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Montag, 8. Juni 2009, 14:45 MESZ


Schafskälte

Mitteleuropa
03.-06.06.2009


Satellitenbild: 04.06.2009, 13:26 UTC, NOAA-10 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern

Etwa eine Woche früher als gewöhnlich hielt Anfang Juni 2009 in Mitteleuropa die Schafskälte Einzug. In den Nächten gingen die Temperaturen mancherorts bis in Gefrierpunktnähe und damit in den Bereich der Rekordtiefstwerte für Juni zurück, verbreitet trat Bodenfrost auf.


Wetterlage und Entwicklung

Der Witterungsregelfall Schafskälte bezeichnet eine recht zuverlässige meteorologische Singularität, die um Mitte Juni in Mitteleuropa eine Eintreffwahrscheinlichkeit von immerhin knapp 90 Prozent aufweist. Reste von zu dieser Jahreszeit zwar schon stark erwärmter, aber eben noch immer recht kalter Luft polaren Ursprungs fließen dabei nach Süden aus und sorgen für die letzten Frosttage von dem nahenden Sommer.
Für einen solchen Kaltluftausbruch nach Süden benötigt es ein Hoch im Westen sowie tiefen Luftdruck östlich von Mitteleuropa, sodass eine nördliche Strömung in Gang kommt. Auf der Vorderseite eines am 2. und 3. weit nach Süden ausgreifenden Langwellentroges entstand über Nordwestrussland Tief "Isaak". Mit einem Kerndruck von unter 990 hPa am 4. und 5. handelte es sich dabei um eine für Anfang Juni durchaus kräftige Entwicklung. Dem Tief gegenüber stand ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem isländisch-grönländischen Raum, das einen Keil bis nach Frankreich und zu den Alpen vorschob. Zwischen Hoch und Tief strömte die kälteste Luft, die Mitteleuropa um diese Jahreszeit erreichen kann, auf direktem Wege von Spitzbergen nach Süden. In der Höhe 850 hPa kam die 0-Grad-Isotherme am Morgen des 3. im Norden Deutschlands und 24 Stunden später am Main an. Die Luft war dabei nicht nur kalt, sondern auch recht trocken, wie Taupunkte meist nur zwischen 0 °C und +5 °C zeigen. Nur im Norden Deutschlands machte sich von Nord- und Ostsee her feuchtere Luft mit Schauern bemerkbar. Nahe der höhenkältesten Luft mit unter -30 °C im 500-hPa-Niveau traten im Nordosten sogar einzelne Gewitter auf.

Bodendruckanalysen vom 03. bis 06.06.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
03.06.2009, 00 UTC 04.06.2009, 00 UTC 05.06.2009, 00 UTC 06.06.2009, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 03. bis 06.06.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
03.06.2009, 00 UTC 04.06.2009, 00 UTC 05.06.2009, 00 UTC 06.06.2009, 00 UTC

Die einströmende Kaltluft ließ die Temperaturen bereits in der Nacht zum 3. auf den Gipfeln der Mittelgebirge deutlich unter die +5-Grad-Marke sinken (z. B. Brocken +0,5 °C). Am 3., 4. und 5. wurden dort meist nur einstellige Tageshöchstwerte erreicht. Beispielsweise schaffte am 4. selbst der Feldberg im Schwarzwald ein Maximum von nur +7,9 °C - trotz Sonnenschein. Während in den Niederungen im Süden und Südwesten tagsüber immerhin noch Werte zwischen +15 °C und +20 °C erreicht wurden, kamen sie nördlich des Mains nicht über +15 °C hinaus. In einem Bereich mit länger anhaltendem Regen verweilten die Temperaturen am 6. vom nördlichen Rheinland-Pfalz bis nach Thüringen sogar unter +10 °C (z. B. Nürburg +8,4 °C).
Gerade im Sommerhalbjahr offenbart sich der wahre Charakter einer Kaltluftmasse aber erst nachts. Besonders im Mittelgebirgsraum gingen die Temperaturen in den Nächten zum 4. und zum 5. verbreitet auf Werte um +5 °C zurück (z. B. Bergen +2,7 °C in der Nacht zum 5.), doch auch im Norden wurde es empfindlich kalt (z. B. Schleswig +3,1 °C, ebenfalls in der Nacht zum 5.). Mancherorts gab es leichten Bodenfrost; Luftfrost blieb auf die Gipfel der Mittelgebirge beschränkt (z. B. Brocken -0,9 °C und -0,8 °C). Im Süden wurde es zwar nicht ganz so kalt, an einigen Stationen zog sich das Quecksilber dennoch in die Nähe bisheriger Rekordmarken zurück. In der Nacht zum 5. verfehlten Lahr (+4,6 °C) mit sechs Zehntel und Freiburg (+3,4 °C) mit zwei Zehntel ihre Rekorde aus dem Jahre 1962 jeweils nur knapp.
Ein neuer Dekadenrekord, der gleichzeitig einen Rekord für den gesamten Monat Juni darstellt, konnte in der Nacht zum 6. dann aber doch noch vermeldet werden: In Gardelegen, einer kleinen Hansestadt im Norden Schleswig-Holsteins, wurden -0,7 °C gemessen und damit der bisherige Rekord vom 03.06.1962 um sieben Zehntel unterboten. Seit Messbeginn im Jahre 1947 war es dort im Juni noch nie so kalt. Diese letzte Nacht der Schafskälte 2009 entpuppte sich im Norden als die kälteste. Während im Süden dichte Wolken und einsetzender Regen eine stärkere Abkühlung verhinderten, verlief die Nacht in der Mitte und im Norden sternenklar und so wurden zwischen Weser und Elbe sowie erneut im äußersten Norden Temperaturen um den Gefrierpunkt verzeichnet (z. B. Holzdorf -0,2 °C, Quickborn -0,3 °C). Zudem trat großflächig Bodenfrost auf; in Genthin und Quickborn sanken die Temperaturen unmittelbar über der Erdoberfläche bis auf -4 °C.

Kalt wurde es auch in Deutschlands Nachbarstaaten. In der Nacht zum 5. meldeten zum Beispiel Charleville (+1,6 °C) und Reims (+1,7 °C) im Norden Frankreichs sowie Litschau (+0,8 °C) in Niederösterreich an der Grenze zu Tschechien Tiefstwerte um den Gefrierpunkt. Die Nacht zum 6. verlief vor allem in Polen reichlich frisch (z. B. Piła +0,4 °C, Toruń +0,8 °C).

Zusammenfassend kann man von einem für Mitteleuropa Anfang/Mitte Juni nicht untypischen Kälterückfall sprechen, wie er in dieser ausgeprägten Form alle paar Jahre zu erwarten ist. Dass es noch kälter geht, belegen zum Beispiel die Jahre 1991, 1975 und 1962.



Wetterwerte

Nachstehend ausgewählte 12-stündige Tiefsttemperaturen vom 04. bis 06.06.2009 (jeweils bis 06 UTC) in Deutschland; Quelle: DWD

Ort 04.
Brocken (SA)
Kahler Asten (NRW)
Zinnwald (SN)
Kiel (SH)
Göttingen (NDS)
Rheinstetten (BW)
-0,9 °C
1,7 °C
1,9 °C
3,8 °C
4,5 °C
11,3 °C
Ort 05.
Brocken (SA)
Kl. Feldberg/Ts. (HE)
Harzgerode (SA)
Freudenstadt (BW)
Idar-Oberstein (RP)
Rheinstetten (BW)
-0,8 °C
1,7 °C
2,1 °C
2,4 °C
3,3 °C
6,2 °C
Ort 06.
Gardelegen (SA)
Quickborn (SH)
Genthin (SA)
Holzdorf/Flugplatz (BB)
Itzehoe (SH)
Rheinstetten (BW)
-0,7 °C
-0,3 °C
-0,3 °C
-0,2 °C
0,5 °C
9,9 °C


Temperaturen

12-stündige Tiefsttemperaturen vom 03. bis zum 06.06.2009, 18-06 UTC (jeweils unten) | Quelle: IMK, Uni Karlsruhe
03.06.2009 04.06.2009 05.06.2009 06.06.2009


Satellitenbilder

03.06., 02:25 UTC, NOAA IR
Quelle: DLR
04.06., 02:14 UTC, NOAA IR
Quelle: DLR
05.06., 02:03 UTC, NOAA IR
Quelle: DLR
06.06., 01:52 UTC, NOAA IR
Quelle: DLR


Text: CE


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