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Montag, 9. Juli 2012, 18:30 MESZ


Gewitter, Hitze

Europa
28.06.-06.07.2012


Satellitenbild: 28.06.2012, 15:43 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern

Ende Juni / Anfang Juli 2012 gelangte mit einer andauernden südwestlichen Strömung feuchtwarme, zum Teil auch feuchtheiße Luft subtropischen Ursprungs in weite Teile West-, Mittel- und Osteuropas. Dabei entluden sich über einen Zeitraum von etwa einer Woche wiederholt unwetterartige Gewitter, wobei mehrere Menschen tödlich verletzt wurden. Allein sechs Menschen starben durch Blitzschlag. Dem Südosten Europas machte eine Hitzewelle mit Höchsttemperaturen um +35 °C zu schaffen.

Nachstehend finden sich eine Beschreibung der großräumigen synoptischen Situation während des Zeitraumes sowie eine Chronologie, in der die jeweiligen Ereignisse eines Tages zusammengefasst sind.


Synoptische Situation

Der gewitterträchtige Zeitraum ließ sich grob in zwei Abschnitte unterteilen, die durch zwei separate Warmluftvorstöße gekennzeichnet waren. Der erste, kräftigere Vorstoß erfolgte vom 28.06. an im Warmsektor des zu den Britischen Inseln ziehenden Tiefdruckgebietes "Lisa". Bei "Lisa" handelte es sich um eine umfangreiche Zyklone, die vorübergehend den gesamten nordwesteuropäischen Raum überdeckte. In dem durch massive Warmluftadvektion aufgewölbten Hochdruckrücken auf deren Vorderseite stiegen die 850-hPa-Temperaturen zum 28.06. über der Mitte Frankreichs bis auf +20 °C, zwei Tage später konnten über dem Alpenraum - föhnunterstützt - sogar bis +25 °C analysiert werden. Die +15-°C-Isotherme stieß zwischenzeitlich bis nach Norddeutschland vor. Beeindruckender als die Temperaturen an sich waren allerdings die pseudopotenziellen Temperaturen, welche den Feuchtegehalt der Luftmasse berücksichtigen und somit ein Maß für deren Energiegehalt darstellen. Sie erreichten mit knapp +70 °C in 850 hPa über dem Osten Frankreichs extrem hohe Werte.

Bodendruckanalysen vom 29.06. bis 02.07.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
29.06.2012, 00 UTC 30.06.2012, 00 UTC 01.07.2012, 00 UTC 02.07.2012, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 29.06. bis 02.07.2012 | Quelle: Wetterzentrale
29.06.2012, 00 UTC 30.06.2012, 00 UTC 01.07.2012, 00 UTC 02.07.2012, 00 UTC

Die Kaltfront von "Lisa", an der sich zum einen am Abend des 30.06. über dem Süden Deutschlands und zum anderen am Abend des 02.07. über dem Norden Österreichs und Tschechien zwei Wellen formierten, überquerte die zentralen Teile Europas zögernd bis zum 04.07. südostwärts. Mit ihr wurde auch die heiße und feuchte Luft abgedrängt, die in der Folgezeit aber über Südosteuropa verweilte und sich dort sogar noch weiter erwärmen konnte. Dies war der Ausweitung des zu "Lisa" korrespondierenden Höhentroges bis zur nordwestafrikanischen Küste und der damit in Verbindung stehenden Aufwölbung des östlich davon gelegenen Rückens geschuldet.

Bodendruckanalysen vom 03. bis 06.07.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
03.07.2012, 00 UTC 04.07.2012, 00 UTC 05.07.2012, 00 UTC 06.07.2012, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 03. bis 06.07.2012 | Quelle: Wetterzentrale
03.07.2012, 00 UTC 04.07.2012, 00 UTC 05.07.2012, 00 UTC 06.07.2012, 00 UTC

Indes regenerierte sich der westeuropäische Höhentrog durch einlaufende kurzwellige Anteile auf seiner Rückseite. An Stelle des nach Skandinavien abwandernden und sich auflösenden Tiefs "Lisa" rückte Tief "Mina", das die Britischen Inseln wie sein Vorgänger ebenfalls in einem bereits vollständig okkludierten Zustand erreichte und dort eine quasistationäre Lage annahm. Auf seiner Vorderseite stieß wiederum warme und feuchte, insgesamt jedoch weniger energiereiche Luft wie zuvor nach West- und Mitteleuropa vor. Das Frontensystem von "Mina" überquerte Mitteleuropa im Laufe des 06.07., dahinter strömte kühlere und trockenere Luft ein. Da sich das Tief über den Britischen Inseln jedoch neu organisierte, blieb die südwestliche Strömung auch nach Frontpassage zunächst noch erhalten. Erst mit einem weiteren Frontdurchgang am 08.07. wurde der feuchtwarme Witterungsabschnitt in Mitteleuropa endgültig beendet.


Chronologie

Donnerstag, 28.06.2012

Hagel und Hagelschäden in Leicestershire (GB)
am 28.06.2012.
Quelle: twitter, Adam (Adsterrrrrr)
Höchsttemperaturen von verbreitet über +30 °C traten am 28.06. in weiten Teilen von Südwest- sowie im südlichen Mitteleuropa auf. Am Flughafen von Saragossa (Spanien) wurde ein Maximum von +40,7 °C gemessen, nur drei Zehntel fehlten dort zum Junirekord aus dem Jahre 1965. Höchstwerte über +35 °C konnten auch im südlichen Frankreich registriert werden (z. B. Clermont-Ferrand +35,5 °C).

Die ersten kräftigen Gewitter traten am frühen Nachmittag in der Mitte Englands auf. Am Shobdon Airfield fielen 37 mm, in Burbage - zwischen Birmingham und Leicester gelegen - bis zu 9 cm (!) große Hagelkörner (s. Fotos). Am späteren Nachmittag entwickelten sich kräftige Gewitter im Norden der Schweiz sowie im Norden und Nordosten Frankreichs. Letztere breiteten sich zum Abend Richtung Saarland und Rheinland-Pfalz aus und schlossen sich mit über den nördlichen Ausläufern des Schwarzwaldes und des Kraichgaus entstandenen Gewitterzellen zu einer ausgeprägten Gewitterlinie zusammen. An der Station Lauda-Königshofen-Heckfeld (Main-Tauber-Kreis) fielen zwischen 20 und 21 Uhr MESZ 32 mm Niederschlag. Während die Gewitterlinie im weiteren Verlauf über dem Norden Bayerns an Aktivität einbüßte, formierten sich in Luxemburg und im Osten Frankreichs neue, multizellulare Gewittersysteme. Sie wurden im Bereich eines ausgeprägten Bodentroges samt eingelagerter Konvergenz initialisiert und mit der vorherrschenden südwestlichen Strömung nach Nordosten gesteuert. Einen zusätzlichen Hebungsimpuls stellten die Vogesen mit ihrer komplexen Orografie bereit.

Durch den Hagelschlag wurden in der englischen Grafschaft Leicestershire zahlreiche Autos zum Teil schwer beschädigt. Im Norden Englands waren Straßen wegen Überflutung unpassierbar, einige Bahnverbindungen - zum Beispiel zwischen Newcastle und Edinburgh - nach Erdrutschen und wegen umgestürzter Bäume infolge heftiger Regenfälle und Sturm gesperrt. Mehrere zehntausend Menschen mussten einige Stunden ohne Strom auskommen, in Newcastle standen über Nacht sämtliche U-Bahnen still. Nach einem der nassesten Junimonate seit Beginn der Messungen war es bereits in den vorangegangenen Wochen im Norden Englands immer wieder zu Überschwemmungen gekommen.

Satellitenbilder vom 28.06.2012 | Quelle: sat24.com
28.06.2012, 12:00 MESZ 28.06.2012, 15:00 MESZ 28.06.2012, 18:00 MESZ 28.06.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 28.06.2012 | Quelle: DWD
28.06.2012, 11-12 MESZ 28.06.2012, 14-15 MESZ 28.06.2012, 17-18 MESZ 28.06.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 28.06.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 29.06., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 28.
Murcia/Alcantarilla (E)
Murcia (E)
Saragossa/Flgh. (E)
Córdoba/Flgh. (E)
Alicante/Flgh.
Rheinstetten (BW)
43,2 °C
41,8 °C
40,7 °C
39,5 °C
38,9 °C
31,3 °C
Ort 28./29.
Kraftisried (BY)
Simmersfeld (BW)
Kempten (BY)
Laude-Königshofen-Heckfeld (BW)
Burbach-Würgendorf (NRW)
Rheinstetten (BW)
39 mm
37 mm
37 mm
36 mm
32 mm
4 mm



Freitag, 29.06.2012

Shelf-Cloud über Bühl/Bühlertal (BW) in
der Nacht zum 29.06.2012.

Quelle: Chris Kranich (Wetterzentrale-Forum)
In der Nacht zum 29.06. kamen in Simmersfeld und Baden-Baden-Geroldsau (beide Baden-Württemberg) zwischen 3 und 4 Uhr MESZ jeweils 24 mm zusammen, in Freudenstadt im Schwarzwald wurde eine 83-km/h-Böe gemessen. Zum Morgen zog aus den Alpen heraus ein weiterer Gewitterkomplex ins südliche Baden-Württemberg und nach Südbayern, wo an mehreren Stationen stündliche Niederschlagsmengen von mehr als 20 mm verzeichnet werden konnten (z. B. Kraftisried/BY 26 mm). In Diebach im Landkreis Bad Kissingen (Bayern) brannten zwei landwirtschaftlich genutzte Hallen vermutlich infolge eines Blitzschlages vollständig nieder. Der Schaden wurde auf mehr als 100.000 Euro geschätzt. Kleinere Sturmschäden waren am mittleren Oberrhein zu verzeichnen.

In den Frühstunden konnten Gewitterherde über der Mitte Frankreichs, dem Süden Deutschlands beziehungsweise am Alpennordrand sowie in Teilen Hessens, Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins ausgemacht werden. Dabei kamen örtlich große Regenmengen zustande (z. B. Holzheim bei Diez / RP 21 mm zwischen 7 und 8 Uhr MESZ). Während sich die Gewitter über Deutschland im Laufe des Vormittags vorübergehend abschwächten, verstärkte sich die Aktivität des Komplexes über der Mitte Frankreichs. Gekoppelt an einen kurzwelligen Höhentrog zog das System nordostwärts und erreichte gegen Mittag Luxemburg, das Saarland und den Westen von Rheinland-Pfalz. Am Nachmittag breiteten sich die Gewitter weiter aus und erfassten dann auch Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Schließlich entwickelte sich zum frühen Abend ein linienförmiges System, das den Norden Deutschlands nordostwärts überquerte. An mehreren Stationen wurden Niederschlagsmengen zwischen 20 und 25 mm innerhalb einer Stunde, in Neuenrade-Blintrop im Sauerland (Nordrhein-Westfalen) zwischen 15 und 16 Uhr MESZ 31 mm gemessen. Örtlich traten Sturmböen auf (z. B. Schwerin/MV 83 km/h zwischen 19 und 20 Uhr MESZ). An den südlichen Ausläufern der Gewitterlinie entwickelten sich am späten Abend in Brandenburg einzelne neue Gewitter, eines davon traf gegen 22 Uhr MESZ die Bundeshauptstadt Berlin.

Überflutungen und Schäden nach Gewittern in Kiel (links) und Berlin (rechts).
Quellen: Kieler Nachrichten, AMMA Pressefoto (Anne Meyer & Andreas Markus)
Dort wurden durch mit dem Gewitter einhergehende kräftige Böen mehrere Bäume entwurzelt und einige Autos und Hausfassaden beschädigt; in Nordrhein-Westfalen und Kiel standen nach Gewittern Straßen unter Wasser (s. Fotos). Auf einem Golfplatz im nordhessischen Waldeck kamen drei Frauen durch einen Blitzschlag ums Leben, eine vierte schwebte zunächst noch in Lebensgefahr und verstarb wenige Tage später ebenfalls. Die Frauen hatten während eines Gewitters Schutz in einer auf dem Golfplatz befindlichen Hütte gesucht, in der kurze Zeit später ein Blitz einschlug. Eine weitere Person wurde in Rüdesheim im Westen Hessens auf einem Gerüst durch einen Blitzschlag verletzt.

In mehreren Bundesländern verursachten die Unwetter zum Teil massive Verkehrsbehinderungen. Vor allem im Norden Deutschlands führten Blitzschläge und umgestürzte Bäume zu Einschränkungen im Bahnverkehr. Davon betroffen war auch ein Teil der Strecke zwischen Berlin und Hamburg. In Köln und Bielefeld wurden die Feuerwehren zu insgesamt rund 250 Einsätzen wegen vollgelaufener Keller und Tiefgaragen sowie umgestürzter Bäume gerufen. Heftige Gewitter entwickelten sich am Nachmittag auch in Teilen Österreichs, vor allem in Niederösterreich und im Burgenland. Örtlich fielen 3 cm große Hagelkörner und richteten Schäden an.

Höchsttemperaturen über +35 °C konnten im Süden Europas gemessen werden. War dies am Vortag vor allem in Spanien der Fall, stellte sich nun auch in weiten Teilen Italiens extreme Hitze ein (z. B. Bologna/Flgh. +36,2 °C). Die europaweit höchste Temperatur verzeichnete jedoch erneut Murcia/Alcantarilla im Südosten Spaniens. Mit einem Höchstwert von +44,0 °C wurde der alte Junirekord aus dem Jahre 2001 um 2,5 K übertroffen. Der absolute Rekord in der seit 1940 bestehenden Temperaturreihe dieser Station liegt bei +46,1 °C und wurde im Juli 1994 aufgestellt.

Niederschlagsradarbilder vom 29.06.2012 | Quelle: DWD
29.06.2012, 03:00 MESZ 29.06.2012, 09:00 MESZ 29.06.2012, 15:15 MESZ 29.06.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 29.06.2012 | Quelle: DWD
29.06.2012, 02-03 MESZ 29.06.2012, 08-09 MESZ 29.06.2012, 14-15 MESZ 29.06.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 29.06.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 30.06., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 29.
Murcia/Alcantarilla (E)
Murcia (E)
Saragossa/Flgh. (E)
Murcia / San Javier (Flgh.) (E)
Capri (I)
Rheinstetten (BW)
44,0 °C
42,5 °C
39,6 °C
37,9 °C
37,2 °C
31,5 °C
Ort 29./30.
Springe (NDS)
Brakel (NRW)
Pelzerhaken (SH)
Neuenrade-Blintrop (NRW)
Boizenburg (MV)
Rheinstetten (BW)
45 mm
42 mm
34 mm
32 mm
32 mm
-



Samstag, 30.06.2012

Der 30.06. avancierte zu einem der markantesten sommerlichen Unwettertage der zurückliegenden Jahre in Mitteleuropa. Ab den späten Nachmittagsstunden richteten verbreitet auftretende, zum Teil schwere Gewitter vor allem in den mittleren und südlichen Regionen Deutschlands Schäden in Millionenhöhe an.

Nachdem bereits in den Nacht- und Frühstunden ein Gewitterkomplex über Teile Hessens, Thüringens, Brandenburgs und Sachsens nach Polen gezogen war, startete der Tag vielerorts sonnig. Ab etwa 15 Uhr MESZ konnten erste Blitze nordöstlich von Köln und im Erzgebirge registriert werden. Ab etwa 16 Uhr MESZ entwickelte sich bei Pforzheim (Baden-Württemberg) binnen einer halben Stunde eine hoch reichende Gewitterzelle, die rasch höchste Intensitäten im Niederschlagsradar aufwies und Kurs auf Heilbronn nahm. Dort erfolgte eine Aufteilung der Zelle in zwei Teile, wie sie für Superzellen - rotierende und langlebige Gewitterzellen - typisch ist. Während sich der linke Zellteil abschwächte, intensivierte sich der rechte Part und brachte gegen 19 Uhr MESZ im Raum Feuchtwangen (Bayern) großen Hagel hervor. Fotos dokumentierten Hagelkörner mit Größen bis 9 cm im Durchmesser.

Niederschlagsradarbild der Hagelzelle und Foto des Hagels im Raum Feuchtwangen (BY)
30.06.2012, 19:00 MESZ | Quelle: wetter.com Quelle: Stefan Rubach (Wetterzentrale-Forum)

Während sich im Laufe des Abends im Norden von Baden-Württemberg und Bayern sowie später auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg weitere, intensive Gewitterzellen bildeten, zog aus der Schweiz ein mesoskaliges konvektives System (MCS) nach Württemberg. Dieser hatte sich etwa zwei Stunden zuvor über den Schweizer Alpen formiert und war über das Mittelland und die Region Zürich hinweg nach Norden gewandert. An der Station Deggenhausertal-Azenweiler im Bodenseekreis wurden in Verbindung mit dem System zwischen 20 und 21 Uhr MESZ 34 mm Niederschlag, in Überlingen am Bodensee an einer privaten Station eine orkanartige Böe (104 km/h) gemessen. In den darauffolgenden Stunden verlagerte sich der MCS über die Mitte Württembergs nordwärts; am Stuttgarter Flughafen fielen zwischen 21 und 22 Uhr MESZ 23 mm, in Königheim im Main-Tauber-Kreis (Baden-Württemberg) eine Stunde später sogar 39 mm. Im Vordergrund standen jedoch die mit den Gewittern verbundenen kräftigen Böen, die vielerorts Sturm-, teilweise auch größere Stärken erreichten. Im schwäbische Harburg (Bayern) konnte zwischen 21 und 22 Uhr MESZ eine Orkanböe mit 130 km/h verzeichnet werden, in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) an der Station einer privaten Wetterfirma 100 km/h. Sturmböen meldete in dieser Stunde auch der Stuttgarter Flughafen (87 km/h).

Satellitenbilder vom 30.06.2012 | Quelle: sat24.com
30.06.2012, 15:00 MESZ 30.06.2012, 18:00 MESZ 30.06.2012, 21:00 MESZ 30.06.2012, 24:00 MESZ

Derweil hatten sich, ausgehend vom Zentralmassiv und vom Rhonetal, auch über dem Osten Frankreichs multizellulare Gewitter formiert. Sie griffen gegen 22 Uhr MESZ auf den Westen Baden-Württembergs über und schlossen sich im weiteren Verlauf mit dem MCS zu einer ausgeprägten Gewitterzone zusammen, die gegen Mitternacht von der Nordschweiz über den Nordwesten Baden-Württembergs, Teile Hessens und Nordbayern bis nach Thüringen reichte. In Ergersheim-Neuherberg, bei Rothenburg ob der Tauber in Franken (Bayern) gelegen, wurden zwischen 22 und 23 Uhr MESZ 115 km/h gemessen; mit 104 km/h erwischte es zum zweiten Mal an diesem Tag den Raum Feuchtwangen/Heilbronn (Bayern) heftig. Zwischen 23 und 24 Uhr MESZ überquerten die aus dem Elsass nordostwärts ziehenden Gewitter, die eine linienartige Form ausbildeten, den Oberrheingraben; an der Uni Heidelberg konnte dabei eine orkanartige Böe (109 km/h) notiert werden.

Die Gewitter waren im Bereich der diagonal über Kontinentaleuropa ausgerichteten Luftmassengrenze entstanden. Die außergewöhnlich warme (Temperaturen in 850 hPa bis +25 °C über dem Süden Bayerns) und feuchte (Taupunkte örtlich +23 °C) Luftmasse subtropischer Herkunft begünstigte mit einer daraus resultierenden konvektiven verfügbaren potenziellen Energie (CAPE) von großflächig zum Teil deutlich mehr als 1000 J/kg die Entwicklung bis in große Höhe reichender Gewitterzellen. Die Auslösung der Zellen erfolgte zum einen durch konvergente Strömungsmuster am Boden im Umfeld einer an der Luftmassengrenze nordostwärts wandernden flachen Welle, zum anderen durch überlagerte großräumige Hebung, initiiert durch einen auf der Vorderseite eines ostatlantischen Langwellentroges nordostwärts schwenkenden Kurzwellentrog. Eine große vertikale Windscherung in Bezug auf Richtung und Geschwindigkeit - in 500 hPa wurden mittlere Windgeschwindigkeiten bis 55 kt (102 km/h) analysiert - schuf die Voraussetzungen für die Entwicklung schwerer Gewitter inklusive einiger Superzellen.

24-stg. Niederschlagsmengen in Mitteleuropa, 30.06., 6 UTC bis 01.07.2012, 6 UTC | Quelle: DWD JavaMAP

Die Unwetter richteten vor allem in Baden-Württemberg und Bayern schwere Schäden in Millionenhöhe an. Mindestens 17 Menschen wurden verletzt, in Bayern wurde eine Autofahrerin in ihrem Wagen von einem umstürzenden Baum erschlagen.
Allein 10 Menschen wurden im Landkreis Heidenheim in Baden-Württemberg verletzt, als kräftige Böen die Zelte eines Rockfestivals zerstörte und Gegenstände umherflogen. Ein Teil der rund 6.000 Besucher musste die Nacht in Turnhallen verbringen. Auf der Schwäbischen Alb wurden zahlreiche Bäume entwurzelt, vielerorts kam es zu Stromausfällen. Besonders betroffen waren die Landkreise Biberach und Reutlingen. Einige Straßen waren blockiert und mussten zeitweilig gesperrt werden. In der Nähe von Bad Urach wehte der Sturm ein ganzes Gartenhaus auf eine Bundesstraße.
In Gundelfingen (Bayern) entstanden durch kräftige Böen Schäden an der Kulisse einer Freilichtbühne. Eine Frau wurde durch umherfliegende Gegenstände verletzt. In der Nähe von Donauwörth brannte eine Trocknungsanlage für Getreide, es entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Auf einer weiteren Freilichtveranstaltung kamen in Oettingen im Kreis Donau-Ries 10 Personen zu Schaden. Nach Windbruch musste die Bahnstrecke zwischen Ulm und Memmingen gesperrt werden, weitere Störungen gab es auf der Verbindung Augsburg-Ulm.
Auch aus Sachsen wurden schwere Schäden durch Sturm und Starkregen gemeldet. Umgestürzte Bäume und überflutete Straßen gab es unter anderem in Zwickau. Im Vogtlandkreis wurde ein Festzelt von einer kräftigen Windböe angehoben und sicherheitshalber geräumt. Verletzt wurde niemand.
In Berlin verzeichnete die Feuerwehr in der zweiten Nacht in Folge zahlreiche unwetterbedingte Einsätze. Durch Blitzschläge kam es zu mehreren Bränden.

Extreme Hitze mit Höchsttemperaturen über +35 °C trat weiterhin im südlichen Mitteleuropa und in Südeuropa auf. Im südfranzösischen Carpentras wurde ein Höchstwert von +38,3 °C gemessen; an den österreichischen Stationen Bad Deutsch-Altenburg in Niederösterreich und Wien / Innere Stadt mit jeweils +37,7 °C die höchste jemals in Österreich im Juni gemessene Temperatur erzielt. Die bisherigen Rekordwerte stammten aus dem Jahr 2000 mit +37,2 °C in Langenlebarn und Unterretzbach (beide Niederösterreich). Rekorde auf Bundeslandebene gab es in Tirol mit +36,6 °C in Imst, im Burgenland mit +37,4 °C in Neusiedl/See und in Vorarlberg mit +36,1 °C in Bludenz. Ein bemerkenswerter Rekord wurde auf dem 3.109 Meter hohen Sonnblick im Bundesland Salzburg aufgestellt: Ein Maximum von +15,3 °C bedeutete einen neuen Höchstwert in der seit 1886 bestehenden Temperaturmessreihe.

Niederschlagsradarbilder vom 30.06.2012 | Quelle: DWD
30.06.2012, 15:00 MESZ 30.06.2012, 18:00 MESZ 30.06.2012, 21:00 MESZ 30.06.2012, 24:00 MESZ
Blitzkarten vom 30.06.2012 | Quelle: DWD
30.06.2012, 14-15 MESZ 30.06.2012, 17-18 MESZ 30.06.2012, 20-21 MESZ 30.06.2012, 23-24 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 30.06.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 01.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 30.
Mostar (BIH)
Carpentras (F)
Ferrara (16133) (I)
Murcia/Alcantarilla (E)
Podgorica-Grad (CG)
Rheinstetten (BW)
38,5 °C
38,3 °C
38,2 °C
37,8 °C
37,8 °C
31,3 °C
Ort 30./01.
Obersulm-Wilsbach (BW)
Brück-Gömnigk (BB)
Burgbernheim (BY)
Deggenhausertal-Azenweiler (BW)
Singen (BW)
Rheinstetten (BW)
45 mm
43 mm
39 mm
39 mm
39 mm
20 mm



Sonntag, 01.07.2012

In der Nacht zum 01.07. zog der am Vorabend entstandene MCS nordostwärts und erfasste auch die östlichen Teile Deutschlands. Die größte 1-stündige Niederschlagsmenge wurde zwischen 2 und 3 Uhr MESZ an der Station Brück-Gömnigk in Brandenburg mit 40 mm gemessen, an zahlreichen Orten traten Sturm- vereinzelt auch schwere Sturmböen auf (z. B. Erfurt/Flgh. und Hof je 90 km/h). Auf dem Fichtelberg im Erzgebirge wurde zwischen 1 und 2 Uhr MESZ eine Orkanböe mit 148 km/h registriert. Während eines Heavy-Metal-Festivals im sächsischen Roitzschjora schlug ein Blitz auf dem Gelände ein, dabei wurden 51 Menschen verletzt.

Derweil breiteten sich die gesamte Nacht über und in den Frühstunden weitere Gewitter von der Schweiz her über den Bodenseeraum und entlang der Schwäbischen Alb nach Nordosten aus. In Schwenningen im Kreis Sigmaringen fielen zwischen 8 und 9 Uhr MESZ 20 mm Regen. Im Tagesverlauf jedoch wurde die sehr warme und feuchte Luftmasse allmählich nach Südosten abgedrängt und in weiten Teilen Deutschlands durch mäßig warme Atlantikluft ersetzt. Somit beschränkte sich die Gewittertätigkeit auf den Südosten Baden-Württembergs und den Süden und die Mitte Bayerns. Erneut von der Schweiz her aufkommend zog am frühen Nachmittag eine kräftige Zelle über den Bodenseeraum und Oberschwaben und im weiteren Verlauf quer über Bayern hinweg zum Bayerischen Wald und zur tschechischen Grenze. Zum frühen Abend entwickelten sich heftige Gewitter über dem Norden Österreichs; die Zugbahn führte die sich zu einem MCS vereinigenden Zellen im weiteren Verlauf nach Tschechien. Aus Kuchařovice im Süden des Landes wurden im Zusammenhang damit orkanartige Böen bis 112 km/h gemeldet.

24-stg. Niederschlagsmengen in Mitteleuropa, 01.07., 6 UTC bis 02.07.2012, 6 UTC (Zoom SW-Deutschland) | Quelle: DWD JavaMAP

Im Süden und Südosten Europas setzte sich die Hitzewelle fort. In Herzegowina (z. B. Mostar +39,3 °C) und Italien (z. B. Perugia Sant'Egidio Flgh. +39,0 °C) wurden verbreitet Höchstwerte von deutlich mehr als +35 °C erreicht.

Niederschlagsradarbilder vom 01.07.2012 | Quelle: DWD
01.07.2012, 03:00 MESZ 01.07.2012, 09:00 MESZ 01.07.2012, 15:00 MESZ 01.07.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 01.07.2012 | Quelle: DWD
01.07.2012, 02-03 MESZ 01.07.2012, 08-09 MESZ 01.07.2012, 14-15 MESZ 01.07.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 01.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 02.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 01.
Ferrara (16133) (I)
Mostar (BIH)
Perugia Sant'Egidio Flgh. (I)
Pazin (HR)
Baja (H)
Rheinstetten (BW)
39,7 °C
39,3 °C
39,0 °C
38,6 °C
38,4 °C
19,4 °C
Ort 01./02.
Schwenningen, Kr. Sigmaringen (BW)
Meßstetten (BW)
Blumberg-Randen (BW)
Geisingen (BW)
Hohenstein-Bernloch (BW)
Rheinstetten (BW)
48 mm
44 mm
44 mm
43 mm
40 mm
3 mm



Montag, 02.07.2012

Am 02.07. gelangte der Südosten Bayerns erneut in den Bereich der wieder nordwärts an Raum gewinnenden warmen und sehr feuchten Subtropikluft. Abgesehen von einzelnen inneralpinen Entwicklungen tat sich an diesem Tag lange Zeit wenig in Sachen Gewitteraktivität in Mitteleuropa, zwischen 17 und 18 Uhr MESZ jedoch entstanden dann im Osten Bayerns rasch linienförmig angeordnete Gewitterzellen. Regensburg wartete zwischen 18 und 19 Uhr MESZ mit 22 mm Niederschlag auf; zwei Stunden später kam Loiching, etwa 25 Kilometer nordöstlich von Landshut gelegen, auf 42 mm.

Unterdessen hatten sich entlang der bayerisch-tschechischen Grenze weitere intensive Zellen entwickelt, die sich zu einem eindrucksvollen MCS organisierten und Kurs auf das nordwestliche Tschechien und Sachsen nahmen. In Lohmen in Sachsen fielen zwischen 21 und 22 Uhr MESZ 50 mm, in Boxberg und Lichtenhain-Mittelndorf eine Stunde später jeweils 32 mm. In den Landkreisen Bautzen und Görlitz wurden Gullydeckel von den Wassermassen angehoben, in Pirna musste die Feuerwehr Keller und Garagen auspumpen. Wegen einer Schlammlawine war eine Staatsstraße in der Sächsischen Schweiz unpassierbar.

24-stg. Niederschlagsmengen in Mitteleuropa, 02.07., 6 UTC bis 03.07.2012, 6 UTC (Fokus Sachsen) | Quelle: DWD JavaMAP

Höchsttemperaturen von verbreitet mehr als +35 °C konnten auch an diesem Tag wieder im Süden und Südosten Europas gemessen werden. Am heißesten wurde es im italienischen Ferrara mit +40,2 °C.

Niederschlagsradarbilder vom 02.07.2012 | Quelle: DWD
02.07.2012, 15:00 MESZ 02.07.2012, 18:00 MESZ 02.07.2012, 21:00 MESZ 02.07.2012, 24:00 MESZ
Blitzkarten vom 02.07.2012 | Quelle: DWD
02.07.2012, 14-15 MESZ 02.07.2012, 17-18 MESZ 02.07.2012, 20-21 MESZ 02.07.2012, 23-24 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 02.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 03.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 02.
Ferrara (16133) (I)
Ferrara (16138) (I)
Podgorica-Grad (CG)
Treviso/Istrana (I)
Mostar (BIH)
Rheinstetten (BW)
40,2 °C
39,4 °C
38,6 °C
38,2 °C
38,1 °C
21,5 °C
Ort 02./03.
Lohmen (SN)
Bad Muskau (SN)
Boxberg (SN)
Lichtenhain-Mittelndorf (SN)
Loiching (BY)
Rheinstetten (BW)
69 mm
59 mm
59 mm
45 mm
48 mm
2 mm



Dienstag, 03.07.2012

Weitgehend gewitterfrei verlief der 03.07. unter schwachem Zwischenhocheinfluss in weiten Teilen West- und Mitteleuropas. Im Tagesverlauf heftige Gewitter entwickelten sich im Umfeld der von den Ostalpen über Osteuropa bis in den Nordwesten Russlands reichenden Luftmassengrenze. Churáñov im Westen Tschechiens meldete eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 73 mm, in Polom im Norden des Landes fielen in der gleichen Zeitspanne bis zum Folgetag um 6 UTC 52 mm. In Deutschland beschränkte sich die Gewittertätigkeit auf den unmittelbaren Alpenrand, wo im Laufe des Abends ein mit Gewittern durchsetztes Niederschlagsgebiet nordostwärts zog. Dieses wurde durch einen recht markanten kurzwelligen Höhentrog initiiert, auf der Zugspitze konnten 36 mm binnen 24 Stunden gemessen werden.

Südöstlich der Luftmassengrenze hatte die Hitze weiterhin Bestand; in Neusiedl im Burgenland wurde ein Höchstwert von +37,8 °C registriert. Die heißeste Station in Europa an diesem Tag lag im italienischen Apulien: Am Militärflugplatz von Amendola, einem Stadtteil von Manfredonia, stieg das Quecksilber bis auf +38,6 °C. Ähnlich heiß wurde es im Süden Spaniens, wohin ein neuer Vorstoß subtropischer Warmluft gelangte. Der Flughafen Córdoba meldete ein Maximum von +38,2 °C.

Satellitenbilder vom 03.07.2012 | Quelle: sat24.com
03.07.2012, 03:00 MESZ 03.07.2012, 09:00 MESZ 03.07.2012, 15:00 MESZ 03.07.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 03.07.2012 | Quelle: DWD
03.07.2012, 02-03 MESZ 03.07.2012, 08-09 MESZ 03.07.2012, 14-15 MESZ 03.07.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 03.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 04.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 03.
Amendola (I)
Córdoba/Flgh. (E)
Neusiedl (A)
Pápa (H)
Tata (H)
Rheinstetten (BW)
38,6 °C
38,2 °C
37,8 °C
37,4 °C
37,3 °C
23,3 °C
Ort 03./04.
Zugspitze (BY)
Klippeneck (BW)
Pressath-Mühlberg (BY)
Blumberg-Randen (BW)
Wolfach (BW)
Rheinstetten (BW)
36 mm
27 mm
24 mm
21 mm
20 mm
<1 mm



Mittwoch, 04.07.2012

Auch am 04.07. waren die Gewitter in Deutschland an einen von Südwesten heranschwenkenden kurzwelligen Höhentrog gekoppelt und zogen am frühen Abend aus den Alpen heraus nach Baden-Württemberg und Bayern. Zuvor war auf der Vorderseite eines sich bei den Britischen Inseln etablierenden Tiefs ("Mina") erneut feuchtwarme Luft nach West- und Mitteleuropa gelangt. In Friedrichshafen am Bodensee fiel an der Station einer privaten Wetterfirma eine Niederschlagsmenge von 33 mm innerhalb einer Stunde, im bayerischen Aschau-Stein waren es zwischen 21 und 22 Uhr MESZ 27 mm.

Im Vorfeld der Okklusion von "Mina" bildete sich am Nachmittag über der Mitte Frankreichs eine Konvergenzlinie aus, entlang derer sich ebenfalls kräftige Gewitter formierten. Im belgischen Gent fielen 20 mm.

Vorübergehend nicht ganz so heiß wurde es an diesem Tag im Südosten Europas, dennoch konnten wieder flächendeckend Temperaturen über +35 °C gemessen werden (z. B. Budapest/Lorinc (H) +35,9 °C).

Satellitenbilder vom 04.07.2012 | Quelle: sat24.com
04.07.2012, 15:00 MESZ 04.07.2012, 18:00 MESZ 04.07.2012, 21:00 MESZ 04.07.2012, 24:00 MESZ
Blitzkarten vom 04.07.2012 | Quelle: DWD
04.07.2012, 14-15 MESZ 04.07.2012, 17-18 MESZ 04.07.2012, 20-21 MESZ 04.07.2012, 23-24 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 04.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 05.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 04.
Rousse (BG)
Córdoba/Flgh. (E)
Sevilla/San Pablo Flgh. (E)
Mostar (BIH)
Siófok (H)
Rheinstetten (BW)
38,0 °C
37,3 °C
37,0 °C
37,0 °C
37,0 °C
28,0 °C
Ort 04./05.
Tacherting-Spreit (BY)
Trostberg (BY)
Pressath-Mühlberg (BY)
Möhrendorf-Kleinseebach (BY)
Kaiserbach-Cronhütte (BW)
Rheinstetten (BW)
35 mm
34 mm
34 mm
29 mm
28 mm
-



Donnerstag, 05.07.2012

Zusammen mit dem Höhentrog verlagerten sich die am Vorabend entstandenen Gewitter während der Nacht zum 05.07. zur Mitte Deutschlands nordwärts und hinterließen örtlich weiterhin große Regenmengen. In Pressath-Mühlberg in der Oberpfalz (Bayern) gingen zwischen 5 und 6 Uhr MESZ 35 mm nieder. Am frühen Morgen lag der aus mehreren Teilen bestehende Gewitterkomplex über einigen Regionen Hessens, Nordbayerns und Thüringens. An mehreren Stationen wurden zwischen 8 und 9 Uhr MESZ zweistellige Niederschlagsmengen gemessen, ehe sich das System im Laufe des Vormittags allmählich abschwächte.

Hagel in Schlehdorf (BY).
Quelle: Walter Stieglmair, www.sturmwetter.de
Dafür entwickelten sich im Westen Deutschlands verbreitet neue kräftige Gewitter, die örtlich große Regenmengen hervorbrachten (z. B. Simmern-Wahlbach/RP 46 mm zwischen 11 und 12 Uhr MESZ). Die tagesgangbedingte starke Erwärmung der unteren Luftschichten sowie die durch den überlagerten Höhentrog bereitgestellten Hebungsantriebe ließen den Bodendruck sinken, so dass sich, ausgehend von Tief "Mina", eine zonal ausgerichtete und über Frankreich und die Mitte Deutschlands zum östlichen Mitteleuropa verlaufende Tiefdruckrinne ausbilden konnte. Verteilt über einen großen Teil des europäischen Kontinentes entwickelten sich am Nachmittag Gewitter, wobei sich aus zentraleuropäischer Sicht zwei Schwerpunkte herauskristallisierten. Zum einen konzentrierte sich die Gewitteraktivität in der Nähe der allmählich ostwärts vorrückenden Okklusion von "Mina" und einer vorgelagerten Konvergenz von Süd- über Ostfrankreich bis nach Benelux und im Westen Deutschlands. Andererseits formierte sich über dem Osten Deutschlands ein zunächst aus mehreren intensiven Einzelzellen bestehender Komplex, der zum Abend in einem MCS aufging. Lübben-Blumenfelde im Spreewald (Brandenburg) registrierte zwischen 20 und 21 Uhr MESZ die bis dahin größte Niederschlagsmenge in Deutschland während der gesamten Gewitterepisode mit 62 mm in nur 60 Minuten, nicht wenige weitere Stationen kamen auf 30 mm und mehr. Im benachbarten Polen verzeichnete Zielona Góra 54 mm bis zum Folgetag um 6 UTC. Unterdessen zogen am Abend aus der Schweiz neue kräftige Gewitter nach Baden-Württemberg; Hermaringen-Allewind im Landkreis Heidenheim stach mit 33 mm zwischen 22 und 23 Uhr MESZ hervor, im Süden Bayerns kam es örtlich zu schwerem Hagelschlag. In Schlehdorf (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) bedeckten Hagelmassen Straßen und Wege (s. Foto).

24-stg. Niederschlagsmengen in Mitteleuropa, 05.07., 6 UTC bis 06.07.2012, 6 UTC | Quelle: DWD JavaMAP

Überflutungen in Rochlitz (SN).
Quelle: Guido Richter
Besonders schwere Schäden richteten die Unwetter im sächsischen Rochlitz, etwa 25 Kilometer nördlich von Chemnitz, an (s. Foto). Dort spülte eine Flutwelle einen kompletten Platz weg; zahlreiche Straßen standen unter Wasser, Autos wurden weggeschwemmt. Auch aus Chemnitz und anderen Ortschaften lagen Berichte über überflutete Straßen vor. In Trier (Rheinland-Pfalz) zogen sich noch am Folgetag Schlammspuren durch die Straßen, örtlich stand hier das Wasser mehr als einen halben Meter hoch. Zahlreiche Keller mussten von der Feuerwehr leergepumpt werden. Ein ähnliches Schadensbild ergab sich in einigen Regionen Baden-Württembergs. Im Alb-Donau-Kreis brach, nachdem das Wohnzimmer voll Wasser gelaufen war, die Hauswand eines Wohnhauses ein. Der Sachschaden wurde auf 50.000 Euro geschätzt.

In wieder etwas verschärfter Form trat die Hitzewelle in Südosteuropa auf, die Höchsttemperaturen lagen verbreitet über +35 und gebietsweise bei nahe +40 °C. In der ungarischen Hauptstadt Budapest (Lorinc) betrug der Höchstwert an diesem Tag +37,1 °C.

Niederschlagsradarbilder vom 05.07.2012 | Quelle: DWD
05.07.2012, 03:00 MESZ 05.07.2012, 09:00 MESZ 05.07.2012, 15:00 MESZ 05.07.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 05.07.2012 | Quelle: DWD
05.07.2012, 02-03 MESZ 05.07.2012, 08-09 MESZ 05.07.2012, 13:50-14:50 MESZ 05.07.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 05.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 06.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 05.
Demir Kapija (MK)
Paks (H)
Gevgelija (MK)
Sandanski (BG)
Ćuprija (SRB)
Rheinstetten (BW)
38,8 °C
38,7 °C
38,6 °C
38,2 °C
38,2 °C
28,5 °C
Ort 05./06.
Strauch (SN)
Heyda bei Riesa (SN)
Lübben-Blumenfelde (BB)
Elsterwerda (BB)
Remptendorf (TH)
Rheinstetten (BW)
75 mm
69 mm
67 mm
67 mm
65 mm
1 mm



Freitag, 06.07.2012

Zum 06.07. formierte sich das Zentrum von "Mina" über den Britischen Inseln neu. Dabei übernahm ein aus der Tiefdruckrinne hervorgehendes Druckminimum die Rolle des neuen Kerns. An dessen Südflanke drang im Tagesverlauf kühlere, jedoch weiterhin warme Atlantikluft über Frankreich bis zur Mitte Deutschlands vor. Die bisherige Okklusion wurde in die Zirkulation des neuen Tiefzentrums einbezogen und fortan wieder als Kaltfront markiert.

Während der Nachtstunden waren Gewitter und mit Gewittern durchsetzte Regenfälle vor allem im Südwesten und Nordosten Deutschlands aktiv. Größere Niederschlagsmengen wurden zwischen 2 und 3 Uhr MESZ an den Stationen Sachsenheim (BW, 34 mm), Winterfeld-Sallenthin (SA, 25 mm) und Rheinau-Memprechtshofen (BW, 21 mm) gemessen. Neue schauerartige und nicht-gewittrige Regenfälle kündigten am Morgen in Baden-Württemberg die nahende Kaltfront an, mit der sich in diesen Regionen ein Luftmassenwechsel vollzog und die Gewittergefahr für diesen Tag gebannt war. Erste Neubildungen fanden gegen 10 Uhr MESZ in der Grenzregion zwischen Bayern und Thüringen statt, zum Nachmittag zogen die Zellen Richtung Sachsen. Zuvor fielen am Flughafen Gera 26 mm innerhalb einer Stunde; binnen zwei Stunden 59 mm verzeichnete Helmstedt-Emmerstedt in Niedersachsen, wo sich ebenso ein markanter Cluster entwickelte. Am Abend gingen kräftige Gewitter vor allem über dem Norden und Osten Deutschlands nieder, doch auch im südlichen Schwaben und Oberbayern entwickelten sich aus den Alpen heraus neue Zellen (z. B. Seeg (Kläranlage) 23 mm). Kräftige Gewitter entluden sich einmal mehr auch im östlichen und südlichen Mitteleuropa sowie in Osteuropa. Čáslav (Tschechien) meldete bis zum Folgetag, 6 UTC eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 47 mm, Magadino-Cadenazzo im Tessin (Schweiz) sogar 64 mm.

24-stg. Niederschlagsmengen in Mitteleuropa, 06.07., 6 UTC bis 07.07.2012, 6 UTC | Quelle: DWD JavaMAP

Durch die Unwetter kamen deutschlandweit vier Menschen ums Leben, mindestens 20 wurden verletzt. In Heidenau bei Dresden erschlug der Blitz ein neunjähriges Mädchen, das sich am frühen Abend während eines Gewitters in der Nähe eines Baumes auf einem Schwimmbadgelände aufgehalten hatte. Ebenfalls durch einen Blitz getötet wurde ein 64-jähriger Mann in Neusalza-Spremberg in Sachsen; er hatte unter einem Carport Schutz gesucht, als ein Blitz in einen danebenstehenden Baum einschlug und über das Wellblechdach des Carports auf den Mann übersprang. In Laußnitz, etwa 25 Kilometer nordöstlich der sächsischen Landeshauptstadt, wurde ein 23-jähriger Mann in seinem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen; im niedersächsischen Lüneburg traf ein morscher Baum eine Radfahrerin und verletzte diese tödlich. Ein weiteres Unglück ereignete sich im Berchtesgadener Land, wo 15 Personen einer Wandergruppe nach einem Blitzschlag in die Steighilfe eines Klettersteigs verletzt wurden und von der Bergwacht ins Tal gebracht werden mussten. In Raisting in Südbayern brach ein Festzelt infolge kräftiger Böen zusammen und verletzte 5 Menschen. Der Sachschaden wurde auf 50.000 Euro geschätzt.

Mit Blick auf die vorangegangenen Tage fast schon gewohnt heiß blieb es im Südosten Europas, auch in Wien (Station Innere Stadt) wurde wieder ein Höchstwert über +35 °C gemessen.

Niederschlagsradarbilder vom 06.07.2012 | Quelle: DWD
06.07.2012, 03:00 MESZ 06.07.2012, 09:00 MESZ 06.07.2012, 15:00 MESZ 06.07.2012, 21:00 MESZ
Blitzkarten vom 06.07.2012 | Quelle: DWD
06.07.2012, 02-03 MESZ 06.07.2012, 08-09 MESZ 06.07.2012, 14-15 MESZ 06.07.2012, 20-21 MESZ

Die fünf höchsten Maxima am 06.07.2012 in Europa (links) sowie die fünf größten 24-stg.
Niederschlagsmengen bis zum 07.07., 6 UTC in Deutschland an DWD-Stationen (rechts).

Quelle: DWD
Ort 06.
Ćuprija (SRB)
Demir Kapija (MK)
Gevgelija (MK)
Sandanski (BG)
Baja (H)
Rheinstetten (BW)
38,7 °C
38,6 °C
38,5 °C
38,4 °C
38,4 °C
23,9 °C
Ort 06./07.
Lichtantenne (SN)
Helmstedt-Emmerstedt (NDS)
Rathebur (MV)
Dürrhennersdorf (SN)
Ponitz (TH)
Rheinstetten (BW)
68 mm
59 mm
46 mm
44 mm
40 mm
1 mm


Text: CE



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