Während große Teile West- und Südwesteuropas im Spätwinter und im noch jungen Frühjahr 2012 unter langanhaltender Trockenheit
leiden, konnten in den letzten Wochen im zentralen, im südlichen und auch im östlichen Mittelmeerraum deutlich mehr Niederschläge
als üblich verzeichnet werden. Zum 9. März entwickelte sich über Nordafrika und der Großen Syrte ein kräftiges Tiefdruckgebiet,
welches für Sturm und für erneute gewittrige Starkniederschläge über den südlichen Mittelmeeranrainern sorgte. Infolge von heftigen
Windböen, Hagel und Überflutungen entstanden größere Schäden, an der Sizilianischen Küste lief ein unbeladener Öltanker
auf Grund.
Wetterlage und Situation über Europa
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Abweichung Regen Europa, Feb. 2012
Quelle: NOAA |
Der vergangene Winter 2011/2012 stand in Westeuropa unter dem Zeichen einer langanhaltenden Trockenperiode, deren Folgen
bis heute vor allem Großbritannien zu spüren bekommt (siehe Artikel). Auch im
Südwesten Europas regnete es sehr wenig. Über großen Teilen der Iberischen Halbinsel sowie über Frankreich blieb die
Niederschlagsmenge im vergangenen Februar über 75 % hinter dem klimatologischen Mittel zurück (siehe linke Grafik).
Spanien erlebte den trockensten Winter seit 40 Jahren.
Die zunehmende Trockenheit äußerte sich in Portugal und Spanien in zahlreichen Waldbränden, akute Probleme in der Landwirtschaft und bei
der Trinkwasserversorgung bleiben hier angesichts der noch gut gefüllten Speicherseen aber vorerst noch aus. Grund für
die flächendeckende Regenarmut war ein in den zurückliegenden Monaten häufig ausgebildeter und mächtig aufgewölbter Höhenrücken
über dem Ostatlantik, welcher Niederschlagsgebiete von West- und Südwesteuropa weitgehend fernhielt. Als Pendant dazu begünstigt solch ein
Höhenrücken eine stromabwärtige Austrogung der Höhenströmung über dem zentralen, dem südlichen und dem östlichen
Mittelmeerraum. Teilweise weit bis nach Nordafrika vorstoßend, kommen vorderseitig der Höhentröge mitunter kräftige Zyklogenesen
in Gang, die in ihrem Umfeld für erhöhte Niederschlagsaktivität sorgen. Dies war auch zum 09.03. der Fall, als sich ein
umfangreicher Höhentrog bis nach Mali und Niger erstreckte. Auf seiner Vorderseite entwickelte sich noch über der Nordsahara
ein Tiefdruckgebiet, das unter Verstärkung nordwärts zur Großen Syrte zog und am 10.03. einen Kerndruck unter 1000 hPa aufwies.
Das in dieser Region mit etwa 15 °C noch recht warme Mittelmeerwasser stellte für das Tief eine ideale Feuchtequelle
dar. Verbunden mit einer darüber labil geschichteten Atmosphäre waren dort gute Bedingungen für die Entstehung kräftiger und
gewittriger Regenfälle vorzufinden.
Geopotential und Bodendruck | Quellen: Wetterzentrale, wetter3.de |
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09.03.2012, 00 UTC |
10.03.2012, 00 UTC |
11.03.2012, 00 UTC |
Satellitenbilder (MSG IR) | Quelle: B. J. Burton |
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09.03.2012, 12 UTC |
10.03.2012, 12 UTC |
11.03.2012, 12 UTC |
Unterstützend für die Bildung ergiebiger Niederschläge war, dass durch das extrem südliche Entstehungsgebiet des Tiefs sehr
warme Luft subtropischen Ursprungs in die Zirkulation miteinbezogen wurde. Diese warme Luftmasse konnte, über das Wasser
streichend, viel Feuchte aufnehmen, welche als Starkregen andernorts im südlichen Mittelmeerraum wieder ausfiel. Da auf der
Nordhalbkugel die Tiefdruckgebiete zyklonal, also gegen den Uhrzeigersinn umströmt werden, gelangte auf der Ostseite des
Systems sehr warme oder gar heiße Luft bis in den Norden Libyens und Ägyptens. Am 11.03. wurde in der ägyptischen Hauptstadt
Kairo eine Tageshöchsttemperatur von 32,6 °C gemessen, zwar ein Wert deutlich unter dem Monatsrekord, aber dennoch über 10 °C wärmer als
klimatologisch gesehen zu dieser Jahreszeit üblich. Anders sah es an diesem Tag in den südlicher gelegenen Orten Asyut und Assuan
aus, wo Höchstwerte jenseits der 40 °C registriert wurden. In Asyut zeigte das Quecksilber ein Maximum von 41,2 °C. Seit
Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1957 sind dort im März solch hohe Temperaturen über 40 °C selten. Ähnlich heiß war es in Asyut
zuletzt nur im Jahr 2008. Assuan beobachtete am 11.03. einen Höchstwert von 41,0 °C, nur unweit entfernt vom Monatsrekord von
43 °C. Rückseitig des Tiefs floss Kaltluft ein, in der die Temperaturen in Teilen Algeriens und Tunesiens kaum über 10 °C hinaus
kamen. Am 10.03. wurde im algerischen Guelma auf 228 Meter Seehöhe ein Tageshöchstwert von nur 10,5 °C erreicht.
Temperaturen im Mittelmeerraum und bodennahe Staubkonzentration |
Quellen: Wettergefahren-Frühwarnung, University of Athens |
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Temperaturen, 10.03., 12 UTC |
Temperaturen, 11.03., 12 UTC |
Staubkonzentration [µg/m³] |
Durch das heranreifende Tiefdruckgebiet bauten sich große Luftdruckgegensätze auf und der Wind lebte kräftig auf. Sturmböen
über der tunesischen und libyschen Wüste wirbelten große Sand- und Staubmengen auf, die weit auf das Mittelmeer hinaus
verfrachtet wurden. Auf Satellitenbildern war im sichtbaren Kanal (VIS) der Saharastaub als gelbbraune Färbung erkennbar, auch
die Staubvorhersage der Universität Athen zeigte hohe Konzentrationswerte im südlichen Mittelmeerraum. Von der Insel Lampedusa,
vor der Küste Tunesiens gelegen, wurde über mehrere Stunden hinweg ein Sandsturm gemeldet.
Niederschläge, Sturm und Schäden
Schäden und Eindrücke aus Sizilien | Quelle: youreporter.it |
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Siracusa, 11.03. |
Riposto bei Catania, 10.03. |
Wasserhose bei Catania, 10.03. |
Ort |
Niederschlag |
Mezzo Gregorio (I) Caltagirone (I) Lampedusa (I) Gela (I) Siracusa (I) Medenine (TN) Souk Ahras (DZ) |
174 mm 150 mm 130 mm 91 mm 80 mm 64 mm 60 mm |
24-h-Regensummen, 09.-11.03.
Quellen: DWD, ESSL, ogimet.com, centrometeosiciliano.com |
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Schwere und mit Gewittern begleitete Regenfälle entluden sich besonders über Algerien, Tunesien, Malta und Sizilien. Die größte
Niederschlagsmenge binnen eines Tages kam in Mezzo Gregorio mit 174 mm zustande. Auf Lampedusa regnete es in 24 Stunden
130 mm. Normalerweise wären dort im gesamten Monat März im langjährigen Mittel nur 24 mm zu erwarten. Infolge der heftigen
Regenfälle gab es häufig Überschwemmungen und Erdrutsche, mancherorts wurden Straßen unterspült und Bäche und Flüsse traten
über die Ufer. Über Sizilien ging in Verbindung mit kräftigen Gewittern schadenträchtiger Hagel mit Korngrößen über 2 cm nieder.
Im weiteren Verlauf schneite es in der Ätnaregion ergiebig und in der eingeflossenen Kaltluft summierten
sich beträchtliche Neuschneemengen. Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten, zahlreiche Einwohner mussten evakuiert werden.
Durch heftige Windböen wurden bevorzugt in den Küstenregionen Siziliens und Tunesiens sowie auf Malta Bäume entwurzelt und
Überlandleitungen gekappt. In Gela und Bonifati fegten Orkanböen über 120 km/h hinweg. Mehrere Wasserhosen gingen an Land und
richteten Schäden an. Hoher Wellengang von strichweise über 8 Metern beschäftigte die Küstenbewohner und die Schifffahrt,
an der Sizilianischen Küste lief ein unbeladener Öltanker auf Grund. Auf Malta kam durch die stürmische See ein Mensch ums Leben.
Text: DK 12. März 2012
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