Ende Juni 2017 setzte sich mit einer südwestlichen Strömung immer heißere Luft auch im westlichen Mitteleuropa durch mit Maximaltemperaturen
von 38,7 °C in Frankreich und 37,1 °C in Deutschland am 22. Juni. Ihren Ursprung nahm die Hitzewelle auf der Iberischen Halbinsel,
als die Temperaturen am 16. Juni 44,6 °C in Südspanien erreichten.
Vorderseitig von Tief "Paul" kam die Heißluft vorübergehend nach Norddeutschland voran und wurde am selben Tag von schweren Gewittern
mit Orkanböen, Großhagel, Überschwemmungen und mindestens einem Tornado verdrängt.
Wetterlage und Entwicklung
Im Bereich des kräftigen Höhenrückens, welcher sich vom Ostatlantik und Südwesteuropa nordostwärts ausdehnte und zeitweise weite Teile Europas
überdeckte, stiegen die Temperaturen bei absinkender Luftbewegung und jahreszeitlich maximaler Sonnenscheindauer immer weiter an.
Die Frontalzone auf dem Atlantik verlief um den 17. Juni weit nördlich, um den 19. Juni etablierte sich dort ein Langwellentrog.
Im Bodendruckfeld stellte sich zwischen Tief "Naoto" und Hoch "Concha" eine rasche Erwärmung ein. Im Norden Deutschlands machte sich am 20. Juni
die Kaltfront von Tief "Octavian" bemerkbar und Hoch "Deike" folgte mit einer Zugbahn von den Britischen Inseln nach Mitteleuropa.
Über der Südhälfte Deutschlands lagen die Temperaturen in rund 1.550 Metern Höhe gut vier Tage lang über 15 °C.
Vorderseitig des Tiefs "Paul" kam Hitze und Feuchte bis nach Norddeutschland voran, welche mit Durchzug des Tiefs wieder vollständig verdrängt wurde.
In der Höhe sorgte ein Kurzwellentrog, welcher sich von den Britischen Inseln zur Ostsee verlagerte, für den Hebungsantrieb der instabilen Warmluft
(markant hohe Werte: Theta-E > 60 °C, CAPE 2000-3000 J/kg). Zusammen mit starker Sonneneinstrahlung und kräftiger vertikaler Windscherung
im Norden Deutschlands waren die Voraussetzungen für eine Schwergewitterlage erfüllt.
500 hPa Geopotential und Bodendruck,
850 hPa pseudopotentielle Temperatur und Bodendruck, 850 hPa Geopotential und Temperatur, CAPE und Lifted Index Europa und Mitteleuropa | Quelle: Wetter3 |
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19.06.2017, 18 UTC |
20.06.2017, 18 UTC |
21.06.2017, 18 UTC |
22.06.2017, 18 UTC |
23.06.2017, 18 UTC |
Höchsttemperaturen Deutschland 22.06.2017
Datenquelle: DWD JavaMap |
Ort |
Bundesland |
Tmax |
Andernach Köln-Stammheim Köln/Bonn-Flughafen Trier-Zewen Trier-Petrisberg
Bad Kreuznach Perl-Nennig Weilerswist-Lommersum Nörvenich (Flugplatz) Bad Dürkheim
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RP NW NW RP RP RP SL NW NW RP
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37,1 °C 37,0 °C 36,7 °C 36,7 °C 36,5 °C 36,5 °C 36,3 °C 36,3 °C 36,0 °C 36,0 °C
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Extrem blitzreiche und heftige Gewitter mit allen Begleiterscheinungen
In 24 Stunden wurden über eine halbe Million Blitze über Mitteleuropa registriert.
Nahe des Tiefkerns von "Paul" entstanden in der Nacht auf den 22. Juni im Küstenumfeld Englands und Schottlands die ersten Gewitter,
welche sich auf dem Weg nach Osten über die Nordsee zu einem Mesoscale Convective System (MCS) zusammenschlossen.
An dessen Vordergrenze bildete sich gegen 10 Uhr über Land eine West-Ost-verlaufende Gewitterlinie aus, die sich mit Zugrichtung Hamburg
weiter ausdehnte und sich um 11:30 Uhr fast durchgängig von Bremerhaven bis nach Lübeck erstreckte.
Sie zog südostwärts weiter, bis sie sich gegen 14 Uhr in zwei Gewitterherde in Sachsen-Anhalt und westlich von Berlin aufteilte.
Die Gewitterlinie war häufig mit schweren Sturmböen, lokal mit Orkanböen verbunden (z.B. Stationsmessung 122 km/h in Helgoland).
Im Landkreis Harburg wirbelte ein Tornado, welcher auch von Hamburg aus zu beobachten war.
Dabei stürzten Bäume um, mit erheblichen Behinderungen im öffentlichen Verkehr und Schäden an Gebäuden.
Zudem waren einige Verletzte und zwei Todesopfer zu beklagen.
Etwa zu diesem Zeitpunkt entwickelten sich auch im Saarland und gebietsweise im westlichen Mittelgebirgsraum kräftige Gewitter,
welche hauptsächlich mit großem Hagel einhergingen (bis zu 8 cm in Hemer in Nordrhein-Westfalen, Quelle: ESWD).
Um 17 Uhr waren die Gewitter bogenförmig von Rheinland-Pfalz über Thüringen nach Sachsen angeordnet, während sich aus dem Westen der
Niederlande eine weitere Gewitterlinie näherte. Diese verlor zwar ihre linienhafte Organisation auf dem Weg nach Osten,
dafür traf ein weiteres Gewitter Hamburg und es formierte sich ein weiterer Gewitterkomplex vor allem im Bereich Westfalen/Südniedersachsen/Nordhessen.
In Neu-Ulrichstein war mit 126 km/h eine Orkanböe zu messen.
Ein zweiter Gewitterherd, welcher sich nochmals verstärkt hatte, befand sich gegen 20 Uhr im östlichen Mittelgebirgsraum.
Gebietsweise kam es zu Überflutungen (z.B. in Wolfsburg), im Raum Berlin stürzten nach den ersten Gewittern am frühen Nachmittag am Abend erneut Bäume um.
Die Gewittercluster zogen weiter nach Osten und Südosten, aber auch nach Mitternacht waren diese vor allem in Tschechien und den angrenzenden
deutschen Bundesländern aktiv (auch mit weiteren Neubildungen zwischen Ostsee und Alpenrand). In Rostock waren in den Frühstunden des 23. Juni
Straßen und Keller überflutet, Autofahrer mussten über die Autodächer gerettet werden.
Text: FB 24. Juni 2017
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