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Mittwoch, 3. März 2010, 20:00 MEZ


Orkan

Südwest- bis Mitteleuropa
27.02.-01.03.2010


Satellitenbild: 28.02.2010, 12:00 UTC, MSG-2 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton

Mindestens 63 Tote, Schäden in Millionenhöhe und Chaos vielerorten - Orkantief "Xynthia" zog Ende Februar 2010 eine Spur der Verwüstung durch halb Europa. Mit Böen von zum Teil deutlich mehr als 120 km/h auch im Flachland ordnete sich "Xynthia" in die Reihe der schwersten Stürme der vergangenen Jahre ein.


Wetterlage und Entwicklung

Für ein winterliches Orkantief der mittleren Breiten nahm "Xynthia" eine ganz und gar ungewöhnliche Entwicklung. Anders als die typisch europäischen Orkantiefs der Westwindzone, die gewöhnlich im Raum Island oder bei den Britischen Inseln entstehen, formierte sich "Xynthia" am 25.02. weit südlich bei etwa 30° nördlicher Breite über dem mittleren Nordatlantik. Einen Tag später geriet das Tief unter die Vorderseite eines von Nordwesten heranschwenkenden Höhentroges und konnte sich somit rapide verstärken. Lag der Kerndruck am 26.02. um 6 UTC noch bei etwa 1000 hPa, wurden 24 Stunden später vor der portugiesischen Küste bereits weniger als 980 hPa und weitere 12 Stunden danach an der spanischen Biskayaküste unter 970 hPa analysiert. Den tiefsten Luftdruck meldete in der Nacht zum 28.02. (1 UTC) die französische Station Le Talut - Belle-Ile mit 968,8 hPa. Das Tiefzentrum verlagerte sich über die Biskaya, Nordfrankreich, Benelux und Norddeutschland hinweg und erreichte in der Nacht zum 01.03. die Ostsee. Der zugehörige Höhentrog hatte bis dahin das Tiefzentrum am Boden überlaufen, womit der Höhepunkt der Entwicklung überschritten war.

Bodendruckanalysen vom 27.02. bis 02.03.2010, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
26.02.2010, 00 UTC 27.02.2010, 00 UTC 28.02.2010, 00 UTC 01.03.2010, 00 UTC 02.03.2010, 00 UTC
500-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 27.02. bis 02.03.2010, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
26.02.2010, 00 UTC 27.02.2010, 00 UTC 28.02.2010, 00 UTC 01.03.2010, 00 UTC 02.03.2010, 00 UTC

Am 27.02. war zunächst Südwesteuropa vom Sturm betroffen. In Santa Cruz de La Palma auf den Kanarischen Inseln wurden in Böen 128 km/h gemessen, ebenso in Vitoria in Nordspanien. In Orduña, einer Kleinstadt im spanischen Baskenland, sollen gar 228 km/h erreicht worden sein - vom spanischen Wetterdienst wurde dieser Wert allerdings nicht bestätigt. In dessen Liste werden als stärkste Böen im Bergland 182 km/h an der Station Cerezo de Arriba (Gran Plató) in 1.880 Metern Höhe - was auf Deutschland bezogen etwa dem Wendelstein in den bayerischen Alpen entspricht - und im Tiefland 148 km/h an der Punta Estaca de Bares, einem Kap im Nordwesten Spaniens, geführt. Höhere Windgeschwindigkeiten wurden auf Teneriffa registriert (z. B. 160 km/h in der Provinz Santa Cruz de Tenerife).
In Frankreich war in der Nacht zum und am Vormittag des 28.02. besonders der Westen und Norden betroffen. Erste Orkanböen meldeten um 1 UTC an der Biskayaküste Pointe de Chassiron mit 128 und Cap Ferret mit 126 km/h. An Ersterem wurden eine Stunde später gar 141 km/h erfasst, während sich das Sturmfeld allmählich auch ins Landesinnere ausbreitete. Blois, rund 150 Kilometer südwestlich von Paris gelegen, brachte es um 5 UTC auf 133, Châteauroux eine Stunde später auf 131 km/h. Auch in den Außenbezirken von Paris selbst wurden Orkanböen verzeichnet (z. B. Montsouris 122 km/h).

Böenverlauf an deutschen Stationen am 28.02.2010.
Die gelbe Linie markiert die Grenze für Sturm (75 km/h),
die rote Line für Orkan (118 km/h).
Derweil legte der Wind in Deutschland nur langsam zu. Die bundesweit erste Orkanböe wurde am frühen Morgen um 5 UTC auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 130 km/h gemessen. Wenig später griffen immerhin schon Sturmböen auf die tiefen Lagen von Rheinland-Pfalz über, ihre volle Stärke entfaltete "Xynthia" aber erst ab dem späten Vormittag (z. B. Trier/Petrisberg 126 km/h um 10 UTC). Innerhalb von wenigen Stunden breitete sich das Sturmfeld von Südwesten her nach Deutschland aus - wie rasch genau, lässt sich zum Beispiel anhand des 557 Meter hohen Weinbiet im Pfälzer Wald verfolgen (siehe Grafik). Wurden dort um 7 UTC noch keine nennenswerten Böen gemessen, waren es um 12 UTC bereits 144 km/h; die höchste Windgeschwindigkeit trat zwischen 13 und 14 UTC mit 166 km/h auf. Zum Vergleich: "Lothar" 1999 fiel dort mit 184 km/h nicht sehr viel stärker aus. Vor allem im südlichen Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, im nördlichen Baden-Württemberg sowie in Hessen wurden verbreitet orkanartige Böen und einzelne Orkanböen bis ins Flachland beobachtet. Nach Nordosten hin schwächte sich der Sturm im Laufe des Abends und in der Nacht zum 01.03. allmählich ab, dennoch reichte es auf dem Brocken im Harz (1.142 Meter) noch zu einer 180-km/h-Böe zwischen 20 und 21 UTC. Dies bedeutete gleichzeitig den höchsten Wert für ganz Deutschland in Zusammenhang mit "Xynthia".
Am Vormittag des 01.03. blies der Wind vor allem im Osten Deutschlands in Böen noch mit Sturm- und schwerer Sturmstärke. In den übrigen Gebieten beruhigte sich das Wetter und der Wind ließ deutlich nach - am Nachmittag dann auch im Osten und Nordosten.
In Polen und auf dem Baltikum hielten sich die Böen in Grenzen; dort wurde nur vereinzelt Windstärke 10 erreicht. Vor dem eigentlichen Sturmfeld jedoch verzeichneten einige Stationen in den Schweizer und österreichischen Alpen kräftigen Föhnsturm (z. B. Altdorf/Kanton Uri 147 km/h). "Xynthia" hinterließ vor allem in Frankreich und im Südwesten Deutschlands eine Spur der Verwüstung. Am 02.03. wurde die Zahl der Todesopfer insgesamt auf 63 beziffert - allein 51 davon in Frankreich. Neun Menschen galten dort zunächst noch als vermisst. In Deutschland kamen sieben Menschen ums Leben. Besonders große Schäden richtete der Orkan an der französischen Atlantikküste an, wo bei Überschwemmungen infolge von Deichbrüchen und kräftigen Regenfällen mit Mengen von örtlich über 40 mm binnen 24 Stunden zahlreiche Personen ertranken. Mehr als eine Million Franzosen waren vorübergehend ohne Strom. Die Schäden lagen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland im Bereich von mehreren hundert Millionen Euro. Umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände, abgedeckte Dächer - die Berichte aus den verschiedenen Regionen ähnelten sich. Vor allem die Deutsche Bahn hatte massive Probleme mit den Auswirkungen des Orkans: In Nordrhein-Westfalen und im Saarland wurde der Zugverkehr vorübergehend komplett, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg teilweise eingestellt. Der Fernbahnhof am Frankfurter Flughafen war ebenso blockiert wie der Stuttgarter Hauptbahnhof. Tausende Reisende saßen stundenlang fest. Auf dem Frankfurter Flughafen fielen etwa 250 Flüge aus.



Weitere Fotos



Wetterwerte

Nachstehend eine Auswahl gemessener Spitzenböen in Portugal, Spanien, Frankreich (links) sowie in Deutschland (rechts) am 27. und 28.02.2010. Quellen: Spanischer Wetterdienst, Météo-France, WetterOnline

Ort Böe Datum
Porto/Flgh. (P)
Ovar (P)
Beja (P)
Estaca de Barres (E)
Santa Cruz de La Palma (E)
Oviedo (E)
Scillé (F)
Spitze des Eiffelturms
Chouilly (F)
Metz (F)
Bordeaux (F)
Paris-Montsouris (F)
109 km/h
108 km/h
104 km/h
148 km/h
128 km/h
117 km/h
161 km/h
155 km/h
148 km/h
136 km/h
122 km/h
122 km/h
27.
27.
27.
27.
27.
27.
27./28.
28.
28.
28.
27./28.
28.
Ort Böe Datum
Brocken (SA, 1.142 m)
Weinbiet/Pf. Wald (RP, 557 m)
Feldberg/Schw. (BW, 1.493 m)
Berus (SL, 367 m)
Idar-Oberstein (RP, 377 m)
Trier/Petrisberg (RP, 273 m)
Aachen (NRW, 205 m)
Frankfurt/Main Flgh. (HE, 113 m)
Rheinstetten (BW, 116 m)
Saarbrücken/Flgh. (SL, 320 m)

180 km/h
166 km/h
137 km/h
133 km/h
126 km/h
126 km/h
122 km/h
115 km/h
115 km/h
112 km/h
28.
28.
28.
28.
28.
28.
28.
28.
28.
28.


Spitzenböen

Frankreich (interpoliert), 27./28.
Quelle: Météo-France
Deutschland (mit Radar 18 UTC), 28.
Quelle: DWD


Satellitenbilder

Satbildanimation vom 27.02., 23:45 MEZ bis 01.03.2010, 23:45 MEZ
in 1-h-Schritten / Größe ca. 4 MB
| Bildquelle: EUMETSAT


27.02., 13:42 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
28.02., 09:48 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
01.03., 11:40 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Text: CE



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