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Mittwoch, 27. Juli 2011, 23:00 MESZ


Gewitter, Starkregen, Sturm

Mitteleuropa
19.-23.07.2011


Satellitenbild: 21.07.2011, 07:38 UTC, NOAA-16 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern

Heftige Gewitter, ergiebiger Dauerregen und schlussendlich auch noch Sturm - eine knappe Woche lang bestimmte Ende Juli 2011 Tiefdruckgebiet "Otto" das Wettergeschehen in Mitteleuropa. Regenmengen von teilweise über 100 mm innerhalb von zwei Tagen führten teilweise zu Überschwemmungen und Hochwasser.


Wetterlage und Entwicklung

"Otto" entstand - den Analysen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) folgend - am 19. Juli 2011 über dem Westen Frankreichs als Randtief eines umfangreichen nordeuropäischen Tiefdruckkomplexes ("Nemo") und auf der Vorderseite eines markanten kurzwelligen Höhentroges. Dieser schwenkte im Verlauf des 19. über Frankreich hinweg ostwärts, das Bodentief verlagerte sich zur französisch-belgischen Grenze. Zusammen mit "Nemo" bildete "Otto" vorübergehend eine breite, rinnenartige Tiefdruckzone aus, die von der Barentssee über Skandinavien und Mitteleuropa bis zum zentralen Mittelmeer reichte. Am Abend formierte sich über Südostbayern respektive Nordösterreich ein neuer Tiefkern, der teils aus großräumigen Hebungsvorgängen infolge eines diffluenten Strömungsmusters an der Ostflanke des Höhentroges und teils wohl auch aus Lee-Effekten durch die kurzzeitig südliche Anströmung der Alpen resultierte. Dieser neue Kern behielt den Namen "Otto" bei bzw. wurde als "Otto" weitergeführt.

Bodendruckanalysen vom 19. bis 21.07.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD
19.07.2011, 00 UTC 20.07.2011, 00 UTC 21.07.2011, 00 UTC
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 19. bis 21.07.2011 | Quelle: Wetterzentrale
19.07.2011, 00 UTC 20.07.2011, 00 UTC 21.07.2011, 00 UTC

Am 20. ging aus dem ehemaligen Kurzwellentrog, der mehr und mehr als der dominante südliche Part des gesamten Höhentrogsystems in Erscheinung trat, ein eigenständiges Höhentief hervor. Es zog über die Ostalpen und Österreich hinweg nach Ungarn und bis zum 22. nach Südpolen. Das Bodentief hingegen wählte einen Weg über Tschechien und erreichte bereits am Abend des 20. die Mitte Polens. Um den Tiefkern herumgeholte Warmluft, die ursprünglich dem westlichen und zentralen Mittelmeerraum entstammte und damit reich an Feuchtigkeit war, wurde großflächig über die in den unteren Schichten der Troposphäre von Nordwesten her eingeströmte mäßig warme Meeresluft gehoben - ausgedehnte Wolken- und Niederschlagsfelder waren die Folge. Aufgrund des recht großen Luftdruckgradienten an der Westflanke des Bodentiefs - der Kerndruck sank zum 22. auf unter 995 hPa - fiel die Warmluftadvektion entsprechend intensiv aus.

Bodendruckanalysen vom 22. bis 24.07.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD
22.07.2011, 00 UTC 23.07.2011, 00 UTC 24.07.2011, 00 UTC
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 22. bis 24.07.2011 | Quelle: Wetterzentrale
22.07.2011, 00 UTC 23.07.2011, 00 UTC 24.07.2011, 00 UTC

Bis zum 22. änderte "Otto" seine Position kaum und verweilte mit seinem Zentrum über der Mitte Polens. Die Quasistationarität trug einen nicht unwesentlichen Teil zu den beobachteten lang anhaltenden Regenfällen und den resultierenden großen Niederschlagsmengen bei. Erst im Laufe des 22. bewegte sich "Otto" über den Nordwesten Polens hinweg in Richtung Dänemark und intensivierte sich auf der Vorderseite des ebenfalls westwärts ziehenden Höhentiefs sogar wieder leicht. Letzteres wurde schließlich als Randtrog einem neuen Höhentief angegliedert, das von den Britischen Inseln her kommend bis zum 24. über den Nordosten Frankreichs zu den Alpen wanderte. Am 24. konnte "Otto" über der Deutschen Bucht ausgemacht werden, zum 25. - knapp eine Woche nach seiner Taufe - schwächte es sich merklich ab und ging in einem lang gezogenen nordeuropäischen Tiefdrucksystem mit mehreren Kernen auf.



Die mit "Otto" in Verbindung stehenden Wettererscheinungen waren vielfältiger Natur. Ein erstes großflächiges Regengebiet griff am Nachmittag und Abend des 19. von Südwesten her auf den Westen und Süden Deutschlands über; an seiner vorderen Kante zogen teilweise unwetterartige Gewitter über das Allgäu und den Süden Bayerns hinweg. Dabei traten starker Regen, Hagel und Sturmböen auf. Eine Superzelle brachte insbesondere der Region Kempten und Marktoberdorf im Landkreis Ostallgäu kräftigen Hagel, der sich zu dicken Schichten anhäufte. In Landsberg am Lech (Oberbayern) wurden Spitzenböen bis 80 km/h gemessen, an der Station München/Stadt fielen innerhalb kurzer Zeit 40 mm Niederschlag. Einige Keller liefen voll Wasser.

Niederschlagsradarbilder vom 19.07.2011 | Quelle: DWD
19.07.2011, 18:00 MESZ 19.07.2011, 20:00 MESZ 19.07.2011, 22:00 MESZ
Blitzkarten vom 19.07.2011 | Quelle: DWD
19.07.2011, 17-18 MESZ 19.07.2011, 19-20 MESZ 19.07.2011, 21-22 MESZ

Im Laufe der Nacht und am 20. breitete sich der Regen auf große Teile Baden-Württembergs und Bayerns aus. Besonders kräftig regnete es tagsüber zunächst in Franken, später im Südosten Bayerns und in Sachsen. In Aschau-Stein im Chiemgau wurde eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 104 mm verzeichnet, Kubschütz im Landkreis Bautzen verfehlte mit 98 mm eine dreistellige Menge nur knapp.

Niederschlagsradarbilder vom 20.07.2011 | Quelle: DWD
20.07.2011, 10:00 MESZ 20.07.2011, 14:00 MESZ 20.07.2011, 18:00 MESZ 20.07.2011, 22:00 MESZ

Am 21. legte sich ein breites Band mit anhaltendem Regen über den Nordosten und Osten Deutschlands. Von Vorpommern über den Osten Brandenburgs bis nach Ostsachsen und über den Norden Tschechiens bis zur slowakischen Grenze fielen verbreitet zwischen 50 und 70 mm innerhalb von 24 Stunden; die größte Menge (97 mm) meldete Lysá hora, der mit 1.325 Meter höchste Berg der Mährisch-Schlesischen Beskiden im Osten Tschechiens.

Niederschlagsradarbilder vom 21.07.2011 | Quelle: DWD
21.07.2011, 10:00 MESZ 21.07.2011, 14:00 MESZ 21.07.2011, 18:00 MESZ 21.07.2011, 22:00 MESZ

Am 22. lag der Schwerpunkt der Regenfälle im Nordosten und Norden Deutschlands. Rostock-Warnemünde verbuchte eine 24-stündige Niederschlagssumme von 111 mm, das entspricht dem anderthalbfachen der sonst im Juli üblichen Menge. In Barth fielen 79, in Gersdorf - ebenfalls an der Ostseeküste gelegen - 65 mm. Hinzu kam ein in Böen starker bis stürmischer Westwind, direkt an der Küste traten einzelne Sturmböen auf (z. B. Westermarkelsdorf 76 km/h). Zusammen mit Höchsttemperaturen von nur +15 °C erinnerte das gesamte Geschehen viel mehr an Herbst denn an Hochsommer.

Niederschlagsradarbilder vom 22.07.2011 | Quelle: DWD
22.07.2011, 10:00 MESZ 22.07.2011, 14:00 MESZ 22.07.2011, 18:00 MESZ 22.07.2011, 22:00 MESZ

Am 23. und 24. regnete es insbesondere im Norden und Nordwesten noch längere Zeit, die großen Mengen der Vortage wurden aber nicht mehr erreicht. Allerdings konnten weiterhin starke bis stürmische, auf den Nordseeinseln auch Sturmböen (z. B. Helgoland/Düne 79 km/h) verzeichnet werden. Am Rande des mit seinem Zentrum über der südlichen Nordsee gelegenen Tiefs wurde ein frischer Schwall Kaltluft polaren Ursprungs nach Mitteleuropa gelenkt, die Temperaturen kamen im Dauerregen zum Teil nicht über +13 °C hinaus. Beispielsweise in Kleve (Nordrhein-Westfalen, +12,6 °C) wurde ein neuer Rekord für die tiefste Höchsttemperatur in einem Juli seit Beginn der Messungen registriert.

24-h-Niederschlag in Mitteleuropa an einer Auswahl von Stationen | Quelle: DWD JavaMAP
20.-21.07.2011, 6 bis 6 UTC 21.-22.07.2011, 6 bis 6 UTC 22.-23.07.2011, 6 bis 6 UTC

Infolge der starken Regenfälle kam es vielerorts zu Überschwemmungen, zunächst vor allem in Bayern, später auch im Osten und Nordosten Deutschlands. Einige Bäche sowie kleinere und mittlere Flüsse traten über die Ufer, teilweise wurde die zweite Hochwassermeldestufe überschritten. Von den Überschwemmungen besonders betroffen waren unter anderem Greifswald und Rostock, wo zahlreiche Keller voll Wasser liefen und Straßen überflutet wurden. Im Landkreis Forchheim in Oberfranken fuhren vorübergehend keine Busse mehr, die nahegelegene Autobahn 73 musste ob der Wassermassen gesperrt werden. Auch im östlichen Mitteleuropa richteten starker Regen und Sturm Schäden an und führten zu Behinderungen.

Satellitenbilder (Meteosat-8 VIS/IR) | Quelle: F. Valk
19.07.2011, 12 UTC 20.07.2011, 12 UTC 21.07.2011, 12 UTC
22.07.2011, 12 UTC 23.07.2011, 12 UTC 24.07.2011, 12 UTC



Wetterwerte

Nachstehend die jeweils größten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen (6 bis 6 UTC) vom 20. bis zum 23.07.2011 in Deutschland im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes. Quelle: DWD

Ort 20./21.
Lohsa (SN)
Aschau-Stein (BY)
Kubschütz (SN)
Boxberg (SN)
Marktschellenberg (BY)
Rheinstetten (BW)
114 mm
104 mm
98 mm
97 mm
84 mm
1 mm
Ort 21./22.
Hohenreinkendorf (BB)
Pohlitz (BB)
Müncheberg (BB)
Strausberg (BB)
Coschen (BB)
Rheinstetten (BW)
79 mm
71 mm
68 mm
67 mm
65 mm
-
Ort 22./23.
Rostock-Warnemünde (MV)
Barth (MV)
Gersdorf (MV)
Teterow (MV)
Waren (MV)
Rheinstetten (BW)
111 mm
79 mm
65 mm
63 mm
54 mm
13 mm


Text: CE



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