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Sonntag, 19. Februar 2012, 23:45 MEZ


Rekordkälte, Starkschneefälle

Europa
29.01.-12.02.2012


Satellitenbilder: 11.02.2012, 12:54 UTC (links)
und 11:13 UTC (rechts), NOAA-19 VIS
Quelle: B. J. Burton

Nach zwei überdurchschnittlich milden ersten Wintermonaten stellte sich Ende Januar / Anfang Februar 2012 in weiten Teilen Europas eine außergewöhnlich kalte Witterungsphase ein. Im Osten und in den zentralen Regionen des Kontinents herrschte mehr als eine Woche lang vielerorts strenger Dauerfrost, in den Nächten sanken die Temperaturen häufig unter -20 °C. Heftige Schneefälle gingen rund um das zentrale und östliche Mittelmeer nieder. In Folge der Kälte kamen europaweit mehr als 300 Menschen ums Leben.


Wetterlage und Entwicklung

Die nachhaltige Umstellung weg von der bis dahin in diesem Winter dominierenden Westströmung und hin zu einer Nordostlage wurde im Laufe der letzten Januardekade in die Wege geleitet. Über dem westlichen Teil Russlands hatte sich ein kräftiges und umfangreiches Hochdruckgebiet etabliert, das am 24.01. auf den Namen "Cooper" getauft wurde. Es verlagerte sich in westliche Richtung und konnte am 29.01. mit einem maximalen Luftdruck von mehr als 1060 hPa über den baltischen Staaten ausgemacht werden. In seiner Umgebung war zunächst nur moderat kalte Festlandsluft vorzufinden; bei "Cooper" handelte es sich um ein höhenwarmes Hoch mit einem korrespondierenden Geopotentialmaximum in der mittleren und oberen Troposphäre.

Bodendruckanalysen vom 25., 27., 29. und 31.01.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
25.01.2012, 00 UTC 27.01.2012, 00 UTC 29.01.2012, 00 UTC 31.01.2012, 00 UTC
500-hPa-Geopotential und Bodendruck (Europa/Nordatlantik) vom 25., 27., 29. und 31.01.2012 | Quelle: Wetterzentrale
25.01.2012, 00 UTC 27.01.2012, 00 UTC 29.01.2012, 00 UTC 31.01.2012, 00 UTC

Etwa vom 25.01. an wurde, vom mittleren Nordatlantik ausgehend, mit einer südwestlichen Strömung massiv Warmluft in die Nordpolarregion geführt. Am 29./30.01. verzeichnete die Messstation in Ny-Ålesund auf Spitzbergen einen Niederschlagsrekord; innerhalb von 24 Stunden fielen 98 mm in Form von Regen, so viel wie noch nie an einem Tag seit Beginn der Messungen im Juli 1974. Der Januar schloss dort mit einer Monatsmitteltemperatur von -3,6 °C ab, 10,3 Kelvin über dem klimatologischen Mittel. An der Südflanke des durch die massive Warmluftadvektion aufgewölbten hohen Geopotentials, das sich über die gesamte Polarregion erstreckte, machte sich ein großes Reservoir extrem kalter Luft aus dem sibirischen Raum auf den Weg nach Westen. Die Zufuhr dieser Kaltluft einer- sowie die Lage auf der Vorderseite des hohen Geopotentials andererseits führten zum Aufbau eines neuen, mächtigen Bodenhochs über dem Nordwesten Russlands. Es erhielt den Namen "Dieter" und trat am 31.01. an die Stelle von "Cooper".

500-hPa-Geopotential und Bodendruck (Nordhemisphäre) vom 25., 27., 29. und 31.01.2012 | Quelle: Wetterzentrale
25.01.2012, 00 UTC 27.01.2012, 00 UTC 29.01.2012, 00 UTC 31.01.2012, 00 UTC

In der Nacht zum 01.02. erreichte die Kaltluft mit Temperaturen unter -10 °C im 850-hPa-Niveau, etwa 1.500 Meter Höhe entsprechend, Deutschland von Osten her. Das Zentrum der kalten Luft näherte sich in Form eines ausgeprägten Kaltlufttropfens zu dieser Zeit den osteuropäischen Ländern. Dort gingen die Temperaturen in 850 hPa bis zum 03.02. auf unter -25 °C zurück, in rund 5 Kilometern Höhe wurden in dessen Innern Werte von weniger als -45 °C analysiert. Vom Ursprung her handelt es sich um die kälteste Luftmasse, die Europa überhaupt erreichen kann. Lediglich die vor Beginn der Kältewelle auch über den östlichen Gebieten nur wenig mächtige oder zum Teil nicht vorhandene Schneedecke verhinderte den Aufbau einer noch kälteren Grundschicht. Im Laufe des 01.02. stieß die -10-°C-Isotherme in 850 hPa bis zu den Pyrenäen vor, zwei Tage später vorübergehend sogar bis in den Süden Spaniens. Ihre südlichste Ausdehnung wies die Kaltluft aber erst am 05.02. auf, als sich eine Zunge mit Temperaturen unter -5 °C auf der 850-hPa-Druckfläche bis zur Mitte Algeriens vorschob. Die -15-°C-Isotherme konnte währenddessen über dem Süden Frankreichs analysiert werden.

850-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 01. bis 04.02.2012 | Quelle: Wetterzentrale
01.02.2012, 00 UTC 02.02.2012, 00 UTC 03.02.2012, 00 UTC 04.02.2012, 00 UTC

Im weiteren Verlauf wurde das einstmalig große zusammenhängende Gebiet kalter Luft über dem Westen Russlands in zwei kleinere Kaltluftzentren geteilt, wobei sich der westliche Part allmählich nach Norden verlagerte. Ein Ausläufer dieser hochreichend kalten Luft blieb jedoch nach Mittel- und Westeuropa gerichtet. Zum Ende der ersten Februardekade löste sich aus der über den Norden Skandinaviens hinweg verlaufenden Frontalzone ein kleines, bis in hohe Troposphärenschichten ausgeprägtes Tief ab, das Kurs auf das östliche Mitteleuropa nahm. Mit ihm breitete sich zum 09.02. erneut sehr kalte Festlandsluft nach Südwesten aus.

850-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 05. bis 08.02.2012 | Quelle: Wetterzentrale
05.02.2012, 00 UTC 06.02.2012, 00 UTC 07.02.2012, 00 UTC 08.02.2012, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 09. bis 12.02.2012 | Quelle: Wetterzentrale
09.02.2012, 00 UTC 10.02.2012, 00 UTC 11.02.2012, 00 UTC 12.02.2012, 00 UTC

Die Großwetterlage erwies sich als äußerst persistent. Über den gesamten Zeitraum von etwa zwei Wochen hielt sich eine ausgeprägte Hochdruckzone, die von West- über das nördliche Mitteleuropa bis zum Baltikum und nach Nordwestrussland reichte. Dem gegenüber stand tiefer Luftdruck über dem Mittelmeerraum, wo sich mehrere kräftige Tiefdruckgebiete ausbilden und entwickeln konnten. Ein namenloses Tief zog vom 25. bis zum 28.01. von der Ägäis zur Westtürkei; noch am 28.01. entstand an einem lang gestreckten Tiefausläufer über dem Löwengolf Tief "Ines". Es verlagerte sich bis zum 31.01. in südöstliche Richtung, ihm folgte zum 01.02. Tief "Julia" nach. "Julia" intensivierte sich zunächst über dem Löwengolf, das primäre Tiefzentrum schwächte sich zum 02.02. allerdings ab. Aus einer flachen Welle ging über dem westlichen Mittelmeer "Julia II" hervor, das gesamte Tiefdrucksystem erreichte am 07.02. über Griechenland einen Kerndruck von unter 985 hPa. Erst am Wochenende des 11./12.02. schwächte sich die Hochdruckzone vor allem in ihrem mittleren Teil merklich ab und verschob sich einige hundert Kilometer nach Süden. Im weiteren Verlauf konnten atlantische Tiefausläufer mit milderer Meeresluft von Nordwesten her nach Mitteleuropa vordringen und die Kälteperiode beenden.

Bodendruckanalysen vom 03., 06., 09. und 12.02.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
03.02.2012, 00 UTC 06.02.2012, 00 UTC 09.02.2012, 00 UTC 12.02.2012, 00 UTC



Kälte in Deutschland

In Deutschland erfolgte der Übergang zu Dauerfrost gegen Ende Januar von Osten her. In weiten Teilen Bayerns sowie östlich der Elbe kamen die Temperaturen bereits am 27.01. nicht mehr über den Gefrierpunkt hinaus. In den darauffolgenden Tagen erfasste die Kaltluft auch die westlichen Landesteile, am 31.01. meldeten nur noch einzelne Stationen am Rhein leichte Plusgrade (z. B. Mannheim/BW). In den Nächten verschärfte sich der Frost zusehends; in der Nacht zum 31. lagen die Tiefsttemperaturen nahezu in der gesamten Osthälfte - die Küstenregion ausgenommen - unter -10 °C.

Tiefst- und Höchsttemperaturen in Deutschland am 06.02.2012 | Quelle: IMK, KIT
Tiefsttemperaturen am 06.02.2012 (bis 6 UTC) Höchsttemperaturen am 06.02.2012

Anfang Februar konnte vielerorts in Deutschland mäßiger, vor allem im Osten und Süden auch strenger Dauerfrost mit Höchsttemperaturen unter -10 °C verzeichnet werden. Als kältester Tag trat dabei im Osten der 06.02. in Erscheinung, als die Maxima Werte zwischen -15 und -10 °C großflächig nicht überstiegen. Vorangegangen war - unter dem Einfluss eines sich weit nach Südwesten vorschiebenden Keil des nordwestrussischen Hochs - die kälteste Nacht der gesamten Kältewelle in der Region. Ueckermünde in Mecklenburg-Vorpommern registrierte einen Tiefstwert von -28,7 °C, so kalt wurde es dort noch nie seit Messbeginn im Jahre 1951. Einige weitere Stationen verbuchten an diesem Morgen neue Februarrekorde, so etwa auch der Große Arber im Bayerischen Wald mit -22,3 °C.

Nachstehend eine Übersicht über die im Februar 2012 ein- und neu aufgestellten Monatsrekorde der Tiefsttemperatur an deutschen Stationen. Quelle: DWD
Ort Tmin Datum
Seehausen (SA)
Rheinstetten (BW)
Oldenburg (NDS)
Rheinstetten (BW)
Barth (MV)
Seehausen (SA)
Neubrandenburg/Trollenhagen (MV)
Rheinstetten (BW)
Barth (MV)
Ueckermünde (MV)
Seehausen (SA)
Neubrandenburg/Trollenhagen (MV)
Manschnow (BB)
Großer Arber (BY)
-18,2 °C
-12,6 °C
-15,7 °C
-14,5 °C
-21,3 °C
-20,8 °C
-17,0 °C
-14,6 °C
-23,6 °C
-28,7 °C
-21,9 °C
-21,3 °C
-21,1 °C
-22,3 °C
02.02.2012
03.02.2012
04.02.2012
04.02.2012
05.02.2012
05.02.2012
05.02.2012
05.02.2012
06.02.2012
06.02.2012
06.02.2012
06.02.2012
06.02.2012
06.02.2012
Ort Tmin Datum
Oldenburg (NDS)
Vielbrunn/Odenwald (HE)
Rheinstetten (BW)
Oschatz (SN)
Oschatz (SN)
-16,8 °C
-17,1 °C
-15,9 °C
-19,9 °C
-19,9 °C
07.02.2012
07.02.2012
07.02.2012
11.02.2012
12.02.2012

Im Unterschied zu Kältewellen in Wintern der jüngeren Vergangenheit, wo es mitunter ähnlich kalt war, zeichnete sich die Witterungsperiode im Februar 2012 durch beständige Anwesenheit hochreichend kalter Luft aus. Die vor Ort während der Nächte in den Niederungen produzierte Kaltluft trug einen Teil zu den tiefen Temperaturen bei, war jedoch - anders als häufig in den Jahren zuvor - nicht alleine ausschlaggebend für die verbreitet strengen Frostwerte. Dies verdeutlichen die Messwerte der Bergstationen; auf dem Fichtelberg im Erzgebirge (1.215 m) beispielsweise verweilten die Temperaturen zwischen dem 31.01. und dem 07.02. durchweg im streng frostigen Bereich unter -10 °C, auf dem Feldberg im Schwarzwald (1.493 m) war dies vom 01. bis zum 07.02. der Fall. Am 04.02. betrug der Höchstwert dort -17,9 °C; ein so niedriges Maximum hatte es zuletzt am 12.01.1987 gegeben. Seit Beginn der Messreihe im Jahre 1945 wurde nur an fünf Tagen ein niedrigeres Maximum notiert.

Tiefst-, Tagesmittel- und Höchsttemperaturen vom 01. bis 15.02.2012 sowie die niedrigsten Höchsttemperaturen (Feldberg) seit
01.01.1945 bzw. die niedrigsten Tiefsttemperaturen (Oberstdorf) seit 01.01.1936
| Datenquelle: DWD
Tmax Datum
-24,3 °C
-23,6 °C
-20,3 °C
-18,3 °C
-18,3 °C
-17,9 °C
-17,9 °C
10.02.1956
02.02.1956
11.02.1956
12.02.1956
12.01.1987
10.02.1986
04.02.2012
Tmin Datum
-32,0 °C
-31,3 °C
-29,4 °C
-28,2 °C
-27,8 °C
-27,8 °C
-27,6 °C
10.02.1956
11.02.1956
06.02.2012
25.01.2000
02.02.1956
14.01.1963
16.12.1940
Feldberg/Schwarzwald (BW, 1.493 m) Oberstdorf (BY, 812 m)

An fünf Tagen während der Kältewelle war Oberstdorf in Bayern der kälteste Ort Deutschlands, am 06.02. rückte bei einem Tiefstwert von -29,4 °C sogar der Stationsrekord vom 10.02.1956 (-32,0 °C) in Reichweite. Seit 1936 wurden an nur zwei Tagen noch tiefere Werte registriert - beide im Rekordfebruar 1956. Die jeweils drei kältesten Orte in Deutschland im Zeitraum vom 28.01. bis zum 11.02. sind in einer tabellarischen Übersicht aufgeführt.

Temperaturverläufe vom 31.01. bis 08.02.2012 an Stationen in und um Karlsruhe | Quelle: IMK, KIT
Rheinstetten (Segelflugplatz) Karlsruhe (Hertzstraße) KIT Campus Nord, 200-m-Messmast

Nach der ersten Februardekade lag die aus zahlreichen Stationen gemittelte Temperaturabweichung in Deutschland bei etwa -10,3 Kelvin gegenüber dem Wert für den Zeitraum der Jahre 1961 bis 1990, der sich allerdings auf den gesamten Monat Februar bezieht. Trotz einer vor allem in den westlichen Landesteilen nicht vorhandenen oder nur dünnen Schneedecke war es nach der ersten Dekade im Flächenmittel somit sogar etwas kälter als im bisherigen Rekordfebruar 1956, der am Ende 10,0 Kelvin unter dem Klimamittel abschloss. Die größte Abweichung wies die Station Deutschneudorf-Brüderwiese in Sachsen mit -14,3 Kelvin auf. Der Temperaturmittelwert (berechnet aus Tages- und Nachttemperaturen) der ersten Februardekade betrug dort -16,3 °C. Aufgrund deutlich milderer Witterung nach der Monatsmitte konnten die extremen negativen Abweichungen allerdings nicht bis zum Monatsende beibehalten werden.

Mitteltemperaturen nach der ersten Februardekade 2012 und Abweichungen bis dahin vom gesamten Monatsmittel
Quelle: IMK, KIT Quelle: Bernd Hussing

Die andauernde strenge Kälte bereitete in Deutschland vor allem der Schifffahrt Probleme. Im Nordosten war die Elbe zwischen Hamburg und Magdeburg wegen Eisbildung ebenso unbefahrbar wie der Elbe-Havel-Kanal. Im Süden mussten Teile des Main-Donau-Kanals sowie des Neckars gesperrt werden, 42 Schiffe hingen zwischenzeitlich fest. Zwischen Ladenburg und Neckargemünd im Rhein-Neckar-Kreis kamen Eisbrecher zum Einsatz, auch der Rheinhafen in Karlsruhe musste frei von Eis gehalten werden. Infolge der Kälte kamen mehrere Menschen ums Leben. Einige von ihnen betraten nicht freigegebene Eisflächen und brachen ein.

Fotos
Eisschicht im Hamburger Hafen am 05.02.2012; Quelle: Marvin, Wetterzentrale-Forum
Vereiste Elbe bei Stade am 05.02.2012
Quelle: Fabian, Wetterzentrale-Forum
Rhein-Main-Donau-Kanal am 07.02.2012
Quelle: Jürgen, Wetterzentrale-Forum
Alstereisvergnügen in Hamburg am 10.02.2012
Quelle: Olaf Malz, Wetterzentrale-Forum

Offiziell zum Eislaufen freigegeben wurde zum Wochenende des 11./12. dagegen die Hamburger Außenalster - zum ersten Mal seit 1997. Auf der etwa 168 Hektar großen Eisfläche wurden hunderttausende Besucher erwartet, allein am Samstagvormittag verwandelten nach Polizeiangaben rund 80.000 Menschen das Gelände im Herzen der Stadt in eine große Volksfestzone; im Uferbereich schlugen Würstchenbuden und Glühweinstände auf.



Kälte und Schnee in Europa

Die außergewöhnlich intensive Kältewelle hatte nicht nur Deutschland, sondern nahezu ganz Europa in ihrem Griff. Vielerorts konnten neue Rekordtemperaturen verzeichnet werden, in vielen Gegenden war es so kalt wie schon lange zuvor nicht mehr. Selbst in weiten Teilen Frankreichs trat mäßiger Dauerfrost auf; rund um das Mittelmeer - die algerische Küste eingeschlossen - verweilten die Temperaturen über mehrere Tage hinweg im einstelligen Bereich. In Nordschweden, Finnland sowie generell in Osteuropa und im Westen Russlands herrschte großflächig strenger Dauerfrost. Nachts sanken die Temperaturen in manchen Gegenden unter -30 °C, im Norden Finnlands Anfang Februar örtlich sogar unter -40 °C (z. B. Kittilä -41,6 °C). Der landesweite Rekordwert von -51,5 °C, gemessen im Januar 1999 an eben dieser Station in Kittilä, war jedoch nicht in Gefahr. Einige Rekordwerte für den Monat Februar konnten im Norden und im Süden Norwegens in die Aufzeichnungen eingetragen werden (z. B. Hammerfest -19,9 °C, Honningsvåg -17,2 °C).

Temperaturen in Europa vom 01. bis 04.02.2012, jeweils 6 UTC | Quelle: IMK, KIT
01.02.2012, 6 UTC 02.02.2012, 6 UTC 03.02.2012, 6 UTC 04.02.2012, 6 UTC

Strengen Frost mit Tiefsttemperaturen unter -15 °C erlebte in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten der Süden Frankreichs. Am Flughafen Toulouse-Blagnac wurden am Morgen des 9. -12,3 °C gemessen, selbst unmittelbar an der Mittelmeerküste wurde strenger Frost teilweise nur knapp verfehlt (z. B. Marignane -9,5 °C am 12.). Bemerkenswerte Minima hatten auch die Mittelmeerinseln sowie der Norden Afrikas zu bieten: Trotz des etwa +10 °C warmen umgebenden Wassers meldete die Hauptstadt von Korsika, Ajaccio, am 11. einen Tiefstwert von -3,7 °C. Calvi registrierte in vier Nächten hintereinander mäßigen Frost mit Werten um -3 °C. Sogar ganz im Süden Algeriens, an der Grenze zu Niger, rutschte das Quecksilber am Morgen des 6. an einer Station auf 400 Meter Höhe (Guezzam) in den leicht frostigen Bereich. Diesen gab es am 8. auch in den Oasenstädten Djanet und Tamanrasset, 970 beziehungsweise 1.364 m hoch gelegen. Tamanrasset weist im Februar, bezogen auf die Jahre 1961 bis 1990, eine mittlere Temperatur von +15,2 °C auf - das entspricht in etwa dem Wert für Mitte Mai in Karlsruhe. Die Balearen-Universität in Palma de Mallorca berichtete von den niedrigsten Temperaturen seit 40 Jahren; -5,7 °C wurden dort am 06.02. gemessen. Am Flughafen von Palma betrug der Tiefstwert an diesem Tag -2,1 °C.

Temperaturen in Europa vom 05. bis 12.02.2012, jeweils 6 UTC | Quelle: IMK, KIT
05.02.2012, 6 UTC 06.02.2012, 6 UTC 07.02.2012, 6 UTC 08.02.2012, 6 UTC
09.02.2012, 6 UTC 10.02.2012, 6 UTC 11.02.2012, 6 UTC 12.02.2012, 6 UTC

Rund um das Mittelmeer wird die Kälteperiode nicht nur wegen des andauernden Frostes, sondern in einigen Gebieten auch wegen der ungewöhnlichen Schneemassen in Erinnerung bleiben. Vor allem in der Mitte und im Süden Italiens sowie auf dem Balkan kamen teilweise extreme Schneemengen zusammen. Frosinone, 185 Meter über dem Meeresspiegel unweit von Rom gelegen, meldete am Morgen des 07.02. eine Schneehöhe von 40 cm. Selbst direkt an der Adria wurden am 11.02. um 6 UTC örtlich mehr als 20 cm Schnee gemessen (z. B. Rimini 25 cm). Augenzeugenberichte und Fotos aus Forli, etwa 60 Kilometer südöstlich von Bologna gelegen, ließen für die dortige Region auf eine Schneehöhe von mehr als 1 Meter schließen. Auch im Zentrum der Hauptstadt Rom fielen am 04.02. dicke Flocken, zum ersten Mal seit 1991 bildete sich auf dem Petersplatz und am Kolosseum wieder eine geschlossene Schneedecke aus. Soldaten befreiten die Straßen von Schnee und Eis, dennoch brach in der Stadt ein Verkehrschaos aus.

Fotos/Webcambilder aus San Marino vom 02.02.2012 | Quelle: Meteo Titano
Monte Titano; Schneehöhen 50 bis 130 cm Borgo Maggiore Città

Im Südosten Europas traten die ergiebigsten Schneefälle erst nach Beendigung der Kältewelle gegen Mitte Februar auf. Im Flachland und in den großen Städten lagen verbreitet zwischen 20 und 40 cm, teilweise auch deutlich mehr Schnee. So wartete der Flughafen der rumänischen Hauptstadt Bukarest (Băneasa) am 14.02. mit 63 cm auf, Belgrad (Serbien) meldete 52 cm und Sofia in Bulgarien 48 cm. Die ohnehin angespannte Situation wurde durch enorme Schneeverwehungen noch verschärft, die mancherorts Höhen bis 6 Meter erreichten und teilweise ganze Häuser unter sich begruben. Für zahlreiche Gemeinden galt der Ausnahmezustand, viele Schulen und Kindergärten blieben eine Woche lang geschlossen. Mehrere zehntausend Menschen waren durch die Schneemassen von der Umwelt abgeschnitten.

Videostandbilder, aufgenommen in Valle Castellana / Abruzzen (Italien) am 10. und 13.02.2012 | Quelle: Domenico Marinelli
10.02.2012 13.02.2012 13.02.2012

Infolge der Kälte kamen europaweit mehrere hundert Menschen ums Leben. In verschiedenen Agenturmeldungen wurden dabei jeweils unterschiedliche Zahlenangaben zu den Opfern gemacht; die Nachrichtenagentur AFP ging von mehr als 540 Toten aus. Die meisten von ihnen erfroren in Osteuropa: 135 Kältetote wurden in der Ukraine, 77 in Polen, 44 in Rumänien und 29 in Bulgarien gezählt. Aber auch in Italien starben mindestens 40 Menschen. In Algerien kamen 25 Menschen bei glättebedingten Verkehrsunfällen oder in Folge von Kohlenmonoxidvergiftungen ums Leben, die durch falschen Umgang mit Heizgeräten verursacht worden waren.





Vergleich mit ähnlichen Kälteperioden in der Vergangenheit

Extreme Kältewellen im Februar gab es in der Vergangenheit in Mitteleuropa in den Jahren 1929, 1956 und 1986. Die über die Gesamtfläche Deutschlands gemittelten Monatsmitteltemperaturen lagen im Februar 1929 bei -9,5 °C, im Februar 1956 bei -9,6 °C und im Februar 1986 bei -6,4 °C. Der Februar 1956 war in Deutschland der kälteste Februarmonat seit mindestens 1881.

Die vorherrschenden Großwetterlagen in diesen Monaten weisen im Vergleich mit 2012 viele Gemeinsamkeiten, allerdings auch einige Unterschiede auf. Allen Monaten gemein ist das zumindest einmalige Vordringen hochreichender, extrem kalter Luft aus dem nordosteuropäischen Raum in Verbindung mit einem bis in die mittlere und obere Troposphäre reichenden Höhentief oder Kaltlufttropfen. Im Jahre 1929 befand sich dessen Zentrum am 13./14. über Deutschland, die Temperaturen in 850 hPa lagen über dem Südosten Bayerns bei unter -25 °C. Ein zweiter, weniger ausgeprägter Kaltluftvorstoß trat an den letzten beiden Tagen des Monats auf.

Großräumige Wettersituation im Februar 1929 (Animationen) | Quelle der Karten: Wetterzentrale
500-hPa-Geopotential und Bodendruck, 01.-28.02.1929 850-hPa-Temperatur, 01.-28.02.1929

Im Februar 1956 ereigneten sich gleich mehrere Kaltluftvorstöße Richtung Zentral- und Westeuropa. Unmittelbar zu Beginn des Monats erreichte die -25-°C-Isotherme den Nordosten Deutschlands, am 02. überdeckte ein Gebiet mit Temperaturen von weniger als -20 °C in 850 hPa große Teile Mitteleuropas. Nach einer vorübergehenden Milderung folgte zum Ende der ersten Dekade der zweite Kaltluftvorstoß; erneut gingen die Temperaturen in 850 hPa auf unter -25 °C über dem Nordosten Deutschlands und auf weniger als -20 °C über weiten Teilen Mitteleuropas zurück. Zum 13. drang - dann allerdings von Norden - ein neuerlicher, großräumiger Höhentiefkomplex nach Mitteleuropa vor, bis zum 16. verharrten die 850-hPa-Temperaturen über Deutschland bei Werten unter oder um -15 °C. In der zweiten Monatshälfte schwächte sich dieser ab, eine andauernde und zum Teil kräftige nordöstliche bis östliche Strömung verhinderte aber eine durchgreifende Milderung.

Großräumige Wettersituation im Februar 1956 (Animationen) | Quelle der Karten: Wetterzentrale
500-hPa-Geopotential und Bodendruck, 01.-29.02.1956 850-hPa-Temperatur, 01.-29.02.1956

In flächenmäßig deutlich kleinerer Ausprägung näherte sich gegen Ende der ersten Februardekade 1986 ein Gebiet mit hochreichend kalter Luft von Nordosten her Mitteleuropa an. Nur über einem relativ kleinen Raum wurden in 850 hPa Temperaturen unter -20 °C analysiert, das damit in Verbindung stehende Höhentief wanderte bereits zum 10. über die Alpen Richtung Norditalien ab und löste sich auf. Erst zum Monatsende drang dann, im Zuge einer südlichen Westlage mit von der Biskaya über Frankreich zum nördlichen Mittelmeerraum ziehenden Tiefdruckgebieten, von Nordosten her noch einmal arktische Kaltluft bis zur Mitte Deutschlands vor.

Großräumige Wettersituation im Februar 1986 (Animationen) | Quelle der Karten: Wetterzentrale
500-hPa-Geopotential und Bodendruck, 01.-28.02.1986 850-hPa-Temperatur, 01.-28.02.1986

In allen Jahren - so auch 2012 - konnte sich phasenweise ein kräftiges Hochdruckgebiet über Nordeuropa/Skandinavien oder dem Nordwesten Russlands etablieren. Am ausgeprägtesten trat dieses im Februar 1929 zwischen dem 10. und dem 21. über dem finnischen Raum in Erscheinung; dort lag der Luftdruck in dieser Zeit beständig über 1040 hPa. Im Gegensatz dazu bildeten sich im Februar 1956 mehrere Schwerpunkte ab, zum einen im Bereich der Britischen Inseln, zum anderen recht weit im Nordosten über dem Nordwesten Russlands. Es handelte sich um hochreichende, die gesamte Troposphäre durchsetzende Hochdruckgebiete mit vergleichsweise hohem Luftdruck auch am Boden. Dieser erreichte am 16. über Nordwestrussland einen Wert von mehr als 1065 hPa. Ein solch dominierendes Gebilde lässt sich für den Februar 1986 nicht ausmachen; vielmehr zeichnete sich die Konstellation in diesem Monat durch eine sich in der ersten Hälfte immer wieder regenerierende Zone hohen Luftdruckes aus, die von den Azoren über Nordeuropa bis zum nahen Russland reichte. Um die Monatsmitte behauptete sich für wenige Tage ein Hoch mit seinem Schwerpunkt über Nordeuropa, in der zweiten Monatshälfte jedoch setzte sich dort vermehrt tiefer Luftdruck durch. Hochdruckschwerpunkte fanden sich dann über Island/Grönland sowie weit im Nordosten im Bereich des Urals.

Tagesmitteltemperaturen in Karlsruhe (blau: TM < 0 °C, rot: TM > 0 °C) | Datenquelle: DWD
Februar 1929 Februar 1956 Februar 1986 Februar 2012

Die teilweise extrem tiefen Tagesmitteltemperaturen der Februarmonate 1929 und 1956 wurden sowohl in Hamburg als auch in Karlsruhe - als ausgewählte Beispiele - in den Februarmonaten der Jahre 1986 und 2012 nicht erreicht. In Karlsruhe betrug der niedrigste Wert 2012 -10,3 °C - im Februar 1929 wurde diese Marke zwischen dem 11. und dem 16. an sechs aufeinanderfolgenden Tagen mehr oder weniger deutlich unterschritten. Auch im Februar 1956 finden sich zehn Tage mit einer Tagesmitteltemperatur unter -10,3 °C, im Februar 1986 wurde exakt dieser Wert an einem einzigen Tag erzielt.

Tagesmitteltemperaturen in Hamburg (blau: TM < 0 °C, rot: TM > 0 °C) | Datenquelle: DWD
Februar 1929 Februar 1956 Februar 1986 Februar 2012

In Hamburg konnten im Februar 2012 an drei Tagen Tagesmitteltemperaturen unter -10 °C notiert werden, an einem Tag mehr als 1986. Dem gegenüber stehen neun solcher Tage im Februar 1956 und elf im Februar 1929. Die absolut tiefste Mitteltemperatur in den vier betrachteten Jahren brachte der 10. Februar 1929 mit -17,9 °C hervor, 2012 betrug der tiefste Wert -12,1 °C am 6. Februar. Sowohl bei den Hamburger als auch bei den Karlsruher Zeitreihen fällt die wesentlich längere Andauer der Kältewellen der Jahre 1929, 1956 und 1986 gegenüber 2012 auf. Die Februarmonate 1929 und 1956 gingen zudem mit wesentlich tieferen Temperaturen einher, wohingegen die ersten beiden Wochen des Februars 2012 durchschnittlich etwas kälter ausfielen als der Höhepunkt der Kälteperiode des Februars 1986.


Text: CE



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