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Samstag, 18. Februar 2012, 16:15 MEZ


Starkschneefall, Sturm
Tief "Olivia"

Mitteleuropa
14.-15.02.2012


Satellitenbild (METOP-A, VIS) vom 15.02.2012 um 09:25 UTC:
Tief "Olivia" über Mitteleuropa mit Kern über Polen
Quelle: Geogr. Institut Bern

Nach außergewöhnlich kaltem und ruhigem Winterwetter in der ersten Hälfte des Februars 2012 brachte Tief "Olivia" zur Mitte des Monats in Zentraleuropas Mittelgebirgen sowie in den Nordalpen kräftige Schneefälle und Sturm. Vor allem im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb, in Oberbayern, am bayerischen Alpenrand, sowie in der Zentralschweiz und in einigen Teilen Österreichs schneite es teilweise ergiebig mit Neuschneesummen bis zu 1 Meter. Auf den Alpengipfeln traten Orkanböen bis 173 km/h auf, im Rhonetal wehte ein kräftiger Mistral. Durch die starken Schneefälle und vielen Lawinenabgängen mussten Straßen gesperrt und geräumt werden, im öffentlichen Verkehr gab es große Beeinträchtigungen.


Wetterlage und Entwicklung

In der ersten Februarhälfte 2012 sorgte das umfangreiche Hochdruckgebiet "Dieter" mit einer östlichen Strömung für sehr kaltes und überwiegend ruhiges Winterwetter in Mitteleuropa. Nach mehrwöchigem Dauerfrost kam ab dem 14.02. allmählich etwas mehr Bewegung in die großräumige Zirkulation über Europa, als sich über dem Ostatlantik unter einem ausgedehnten Höhenrücken ein kräftiges Hochdruckgebiet mit Kerndruck über 1045 hPa etablierte. Im Höhenrücken fand massive Warmluftadvektion weit nordwärts bis in den Süden Grönlands und zum Nordpolarmeer statt. Im Bereich entstehender großer Temperaturgegensätze zwischen advehierter Warmluft und arktischer Kaltluft bildete sich eine Frontalzone mit einem starken Jetstream in der oberen Troposphäre aus. In 300 hPa, etwa 9 Kilometer Höhe entsprechend, wurden Windgeschwindigkeiten über 250 km/h beobachtet.

500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 14. bis 16.02.2012 | Quelle: Wetterzentrale
14.02.2012, 00 UTC 15.02.2012, 00 UTC 16.02.2012, 00 UTC
Bodendruckanalysen vom 14. bis 16.02.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
14.02.2012, 00 UTC 15.02.2012, 00 UTC 16.02.2012, 00 UTC

Das Windmaximum im Jetstreak in der oberen Troposphäre leitete am Boden eine Zyklogenese über dem Nordmeer ein. Der Höhenströmung folgend verlagerte sich das entstandene Tiefdruckgebiet "Olivia" südostwärts über den Ostseeraum weiter nach Osteuropa und intensivierte sich dabei vorübergehend auf einen Kerndruck von unter 985 hPa. Zwischen "Olivia" und dem Hochdruckgebiet über dem Ostatlantik stellte sich aufgrund hoher Luftdruckgegensätze eine kräftige nordwestliche Strömung ein, die im mitteleuropäischen Flachland für stürmische Böen sowie in den Mittelgebirgen und auf den Alpengipfeln für Orkanböen sorgte.

850-hPa-Temperatur (eingefärbt) vom 14. bis 16.02.2012 | Quelle: Wetterzentrale
14.02.2012, 00 UTC 15.02.2012, 00 UTC 16.02.2012, 00 UTC

"Olivias" Frontensystem erreichte den deutschen Raum und die Alpenrepubliken weitgehend okkludiert. Warm- und Kaltfront vereinen sich bei fortgeschrittener Zyklogenese zu einer Okklusion, so dass der klassische Warmsektor, wie bei Tiefdruckgebieten im Reifestadium zu sehen, geschlossen wird und nicht mehr zu beobachten ist. Abseits großräumig generierter Hebungsprozesse riefen frontogenetische Antriebe im Umfeld der Okklusion eine Verstärkung der Niederschlagsaktivität hervor, dies vor allem über West- und Süddeutschland sowie an den Nordalpen. "Olivia" führte auf ihrer Rückseite subpolare und relativ kalte Meeresluft südwärts, dennoch stiegen die Temperaturen im Verlauf verbreitet an, da die vorgelagerte kontinentale Kaltluft über dem europäischen Kontinent noch weitaus kälter war. Anfangs schneite es in der Kaltluft bis auf 300 Meter hinab, später stieg die Schneefallgrenze in der herangeführten Meeresluft auf etwa 700 Meter. Im 850-hPa-Niveau, etwa 1500 Metern entsprechend, verblieben die Temperaturen mit rund -5 °C unter dem Gefrierpunkt, so dass die Niederschläge in den Hochlagen der süddeutschen Mittelgebirge und in den Nordalpen durchgehend als Schnee fielen.

Satellitenbilder (MSG-IR) vom 14. bis 16.02.2012 | Quelle: B.J. Burton / Eumetsat
14.02.2012, 12 UTC 15.02.2012, 12 UTC 16.02.2012, 12 UTC

Wie bei solch nordwestlicher Anströmung üblich, gab es über Mitteleuropa die kräftigsten Niederschläge im Nordschwarzwald, in Oberbayern und am bayerischen Alpenrand sowie in der Schweiz in den Appenzeller Alpen und in Österreich im Arlberggebiet. Weiter östlich schneite es in Oberösterreich und in der Steiermark ergiebig. Auch in Teilen Polens, Tschechiens, Ungarns und Rumäniens konnte weiterer Neuschneezuwachs verzeichnet werden. Im rumänischen Flachland liegen vielerorts mehr als 40 cm Schnee, in der Hauptstadt Bukarest stieg die Schneehöhe auf stattliche 59 cm. Im zentralserbischen Nis wurden 53 cm gemessen, dort die drittgrößte Schneehöhe seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1941.



Schnee, Sturm, Mistral und Lawinen

"Olivias" Hauptaktivität entfaltete sich über Süddeutschland und über den beiden Alpenrepubliken Schweiz und Österreich. Vom 14. auf den 15.02. schneite es in Baden-Württemberg und Bayern bis auf 300 Meter hinab und vorübergehend kamen auch in den mittleren Lagen 5 cm bis 15 cm Neuschnee zusammen. Während unterhalb etwa 700 Meter der Schnee im Verlauf größtenteils wieder dahinschmolz, waren in den Hochlagen des Schwarzwaldes, der Schwäbischen Alb sowie des Bayerischen Waldes weitere Neuschneezuwächse zu verzeichnen, so dass dort in den Staulagen über 20 cm, in prädestinierten Lagen auch über 40 cm Schnee binnen zwei Tage hinzukam. Spitzenreiter in Sachen Niederschlag war das im Nordschwarzwald gelegene Bad Rippoldsau mit 66 mm in 24 Stunden. Dabei gingen die Schneefälle an der auf knapp 500 Meter gelegenen Station später in Regen über. Im nur wenig entfernten Freudenstadt fielen die Niederschläge auf 800 Höhenmetern durchweg als Schnee. Dort wurden binnen 48 Stunden 30 cm Neuschnee gemessen.

Schnee und Niederschlag im südlichen Mitteleuropa | Quellen: HVZ BW, LWD Vorarlberg
Schneehöhenanalyse BW
16.02., 13 UTC
48-h-Niederschlag BW
15.-16.02. bis 14 UTC
Niederschlag Bad Rippoldsau
Nordschwarzwald
Niederschlag Walmendinger Horn
Vorarlberg (A), Allgäuer Alpen

Noch mehr Niederschlag fiel in Oberbayern und am bayerischen Alpenrand sowie in den Nordalpen Österreichs und der Schweiz, wo verbreitet über 40 cm Neuschnee registriert wurde. Einmal mehr in diesem Winter kamen im westösterreichischen Arlberggebiet zu der ohnehin schon üppigen Schneemenge bis zu 1 Meter Neuschnee hinzu. Auf der Valluga, mit 2809 Metern die höchste Erhebung im Arlberggebiet, stieg die Gesamtschneehöhe auf 595 cm! Weiter unten kamen in Warth, auf 1400 Höhenmetern am Arlberg gelegen, während eines Tages weitere 60 cm Schnee zusammen, worauf die Schneehöhe auf über 210 cm anwuchs. Auf dem Walmendinger Horn in den Allgäuer Hochalpen wurde eine 60-stündige Niederschlagssumme von über 250 mm aufgezeichnet. Zwar fehlt es Niederschlagsmessungen an windexponierten Orten besonders bei Schneefällen oft an Genauigkeit, dennoch unterstreicht der Wert die Schneefallintensität und den Schneezuwachs in dieser Region.

Zu den kräftigen Schneefällen gesellte sich vor allem in den Mittelgebirgen und in den Hochlagen der Alpen lebhafter Wind. Im deutschen Flachland wurden verbreitet stürmische Böen beobachtet, so zum Beispiel in Berlin, Hamburg, Stuttgart oder München. Im Harz fegten auf dem Brocken Orkanböen bis 122 km/h hinweg. Noch stärker blies der Wind auf den Alpengipfeln. Auf dem Feuerkogel trat eine Spitzenböe von 173 km/h auf, Orkanböen gab es auch auf dem Säntis in der Schweiz. Durch den kräftigen Wind wurde der frisch gefallene Schnee in freien Lagen stark ausgeblasen und verweht. Auch auf den osteuropäischen Berggipfeln Bulgariens oder der Slowakei wurden Orkanböen bis 144 km/h registriert.

Neuschnee in Vorarlberg, Mistral im Rhonetal und an der französischen Mittelmeerküste | Quellen: LWD Vorarlberg, infoclimat.fr
24-h-Neuschnee, Vorarlberg Wind [km/h] am 16.02., Südostfrankreich 1-h-Wind [Bft] 15.02., 15 UTC

Die zum 15. und 16.02. vorherrschende Großwetterlage war für die Ausbildung des im Rhonetal und an der französischen Mittelmeerküste charakteristisch auftretenden Mistrals günstig. Als Mistral wird ein kalter Fallwind bezeichnet, der im unteren Rhonetal durch den Kanalisierungseffekt beträchtliche Windgeschwindigkeiten annehmen kann und sich oft weit bis in den Löwengolf hinein erstreckt. Typischerweise gelangt dabei zwischen einem Hoch über dem Ostatlantik und einem Tief über Zentral- oder Osteuropa polare Kaltluft in den westlichen Mittelmeerraum, welche zwischen den natürlichen Barrieren der Alpen und der Cevennen im Rhonetal beschleunigt wird. So wurden dort am 15. und 16. durch den Mistral hervorgerufene orkanartige Winde gemessen. In Avignon und Orange erreichten die Windböen Geschwindigkeiten bis 111 km/h bzw. 104 km/h, in Marseille traten mit 122 km/h Orkanböen auf. Auch der Mont Aigoual in den Cevennen beobachtete Orkanböen bis 128 km/h.

Schneemassen und Eindrücke aus dem Alpenraum | Quellen: Facebook, privat
Hirschegg (A), Kleinwalsertal
© Kleinwalsertal, Facebook
Serfaus (A), Tirol
© Christian Ehmann
Baad (A), Kleinwalsertal
© Starzelhaus
Stuben (A), Arlberg
© Mobotix

Infolge der Starkschneefälle und dem kräftigen Wind stieg in den Nordalpen die Lawinenwarnstufe erneut auf die zweithöchste Stufe vier. Die Gesamtsituation war in einigen Regionen als sehr kritisch einzustufen. Neuschnee und zahlreiche Lawinenabgänge, teilweise in unmittelbarer Nähe zu Ortschaften, verschütteten Straßen und Bahntrassen und sorgten für massive Verkehrsbehinderungen. Einige Orte im Arlberggebiet wie die Siedlungen Warth, Lech, Zürs oder St. Gallenkirch waren von der Außenwelt abgeschnitten. Auch Obertauern im Salzburger Land war nicht mehr erreichbar. Im Salzkammergut und im Ennstal musste der Bahnverkehr vorübergehend ganz eingestellt werden. Von etlichen Straßensperrungen war vor allem Oberösterreich, die Steiermark und das Salzburger Land betroffen. Mehrere Lawinenabgänge begruben Skifahrer, Passanten oder auch Rettungsteams unter sich, die aber mehrheitlich wieder befreit werden konnten. Am Arlberg kam für eine verschüttete Person jede Hilfe zu spät. Im schweizerischen Adelboden raste eine Lawine über eine Skipiste, auch im Südschwarzwald ging am Feldberg eine Lawine ab.



Wetterwerte

Nachstehend eine Tabelle ausgewählter Wetterstationen in Süddeutschland mit der Gesamtschneehöhe am 16.02., 06 UTC sowie der 48-stündigen Neuschneesumme bis zum Termin. Darunterstehend Abbildungen mit der Gesamtschneehöhe im südlichen Mitteleuropa und im Alpenraum am 15.02. und 16.02., jeweils 06 UTC (beide links) sowie die 24-stündige Neuschneemenge bis 15.02. bzw. 16.02., 06 UTC (beide rechts).
Quelle: DWD

Ort Neu/48 h Gesamt 16.02.
Zugspitze/BY (2960 m)
Oy-Mittelberg-Petersthal/BY (885 m)
Oberstdorf/BY (807 m)
Kaufbeuren/BY (716 m)
Todtmoos/BW (781 m)
Reit im Winkel/BY (685 m)
Freudenstadt/BW (801 m)
Saldenburg-Entschenreuth/BY (456 m)
90 cm
68 cm
53 cm
47 cm
46 cm
32 cm
30 cm
29 cm
485 cm
78 cm
102 cm
49 cm
75 cm
120 cm
40 cm
35 cm

Gesamtschneehöhe und Neuschnee [cm] am 15. und 16.02. im südlichen Mitteleuropa | Quelle: DWD
Gesamt 15.02., 06 UTC Gesamt 16.02., 06 UTC Neu bis 15.02., 06 UTC Neu bis 16.02., 06 UTC


Text: DK

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