordwesten Deutschlands breitete sich die Warmluft aus Südeuropa weiter aus. In diesem Bereich gab es besonders starke Warmluftadvektion.
Temperaturen von 20 °C in 850 hPa wurden am 19.07. im Süden Deutschlands simuliert. Das Höhentief über den Großbritannien blieb am
20.07. fast ortsfest über den Inseln. Die Kaltfront des zugehörigen Bodentiefs Zlatan kam von Irland bis in den Nordwesten Deutschlands voran
und reichte im Süden bis in die Mitte Frankreichs. Dadurch flossen in den Westen von Mitteleuropa kurzzeitig stabiler geschichtete
Luftmassen ein. Am 21.07. blieb die Kaltfront fast stationär über Mitteleuropa liegen und reichte vom Norden Spaniens über den Südosten
Frankreichs und den Alpenraum bis nach Polen. Dabei begann die Front einen wellenförmigen Charakter zu entwickeln. Die Warmluft gelangte
über die Alpen wieder in den Süden und die Mitte Deutschlands. Das Höhentief über den Britischen Inseln zog am 22.07. langsam weiter nach Osten
in Richtung Mitteleuropa. Dadurch nahm der Wind in der mittleren Troposphäre zu und damit verbunden erreichte die vertikale Windscherung
an jenem Tag Werte von 15 - 20 m/s über Frankreich, den Benelux und dem Westen Deutschlands. Im Bodendruckfeld sorgte eine weitere Kaltfront von Tief
"Zlatan" für eine Abkühlung und das Abdrängen der feuchtwarmen Luft in den Osten Europas.
500 hPa Geopotential und Bodendruck, 850 hPa pseudopotentielle Temperatur und Bodendruck, CAPE und Lifted Index,
500 hPa Vertikalbewegung Europa |
Quellen: Wetter3 |
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18.07., 18 UTC |
19.07., 18 UTC |
20.07., 18 UTC |
21.07., 18 UTC |
22.07., 18 UTC |
Gewitter im Süden Deutschlands am 18. Juli
Im Süden Deutschlands bildeten sich am späten Nachmittag über dem Allgäu (Bayern) und der Schwäbischen Alb einzelne kräftige
Gewitter. Dabei wurde im Allgäu, südöstlich von Kempten Hagel mit einem Durchmesser bis 3 cm beobachtet. Auch auf der
Schwäbischen Alb gab es kleinkörnigen Hagel. Begleitet wurde der Hagel von heftigem Regen, der sich in Mengen-Ennetach auf 36,2 mm
in einer Stunde bis 20 UTC summierte.
Radarbilder Süddeutschland 18. Juli |
Quelle: DWD Java Map,
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18.07., 16 UTC |
18.07., 17 UTC |
18.07., 18 UTC |
18.07., 19 UTC |
18.07., 20 UTC |
18.07., 21 UTC |
Bilder von den Gewitter am 18. Juli |
Quelle: Severe Weather Europe,
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Gewitterwolke in Bayern |
Hagel in Loffenau (BW) |
Mammatus Wolken über Schwarzwald (BW) |
Überschwemmungen und Hagel nach Hitze am 19. Juli
Mit viel Sonne stiegen die Temperaturen in der Mitte und im Süden verbreitet auf Werte von über 30 °C.
Am Wärmsten wurde es im Südwesten entlang des Rheins, sowie nördlich von Stuttgart in Sachsenheim.
Höchsttemperaturen Deutschland am 19.07.2017
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Bundesland |
Tmax |
Sachsenheim
Bad Dürkheim
Waghäusel-Kirrlach
Eppingen-Elsenz
Mannheim
Worms
Kitzingen
Alzey
Möhrendorf-Kleinseebach
Rheinstetten
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Baden-Württemberg
Rheinland-Pfalz
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Rheinland-Pfalz
Bayern
Rheinland-Pfalz
Bayern
Baden-Württemberg
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35,6 °C
35,5 °C
35,1 °C
35,1 °C
35,0 °C
35,0 °C
35,0 °C
34,9 °C
34,9 °C
34,7 °C
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Gewitter bildeten sich in der Nacht und in den Morgenstunden bereits über dem Süden Englands und dem Norden Frankreichs.
Die Zellen über Frankreich verlagerten sich anschließend weiter nach Nordosten nach Belgien und erreichten zum frühen
Nachmittag Nordrhein-Westfalen im Westen Deutschlands. Während der aus mehreren Gewitterzellen bestehende Komplex
Nordrhein-Westfalen von Südwesten nach Nordosten überquerte, bildeten sich südlich und nördlich davon, ausgelöst durch die
dem Gewitterkomplex vorauseilende Böenfront, neue schwere Gewitter über Niedersachsen, Rheinland-Pfalz
und Hessen. In den Folgestunden schlossen sich die Gewitter zu einer Gewitterlinie (Squall Line) zusammen, die später
auch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hamburg und Schleswig-Holstein erreichte.
Blitzkarte, Niederschlagsmengen und Radiosondenaufstieg |
Quellen: lightningmaps.org,
DWD,
University of Wyoming |
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Biltze Mittel- und Westeuropa am 19.07.
| 24 h-Niederschlag bis 20.07., 06 UTC |
Radiosondenaufstieg Essen, 19.07., 12 UTC |
Radar- und Satellitenbildanmitationen Deutschland am 19. Juli |
Quellen: sat24.com,
DWD |
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Radarfilm, 19.07., 11 UTC - 21 UTC (zur Animation anklicken) |
Satellitenfilm, 19.07., 11 UTC - 21 UTC (zur Animation anklicken) |
In Nordrhein-Westfalen kam es durch die schweren Gewittern zu umgestürzten Bäumen und vollgelaufenen Kellern. Besonders
stark betroffen war die Stadt Köln, wo Straßen und Unterführungen überschwemmt wurden und das Wasser auch in einer U-Bahn Station
und am Hauptbahnhof der Stadt stand. In Köln-Stammheim registrierte die Wetterstation eine Regenmengen von 48,8 mm binnen 1 Stunde.
Es kam zu Stromausfällen in 3 Stadtteilen, die Feuerwehr musste zu über 500 gewitterbedingten Einsätzen ausrücken. Am Kölner
Flughafen musste der Flugbetrieb für 90 Minuten unterbrochen werden. Auch Möchengladbach und Düsseldorf waren von den Gewittern betroffen.
Umgestürzte Bäume aufgrund von schweren Sturmböen verursachten Behinderungen im Bahnverkehr.
1-h-Niederschlagsmengen und Spitzenböen Deutschland am 19.07.2017
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Bundesland |
RR1h |
Bis |
Köln-Stammheim
Haan-Gruiten
Belm
Reinholterode
Leverkusen
Overath-Böke
Groß Berßen
Driedorf
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Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen
Niedersachsen
Thüringen
Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen
Niedersachsen
Hessen
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48,8 mm
35,2 mm
28,3 mm
27,9 mm
27,8 mm
25,1 mm
24,6 mm
24,3 mm
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15 UTC
15 UTC
17 UTC
19 UTC
15 UTC
15 UTC
17 UTC
16 UTC
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Ort |
Bundesland |
Spitzenböe |
Uhrzeit |
Brocken
Köln-Bonn
Belm
Oschatz
Göttingen
Artern
Eschwege-Eltmannshausen
Bremerhaven
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Sachsen-Anhalt
Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen
Sachsen
Niedersachsen
Thüringen
Hessen
Niedersachsen
|
118 km/h
94 km/h
90 km/h
90 km/h
87 km/h
86 km/h
85 km/h
85 km/h
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19 UTC
14 UTC
17 UTC
22 UTC
19 UTC
20 UTC
19 UTC
19 UTC
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Bilder von den Gewitter am 18. Juli |
Quelle: Severe Weather Europe,
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Gewitterwolke Frankfurt |
Schöningen (ST) |
Rickling (SH) |
Rickling (SH) |
Rickling (SH) |
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Hagel in Langenfeld (NW) |
Hagel Köln (NW) |
Süddeutschland |
Thüringen |
Thüringen |
Kräftige Gewitter in Österreich und Tschechien am 20. Juli
Am 20.07. bildeten sich am Nachmittag und Abend vor allem in Oberösterreich und Tschechien Gewitter,
die mit kräftigem Regen einhergingen. In Radostin in der Vysocina Provinz in Tschechien fielen in 1 Stunde bis 19 UTC
63,4 mm an Niederschlag. Chlum u Trebone im Süden Tschechiens an der Grenze zu Österreich verzeichnete in einer Stunde
56,5 mm. In Österreich war unter anderem der Raum Salzburg von heftigen Regenfällen betroffen. Hier musste die Feuerwehr
25 Mal zu wetterbedingten Einsätzen ausrücken. Es kam zu Überschwemmungen und Erdrutsche. In Deutschland meldete die
Stadt Rostock in Mecklenburg-Vorpommern überschwemmte und dadurch blockierte Straßen infolge eines heftigen Gewitters.
12-h-Niederschlagsmengen Mitteleuropa am 20.07. und in der Nacht zum 21.07.
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Land/Bundesland |
RR12h |
Bis Zeitpunkt |
Bynov
Kostelni Myslova
Pribyslav
Tacherting-Spreit
Lofer
Litschau
Salzburg-Flughafen
Amerang-Pfaffing
Mondsee
|
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Bayern
Österreich
Tschechien
Österreich
Bayern
Österreich
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60,2 mm
49,0 mm
49,0 mm
47,1 mm
42,0 mm
39,0 mm
39,0 mm
37,1 mm
37,0 mm
|
21.07., 06 UTC
21.07., 06 UTC
21.07., 06 UTC
20.07., 18 UTC
20.07., 18 UTC
21.07., 06 UTC
20.07., 18 UTC
20.07., 18 UTC
20.07., 18 UTC
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Gewitter in Süddeutschland und dem Alpenraum am 21. Juli
Entlang der stationären Front über West- und Mitteleuropa kam es am 21.07. vor allem im Südosten Frankreichs,
in Norditalien, der Schweiz und in Süddeutschland zu heftigen Gewittern. Dabei wurde beispielsweise in Mühleberg
im Kanton Bern in der Schweiz Straßen überflutet, nachdem in 30 Minuten 44 mm Regen fiel. Begleitet wurden die Gewitter
hier von 3-4 cm großen Hagelkörnern. Am späten Nachmittag und Abend zogen die Gewitter von der Schweiz in Richtung
Baden-Württemberg. Im südlichen Teil des Bundeslands wurden teilweise Regenmengen von über 50 mm in kurzer Zeit gemessen.
Satelliten- und Radarbilder |
Quellen: DWD Java Map,
WOKSAT |
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21.07. 15 UTC |
21.07. 15 UTC |
21.07. 21 UTC |
21.07. 21 UTC |
24-h-Niederschlagsmengen West- und Mitteleuropa bis 22.07.2017 06 UTC
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Bundesland/Land |
RR24h |
Wolfach
Kamenica nad Ciroc
Bielsko-Biala
Singen
Rottweil
Muehleberg
Langnau i.E.
Eschbronn-Mariazell
La Dole
Ihringen
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Baden-Württemberg
Slowakei
Polen
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Schweiz
Schweiz
Baden-Württemberg
Schweiz
Baden-Württemberg
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54,5 mm
53,5 mm
52,2 mm
50,0 mm
47,1 mm
45,9 mm
44,8 mm
44,1 mm
43,7 mm
43,5 mm
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Überschwemmungen in Berlin am 22. Juli
Am 22.07. formierten sich erneut schwere Gewitter in weiten Teilen Mittel- und Westeuropas. Da das bisher über
den Britischen Inseln verweilende Höhentief an jenem Tag weiter nach Osten in Richtung Mitteleuropa zog,
nahm vorderseitig des Tiefs über Frankreich und der Westhälfte Deutschlands
die vertikale Windscherung zu. Damit verbunden kam es im Süden Frankreichs
bei Gewittern in der Provinz Rhone-Alpe zu großem Hagel (4-5 cm). In Deutschland gab es
Schäden im äußersten Nordwesten durch Sturmböen (siehe Bild aus Lingen). In Berlin und Brandenburg sorgten
heftige Regenfälle wie bereits zu Beginn des Monats für Überschwemmungen.
Blitzkarte, Niederschlagsmengen, Satelliten- und Radarbild |
Quellen: lightningmaps.org,
DWD,
WOKSAT |
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Biltze am 22.07. |
RR24h bis 23.07., 06 UTC |
22.07., 15 UTC |
22.07., 15 UTC |
Bilder von den Gewitter am 22. Juli |
Quelle: Severe Weather Europe,
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Südöstlich von Paris |
Lingen (NW) |
St. Vincent (Frankreich) |
Zielona Gora (Polen) |
24-h-Niederschlagsmengen West- und Mitteleuropa bis 23.07.2017 06 UTC
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Bundesland/Land |
RR24h |
Wangerland-Minsen
Ahrensfelde
Berlin-Tegel
Neuhardenberg
Dornum
Berlin-Marzahn
Dörpen
Werlte-Wehm
Norderney
Berlin-Dahlem
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Niedersachsen
Brandenburg
Berlin
Brandenburg
Niedersachsen
Berlin
Niedersachsen
Niedersachsen
Niedersachsen
Berlin
|
59,5 mm
59,5 mm
59,2 mm
58,5 mm
55,6 mm
52,2 mm
51,2 mm
47,5 mm
47,4 mm
46,5 mm
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Text: JW 27. Juli 2017
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