Anfang Mai 2015 stieß zum ersten Mal in diesem Jahr afrikanische Heißluft nach Norden vor. In Tunesien wurden rekordverdächtige 44,6 Grad registriert, auf Sardinien über 38 und in Österreich knapp 32 Grad. Auf dem Atlantik entwickelte sich Sturmtief "Zoran" und im Übergangsbereich zu kühlerer Luft entstanden besonders im Norden Deutschlands schwere Gewitter. Zwischen NRW und Schleswig-Holstein waren schwere Sturmböen, Starkregen und Hagel für Schäden verantwortlich. In Mecklenburg-Vorpommern richteten Tornados Schäden in Millionenhöhe an.
Entstehung von Sturmtief "Zoran" Nach einem trockenen und sehr sonnigen April 2015 griffen zum Monatsende wieder vermehrt atlantische Tiefausläufer auf Mitteleuropa über. Kaltluftvorstöße über der Ostküste der USA im Zusammenhang mit Höhen- und Bodentiefkomplexen sowie ein sich südwärts zurückziehendes Azorenhoch leiteten diese Wetterumstellung ein. Das "Yvo" benannte Tiefdruckgebiet mit seinem Frontensystem legte den Weg von den USA über den Atlantik zurück und etablierte sich am ersten Maiwochenende als Zentraltief über den Britischen Inseln. Diese Konstellation in Verbindung mit sehr feuchter Luft mit Ursprung im tropischen Atlantik sorgte auch für Starkniederschläge im westlichen Alpenraum. Bereits am 29.4. entstand in den USA an der langgestreckten Kaltfront von Tief "Yvo" eine Welle, die südlich des Zentraltiefs nach Europa verfrachtet wurde und aus der letztendlich Sturmtief "Zoran" entstehen sollte. Ausgehend von einer über Mitteleuropa verlaufenden, zonalisierten Höhenströmung am 1. Mai stieß ein Trog vor Westeuropa an den Folgetagen ungewöhnlich weit südwestwärts auf den Atlantik vor, eine südwestliche Strömung stellte sich über Mitteleuropa ein. Mit der jahreszeitlichen Erwärmung stand über Nordafrika sehr heiße Luft bereit (25 bis knapp 30°C in 850 hPa), die sich nach Nordosten ausdehnte und den Temperaturgradienten über Südwesteuropa verschärfte. Östlich von Madeira, am 3.5. gegen 18 UTC, intensivierte sich das junge Tiefdruckgebiet, der Höhenströmung folgend, durch Annäherung an einen neuen Kurzwellentrog von 1005 auf 995 hPa bis 4.5. 00 UTC. Die Zugbahn des sich weiter verstärkenden Tiefs, das den Namen "Zoran" erhielt, verlief von Portugal (995 hPa) über die Biskaya nach England (985 hPa). "Zoran" bezog die oben genannte Heißluft in seine Zirkulation mit ein und nahm als Sturmtief Einfluss auf das Wettergeschehen in Deutschland.
Hitze im Vorfeld von Sturm und Gewittern Die Temperaturen in 850 hPa erreichten von Nordafrika und Spanien ausgehend über dem westlichen Mittelmeer bis nach Italien Werte über 20°C, über Tunesien und Sardinien auch über 25°C, was einer positiven Temperaturabweichung von 10-15 Kelvin zum langjährigen Mittel entspricht. Dies reichte lokal für Werte über 35°C: Decimomannu auf Sardinien registrierte mit 38,4°C die höchste Temperatur Europas am 05.05.2015. In Kairouan (Tunesien) wurde der alte Mairekord (Referenzzeitraum 1961-1990) von 41,6°C am 28.05.1961 mit 44,6°C um ganze 3 K übertroffen. Durch starke Warmluftadvektion vorderseitig des atlantischen Tiefdruckkomplexes verzeichnete Deutschland am 05.05. in etwa 1500 Metern Höhe 10 Grad im Norden bis knapp 20 Grad im Südosten (5-10 Kelvin über dem Mittel). Da die höchsten Temperaturen in 850 hPa meist in der Nacht erreicht und auch schnell wieder nach Osten abgedrängt wurden, blieben bestehende Stationsrekorde für Anfang Mai in Deutschland unangetastet. Garmisch (BY) mit der Höchsttemperatur 29,2°C verfehlte einen heißen Tag und blieb recht deutlich unter dem Rekord von 31,5°C am 05.05.2003. Ungewöhnlich hoch lagen allerdings die Tiefstwerte mit über 15°C in Süddeutschland (Öhringen 18,0°C). Mit allmählicher Ostwärtsverlagerung des Höhentrogs und schneller Verlagerung der Kurzwelle zog "Zoran" rasch nach Nordosten weiter und hinter seiner Kaltfront drang trockenere und kühlere Atlantikluft vor. Die äquivalentpotentielle Temperatur lag im Warmsektor verbreitet um 50°C, hinter der Kaltfront nur noch um 25°C. Im Vorfeld der Kaltfront entstanden an einer vorlaufenden Konvergenzlinie schwere Gewitter. In diesem Bereich strömen Luftmassen (z.B. aus SW und SE) zusammen und werden zum Aufsteigen gezwungen. Zwischen Wales und Südostbayern stellte sich ein Druckgradient von 25 hPa ein, was in Nordwestdeutschland bereits außerhalb von Schauern und Gewittern für einen Mittelwind von Beaufort 5-6 und Böen der Stärke 8-9 reichte.
Aus den Rückwärtstrajektorien ist zu entnehmen, dass in größeren Höhen (etwa 750 hPa) trockene Saharaluft nach Mitteleuropa advehiert wurde, am Boden jedoch sehr feuchte, ursprünglich tropische Atlantikluft. Letztere zeichnete sich durch konstant hohe Taupunkte um 15°C und PWAT-Werte um 30 kg/m² aus (maximal ausfällbares Wasser). Zusätzlich bestand ein (vertikaler) Gradient der äquivalentpotentiellen Temperatur zur nordwestlich lagernden trockenkühlen Meeresluft. Diese Konstellation stellte eine große potentielle Instabilität bereit, die sowohl thermisch durch Sonneneinstrahlung, als auch durch dynamischen Antrieb ausgelöst werden konnte. Infolge der vorliegenden Geopotentialverteilung handelte es sich dynamisch um mit der Höhe zunehmende positive Vorticityadvektion und obertroposphärische Divergenz, die zu großräumiger Hebung führten. Die schnellere Abkühlung der trockenen Luftmassen im Vergleich zu den feuchten Luftmassen (freiwerdende latente Wärme bei Kondensation) sowie negative Schichtdickenadvektion in der Höhe führte zu weiterer Labilisierung der Troposphäre durch erhöhte vertikale Temperaturgradienten. Zahlenmäßig machten sich diese Gegebenheiten durch CAPE-Werte von 500-900 J/kg und einem Lifted Index von unter -2 bemerkbar, die höchsten Werte im nördlichen Bereich des Warmsektors über SH und MV, nahe des Okklusionspunktes von "Zoran". Diese Faktoren trugen zusammen zur Entstehung der Schwergewitter bei.
Hagelgewitter in den Niederlanden und in Niedersachsen
Unwetter in Hamburg Gegen 17:30 peitschten auch in der Millionenstadt Hamburg im Zuge von Gewittern schwere Sturmböen Starkregen und kleinkörnigen Hagel durch die Straßen. Die Feuerwehr musste wegen umgestürzter Bäume und vollgelaufener Keller ausrücken. Ein Todesopfer ist infolge eines durch den Sturm herabstürzenden Vordaches zu beklagen. Tornados in Mecklenburg-Vorpommern Besonders schwer wurden Orte im nordöstlichsten deutschen Bundesland getroffen. Zwischen 18 und 19 Uhr entwickelten sich hier drei Tornados. Über die Kleinstadt Bützow fegte gegen 18:45 mehrere Minuten lang ein Tornado der Stärke F3 (anhand der Schäden geschätzt) auf der fünfteiligen Fujita-Tornado-Skala hinweg, wo kaum ein Haus unbeschädigt blieb. Dies entspricht Windgeschwindigkeiten von mehr als 250 km/h. Ganze Dächer wurden abgedeckt, die Straßen waren von Dachziegeln bedeckt. Autos lagen auf ihren Dächern und Trümmerteile bohrten sich in Hauswände. Nach Medienberichten wurden mindestens 16 Häuser als unbewohnbar eingestuft, Notunterkünfte wurden eingerichtet und 31 Verletzte versorgt. Die Schadenshöhe wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. In Rampe wurde ein F1-Tornado beobachtet (117-180 km/h), in Groß Laasch mit großer Wahrscheinlichkeit einer der Stärke F2 (181-253 km/h). Tornados entstehen in Zusammenhang mit Superzellen: Gewitterzellen, die durch starke vertikale Windscherung in sich zu rotieren beginnen. Durch die unterschiedliche Verlagerungsgeschwindigkeit und -richtung der Luftmassen werden diese in horizontale Rotation versetzt (Scherungsvorticity), die durch die aufsteigende Warmluft im Aufwindbereich der Gewitterzelle in die Vertikale gekippt wird. Feuchtwarme Luftmassen fließen aus der Umgebung nach, aus dem Pirouetteneffekt folgt eine Erhöhung der Drehgeschwindigkeit bei geringer werdendem Abstand von der Drehachse bzw. bei einer Luftströmung zur Drehachse hin. Mit sehr feuchter Luft bodennah lag das Hebungskondensationsniveau tief (Absenkung der Wolkenbasis), dadurch kondensiert leichter ein Tornado aus, dessen Rotation den Boden erreicht. Vom Aufstieg Schleswig ausgehend lag das Niveau der freien Konvektion fast auf der Höhe des HKN, demnach musste weniger Energie zur Überwindung eines "Deckels" (CIN) für die Konvektion aufgewandt werden, was die Entwicklung weiter begünstigte.
Text: FB 6./7. Mai 2015 |