In der letzten Oktoberdekade 2015 intensivierte sich der Hurrikan "Patricia" über dem Ostpazifik
rasch und ging als Wirbelsturm der Kategorie 5 in Mexiko an Land. Ihren Höhepunkt
erreichte "Patricia" am 23. Oktober mit mittleren Windgeschwindigkeiten von 324 km/h und
einem minimalen Kerndruck von 879 hPa. Diese Werte markieren neue Rekorde für die
westliche Hemisphäre, denn nie zuvor seit Aufzeichnungsbeginn wurde ein stärkerer tropischer
Wirbelsturm in diesem Bereich beobachtet.
Extreme Windböen und sintflutartige Starkregenfälle richteten einige Schäden, die allerdings
geringer ausfielen als befürchtet. In Mexiko waren zunächst keine Todesopfer zu beklagen
(Stand: 25. Oktober 2015). Zeitgleich wüteten vor allem in Texas Unwetter mit sintflutartigen
Regenfällen, die zunächst nicht in Verbindung mit dem Hurrikan zu bringen waren. Am 25.10. lösten
Reste des Wirbelsturms im Süden der USA erneut heftige Wettererscheinungen aus.
Entstehung und Entwicklung
Das National Hurricane Center (NHC) begann am 14.10. die Entwicklung eines möglichen tropischen
Wirbelsturms zu beobachten. In einem Gebiet ein paar hundert Kilometer westlich von Mittelamerika
entwickelte sich rege Konvektionsaktivität und es entstand ein Tiefdruckgebiet. An den Folgetagen
organisierte sich die Konvektion zunehmend und konzentrierte sich mehr und mehr im Zentrum
des Gebiets. Am 20.10. um 15 UTC wurde es als tropische Depression deklariert und erhielt
die Bezeichnung 20E. Am 21.10., 03 UTC war das Kriterium für einen Tropensturm erfüllt und
20E bekam den Namen "Patricia". Bis 18 UTC änderte sich an den mittleren Windgeschwindigkeiten
(1-min-Mittel) nichts, sie verharrten bei 40 mph (64 km/h). In der Nacht auf 22.10.
erfolgte eine Intensivierung auf 65 mph (105 km/h) und am 22.10. um 09 UTC wurde
"Patricia" zu einem Wirbelsturm der Kategorie 1 heraufgestuft. Mit 15-20 km/h
zog der Hurrikan west- bis nordwestwärts. Die Bedingungen für die
weitere Entwicklung waren sehr günstig: Geringe vertikale Windscherung, hohe bodennahe und
mitteltroposphärische Luftfeuchtigkeit, Wasseroberflächentemperaturen (SST) von 30-31 °C.
Satellitenbilder | Quelle: NASA GOES Project |
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22.10.2015, 12 UTC |
23.10.2015, 00 UTC |
23.10.2015, 09 UTC |
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23.10.2015, 18 UTC |
24.10.2015, 03 UTC |
24.10.2015, 12 UTC |
ENSO und Rekordintensivierung
Die SST-Anomalien betrugen im Entwicklungsgebiet verbreitet 1,5 - 3 K.
Am äquatorialen Ostpazifik beliefen sich die SST-Anomalien auf rund 3-4 K. Die El Niño-Southern
Oscillation (ENSO), so nennt man die
veränderten Strömungen im ozeanischen und atmosphärischen System (tropischer Ostpazifik:
höhere Wassertemperaturen, erhöhte Konvektion, anomale Winde), hatte also einen nicht unerheblichen
Anteil an der Intensivierung des Hurrikans.
Ein Maß für die Intensität eines El Niño-Ereignisses ist neben den SST-Anomalien der Southern Oscillation
Index (SOI). Dieser beinhaltet die Druckdifferenz zwischen Tahiti (Ostpazifik) und Darwin (Australien,
Westpazifik). Der SOI-Index war im diesjährigen September so negativ wie zuletzt im September 1982.
Nur in 4 Septembern seit 1876 lag der Wert tiefer als im September 2015.
Erstmals die höchste Wirbelsturm-Kategorie 5 erreichte "Patricia" am 23.10., 03 UTC
mit 160 mph (257 km/h) und einem Kerndruck von 924 hPa. Dabei vollzog der
Hurrikan einen Rechtsschwenk und verlagerte sich in der Folge nord- und später nordostwärts.
Satellitenbeobachtungen vom 23.10., 09:23 UTC zeigten Temperaturen an der Wolkenoberseite von fast
-90 °C - ein Zeichen sehr starker Aufwinde und hoher Wolkenobergrenzen.
Innerhalb von 24 Stunden verstärkte sich die Windgeschwindigkeiten des Wirbelsturms um 115 mph
(185 km/h) auf Mittelwinde
von 200 mph (322 km/h). Bis 23.10., 09 UTC fiel der
Kerndruck um 114 hPa in 30 Stunden bzw. um 100 hPa binnen 24 Stunden.
Damit war "Patricia" einer der sich am schnellsten intensivierenten Hurrikane weltweit. Die schnellste
Intensivierung erfuhr Super-Taifun "Forrest" im Nordwestpazifik im September 1983 mit einem
Druckrückgang von 100 hPa in weniger als 24 Stunden.
Höhepunkt und Rekordstärke
Auf seinem Höhepunkt befand sich der Hurrikan von 23.10., 09 UTC bis 15 UTC mit Mittelwinden von
175 kt (324 km/h), Spitzenböen von 215 kt (398 km/h)
und einem minimalen Kerndruck von rekordtiefen 880 hPa. Nie zuvor seit Aufzeichnungsbeginn
wurden in der Westhemisphäre niedrigere Drücke gemessen. Flugzeugmessungen am 23.10. gegen 06 UTC
ergaben sogar einen Minimalkerndruck von 879 hPa. Bisherige Rekordhalterin war Hurrikan "Wilma"
im Atlantik aus dem Jahre 2010 mit 882 hPa. Den bis dato niedrigsten
Kerndruck im Ostpazifik besaß Hurrikan "Linda" mit 902 hPa im Jahre 1997. "Patricia" stellt mit ihren
Windgeschwindigkeiten den stärksten Hurrikan im Verantwortungsbereich des NHC (Ostpazifik und Atlantik) dar.
Rekordhalter des weltweit tiefsten gemessenen Luftdrucks bleibt aber weiterhin Taifun "Tip" mit
870 hPa, der im Westpazifik im Oktober 1979 seine Bahnen zog.
Bezüglich der Windgeschwindigkeiten (1-min-Mittel) belegt "Patricia" nun Platz 3.
Nach Angaben des NHC und des Joint Typhoon Warning Centers (JTWC) waren Super-Taifun "Nancy" (1961)
mit 215 mph (346 km/h), Super-Taifun "Violet" (1961) mit 205 mph (330 km/h)
und Super-Taifun "Ida" (1958) mit 200 mph (322 km/h) die bislang stärksten
aufgezeichneten Wirbelstürme hinsichtlich der Windgeschwindigkeiten. In sehr starken tropischen Wirbelstürmen
können sich konzentrische Augenwände bilden. Wenn sich zwei Kreise mit starker Konvektion bilden, reduziert die
äußere Wand die Zufuhr von Feuchte zur inneren Wand. Durch diesen Feuchteentzug schwächt sich die Konvektion der
inneren Augenwand aufgrund von geringerer freiwerdender latenter Wärme ab. Dadurch wird die Intensivierung
verlangsamt oder es kommt gar zu einer Abschwächung und steigendem Kerndruck. Die äußere Augenwand kann die
innere ersetzen. Ein solcher Eyewall-Replacement-Prozess könnte vor Landgang zu einer leichten Abschwächung
des Hurrikans geführt haben. Um dies zu belegen stehen allerdings zu wenig Flugzeugmessungen und Satellitendaten
zur Verfügung.
Meeresoberflächentemperaturen/-anomalien, Windscherung sowie Niederschlagskarten
Quellen: Levi Cowan / Tropicaltidbits.com,
CIMSS,
CNA SMN |
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23.10.2015, 06 UTC |
23.10.2015, 06 UTC |
23.10.2015, 06 UTC |
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24-h-RR bis 23.10.2015, 15 UTC |
24-h-RR bis 24.10.2015, 15 UTC |
90-d-RR in Sierra de Manantlán |
Landgang und rasche Abschwächung
Am 23.10., 23:15 UTC ging "Patricia" mit Kategorie 5 nahe Cuixmala (rund 100 km nordwestlich
von Manzanillo) im Bundesstaat Jalisco an der Küste Mexikos an Land.
In Cuixmala sollen Böen bis 211 mph (339 km/h) gemessen worden sein. Diese Daten wurden zunächst
nicht bestätigt, weil sie einer Qualitätskontrolle unterzogen werden müssen.
Zuvor gab es erst einen Kategorie-5-Hurrikan, der an der Küste Mexikos an Land ging. Dieser erforderte Ende
Oktober 1959 rund 1.800 Tote und war damit der tödlichste Hurrikan im Ostpazifik.
Auswirkungen von "Patricia" waren hoher Wellengang, heftige Windböen, eine Sturmflut, Starkregenfälle,
Überflutungen und einzelne Schlamm-/Erdrutsche.
Die Niederschlagsmengen beliefen sich auf zum Teil über 250 mm in weniger als einem Tag.
Von den stärksten Winden wurden größere Städte und Küstenorte weitgehend verschont. In den nicht
sehr dicht besiedelten Regionen des Landgangs waren auch dank umfangreicher
Warnungen und Vorkehrungsmaßnahmen keine Todesopfer zu beklagen (Stand: 25.10.2015).
Überflutete Häuser, abgedeckte Dächer, Stromausfälle und entwurzelte Bäume gehörten zu den Folgeschäden.
Noch schneller als sich "Patricia" intensiviert hatte, schwächte sie sich nach Landgang ab. In 24 Stunden
stieg der Kerndruck von 880 hPa auf 1002 hPa am 24.10., 15 UTC, im gleichen Zeitraum gingen
die Windgeschwindigkeiten um 165 mph (266 km/h) zurück. Innerhalb von nur 18 Stunden hatte
sich der Hurrikan damit von Kategorie 5 zu einer tropischen Depression abgeschwächt.
Satellitenbild, Zugbahn, Wind-/Druckfeld und Flugzeugbeobachtungen
Quellen: NOAA SSD,
TSR,
Levi Cowan / Tropicaltidbits.com |
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Satellitenbild (GOES-Floater Water Vapor), 23.10., 13 UTC |
Zugbahn |
Wind- und Druckfeld, 23.10., 06 UTC |
Flugzeugbeobachtungen, 23.10., 16-18 UTC |
Unwetter in Texas
Während der Hurrikan in Teilen Mexikos wütete, gingen insbesondere im Nordosten von Texas sintflutartige
Starkregenfälle nieder. Lokal fielen über 500 mm Niederschlag in nur 4 Tagen.
Diese Extremwetterereignisse sind allerdings nicht in Verbindung mit "Patricia" zu bringen. Vorderseitig
eines Höhentroges wurden feucht-warme Luftmassen advehiert (15-20 °C in 850 hPa) und großskalige
Hebungsvorgänge führten zur Auslöse von heftigen Regenfällen und Gewittern.
Reste des Hurrikans überquerten am 24.10. Mexiko und erreichten am 25.10. auch den Süden der USA.
Da die Luft noch sehr warm, energiereich und feucht war, kam es erneut zu ergiebigen Regenfällen
u.a. in Teilen von Texas und Louisianas, die Überschwemmungen hervorriefen.
16-h-Niederschlag von
23.10., 11 UTC bis 24.10., 03 UTC in Mexiko (links) und
98-h-Niederschlag von 21.10., 12 UTC bis 24.10., 14 UTC in Texas (rechts)
Datenquellen: CNA SMN,
NOAA NWS WPC |
Ort |
16-h-RR |
Nevado de Colima
Sierra Manatlan I
La Villita
Observatorio Colima
Lázaro Cardenas
Sierra Manatlan II
Petacalco
Observatorio Cd. Guzman
Chamela-Cuixmala
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257,2 mm
215,8 mm
179,0 mm
155,0 mm
147,0 mm
144,2 mm
137,6 mm
126,0 mm
101,4 mm
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Ort |
98-h-RR |
POWELL 1.0 SW
CORSICANA/CAMPBELL FIELD
COOLIDGE 5 N
RICHLAND CHAMBERS RESERVOIR
GRAPEVINE
ASH CREEK NEAR MALONE
CAYUGA
TRINITY RIVER AT TRINIDAD
KERENS 3 NW
SOUTHLAKE 2 W
BRANDON
CEDAR CREEK RESERVOIR
FAYETTEVILLE 5 W
RICHLAND CREEK NEAR MERTENS
|
511,8 mm
509,8 mm
508,0 mm
500,9 mm
474,2 mm
470,7 mm
464,8 mm
442,7 mm
409,2 mm
394,2 mm
356,1 mm
334,5 mm
324,9 mm
311,9 mm
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Text: SB 25. Oktober 2015
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