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Donnerstag, 28. Mai 2009, 19:45 MESZ


Hitze, Gewitter

Mitteleuropa
24.-26.05.2009


Foto: Aufräumarbeiten nach Hagelgewitter in Konstanz
Quelle: Südkurier

Nach zwei ungewöhnlich heißen Tagen mit Rekordtemperaturen in der Schweiz und im Südwesten Deutschlands beendeten heftige Gewitter am 25. und 26. Mai 2009 zunächst in Frankreich und Benelux, später auch in Deutschland und in den Alpenländern die erste kurze Hitzephase des Jahres 2009. Im Süden Baden-Württembergs und Bayerns entstanden durch Hagel und Orkanböen Schäden in Millionenhöhe; zwei Menschen kamen ums Leben.


Wetterlage und Entwicklung

Auf der Rückseite des nach Südosteuropa abwandernden Hochdruckgebietes "Xenia" stellte sich zum 24. eine südliche bis südwestliche Strömung ein, mit der sehr warme - im weiteren Verlauf heiße - Subtropikluft nach West- und Mitteleuropa geführt wurde. Dies geschah an der Ostflanke eines hochreichenden und zunächst über der Iberischen Halbinsel liegenden Tiefs ("Felix"), das Luft aus der Sahara über das westliche Mittelmeer nordwärts transportierte, wo sie sich in den unteren Schichten zunehmend mit Feuchtigkeit anreichern konnte. Noch am 23. erreichte die +15-Grad-Isotherme im 850-hPa-Niveau (ca. 1500 Meter Höhe) den Südwesten Deutschlands, am 25. konnten dort sogar bis +21 °C analysiert werden - ein Wert, der in diesen Breiten selbst im Hochsommer nur an wenigen Tagen beobachtet wird.
Entsprechend hoch stiegen die Temperaturen auch am Boden. Am 23. wurden an der französischen Mittelmeerküste schon Höchstwerte bis +33 °C gemessen (z. B. Marseille +32,7 °C), am 24. kletterte das Quecksilber in Colmar auf +34,3 °C. In der Schweiz verzeichnete Genf mit +33,8 °C einen neuen Mairekord, in Süddeutschland Freiburg mit +33,0 °C und das knapp 1000 Meter hohe Klippeneck mit +28,3 °C. Zum heißesten Tag avancierte allerdings der 25. Im Süden und Südwesten Deutschlands wurden insgesamt neun neue Rekorde für die letzte Maidekade aufgestellt, die allesamt gleichzeitig auch neue Rekorde für den Mai insgesamt bedeuteten. Beispielsweise war es in Freudenstadt (+29,0 °C) an einem Tag im Mai seit 1949 noch nie so warm wie an diesem 25. Mai 2009. Die deutschlandweit höchsten Temperaturen konnten dabei erneut aus dem Breisgau vermeldet werden; eine private Wetterfirma maß in Ihringen am Kaiserstuhl +35,3 °C. In der kompletten Südwesthälfte Deutschlands wurden verbreitet um +30 °C gemessen, selbst Trier schaffte +32,5 °C und damit einen neuen Rekord. Auch in der Schweiz durften die Meteorologen zahlreiche neue Rekorde in die Klimareihen eintragen, so zum Beispiel in Sion (+35,1 °C) und in Chur (+34,1 °C). Zum Vergleich: Der absolute Rekord für das gesamte Jahr liegt in Chur nur etwas mehr als 3 K höher. In Norditalien meldete Verona einen Höchstwert von +36,6 °C.

Bodendruckanalysen vom 24. bis 27.05.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
24.05.2009, 00 UTC 25.05.2009, 00 UTC 26.05.2009, 00 UTC 27.05.2009, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 24. bis 27.05.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
24.05.2009, 00 UTC 25.05.2009, 00 UTC 26.05.2009, 00 UTC 27.05.2009, 00 UTC
Damit hatte die Hitze ihren Höhepunkt erreicht, zog Tief "Felix" doch allmählich nordostwärts über die Mitte Frankreichs hinweg. In der mittleren und oberen Troposphäre gliederte sich das Höhentief der nordatlantischen Frontalzone an und wurde als Höhentrog nach Nordosten gesteuert. An der stark diffluenten Nordseite des Höhentiefs zog im Laufe des 25. ein bereits am Vortag über Spanien entstandener Gewitterkomplex via West- und Nordfrankreich nach Belgien und bis zum Abend über den Westen zur Mitte Deutschlands. In Aleçon fielen zwischen 6 und 7 MESZ am Morgen 24 mm Niederschlag; weitere Gewitter, die bereits mit der Kaltfront von "Felix" in Verbindung standen, brachten zwischen 0 und 1 MESZ am 26. am Pariser Flughafen Charles de Gaulle 17 mm. Diese Gewitter formierten im Bereich des Tiefzentrums von "Felix" zu einem mesoskaligen konvektiven System (MCS), das sich bis zum Morgen des 26. über Nordfrankreich, die Niederlande und Nordwestdeutschland nach Dänemark bewegte. In den Niederlanden fielen binnen zwölf Stunden bis 50 mm Regen am Flughafen Schiphol in Amsterdam. Gleichzeitig griff die Kaltfront in den Frühstunden mit Gewittern auf den Südwesten Deutschlands über, vorlaufend entwickelten sich an einer Konvergenzlinie über der Mitte weitere Gewitter. An und hinter der Kaltfront bildeten sich am Nachmittag im Norden und Osten ebenfalls kräftige Gewitter (z. B. Berlin-Schönefeld 90 km/h); das Hauptaugenmerk lag dann jedoch auf dem Süden des Landes. Aus den Alpen heraus breiteten sich heftige Gewitter mit Unwettercharakter auf den Süden Baden-Württembergs und später nach Bayern aus. Sie waren zuvor über der Schweiz mit Annäherung des markanten Südteiles des Höhentroges emporgequollen. An der Südostflanke dieses neuerlichen MCS überquerte eine ausgeprägte Gewitterlinie zunächst die Nordschweiz, dann die Bodenseeregion, Oberschwaben, das Allgäu, schließlich Ober- und Niederbayern und am Abend den Norden Österreichs. Verbreitet gab es Starkregen, Hagel und schwere Sturm-, örtlich sogar Orkanböen. In Konstanz am Bodensee, wo das Unwetter zwischen 16 und 17 MESZ eintraf, wähnte man sich fast im Winter, nachdem eine dicke Hagelschicht Straßen und Wiesen überzogen hatte. Dazu wehte der Wind in Böen mit 101 km/h. Laupheim verbuchte zwischen 17 und 18 MESZ eine 112-km/h-Böe, Landsberg mit 140 km/h vollen Orkan. Die höchste Windgeschwindigkeit mit unglaublichen 156 km/h wurde in Uhldingen-Mühlhofen am Nordufer des Bodensees an der Wetterstation eines privaten Dienstleisters erfasst.
Imposant lasen sich auch die Niederschlagsmengen. In Mering (Landkreis Aichbach-Friedberg, Bayern) fielen zwischen 17 und 18 MESZ 60 mm, in Aholfing (Niederbayern) zwischen 19 und 20 MESZ 41 mm, in Landshut zwischen 20 und 21 MESZ 32 mm. Ähnlich hohe und Stundensummen wurden zuvor in der Schweiz beobachtet (z. B. 41 mm auf dem Napf im Kanton Bern). Der Durchzug der Gewitterlinie ging zudem mit einem regelrechten Temperatursturz einher - beispielsweise war es in Landshut um 18 MESZ noch 28,7 °C warm, zwei Stunden später wurden nur noch +12,4 °C gemessen. In der Nacht zum 27. verlagerte sich das Starkregengebiet nach Tschechien und Polen und schwächte sich ab. Dennoch summierten sich zwölfstündig bis 8 MESZ in Tschechien zum Beispiel 53 mm in Churáňov und 40 mm in Milešovka.
Eine zweite Kaltfront, an die eine weitere Schauerlinie mit Sturmböen in Norddeutschland (z. B. Nordholz 76 km/h) gekoppelt war, drängte die schwülwarme Luft endgültig nach Südosten ab. In der dahinter einströmenden, deutlich kühleren Atlantikluft beruhigte sich das Wettergeschehen. Die Unwetter richteten besonders im Süden Deutschlands große Schäden an. Allein im Bodenseeraum wurde der Sachschaden auf mehrere Millionen Euro taxiert. Sturmböen rissen Bäume um und beschädigten zahlreiche Häuser und Autos. Im Kreis Tuttlingen durchschlugen hühnereigroße Hagelkörner Dachfenster und -ziegel. Im Bodenseekreis und im Kreis Ravensburg mussten Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zu insgesamt mehr als 700 Einsätzen ausrücken. Über erhebliche Schäden klagten die Landwirte; Wein- und Obstanlagen wurden teilweise völlig zerstört, der Schaden geht in die Millionen. Auf der Strecke Aulendorf - Ravensburg entgleiste ein Interregio-Express der Deutschen Bahn, als dieser gegen einen umgestürzten Baum fuhr. Der Lokführer wurde schwer, fünf Fahrgäste leicht verletzt. Auf dem Bodensee kenterten mehrere Boote.
Bei Hauzenberg im Landkreis Passau (Bayern) wurde ein Mann auf einem Quad von einem umstürzenden Baum erschlagen. Auf dem Münchner Flughafen war der Flugverkehr für rund eine Stunde komplett lahm gelegt. 14 Flüge fielen aus. Zahlreiche Straßen waren wegen umgestürzter Bäume oder Überflutungen unpassierbar - darunter die Autobahn 8 zwischen München und Stuttgart zwischen Odelzhausen und Adelzhausen, die mehrere Stunden lang gesperrt war.
In einige Häuser, Bauernhöfe und Scheuen schlugen Blitze ein und lösten Brände aus, beispielsweise in Viernheim und in Erbach (Alb-Donau-Kreis); dort verbrannten 100 Tiere. Schäden, umgestürzte Bäume und überflutete Straßen wurden auch aus dem Norden und Osten Deutschlands gemeldet. Auf der Weser bei Bremerhaven kollidierte ein norwegischer Autofrachter mit drei anderen Schiffen; bei einem libanesischen Schiff riss die Bordwand an mehreren Stellen auf, ein Container ging über Bord und versank. Im Landkreis Leer (Niedersachsen) fiel wegen Gewittern am Morgen der Unterricht aus.

Auch in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und im Westen Österreichs verursachten die Gewitter schwere Schäden. Der Brüsseler Flughafen musste wegen heftiger Regenfälle und Sturm während der Nacht zum 26. vorübergehend geschlossen werden. Auf der Schweizer Seite des Bodensees wurde ein Autofahrer bei Romanshorn von einem umstürzenden Baum in seinem Auto erdrückt. Vielerorts kam es zu Überflutungen, Bäume wurden von Windböen umgerissen. In der Schweiz belief sich der gesamte Sachschaden auf etwa zehn Millionen Franken (ca. 6,5 Millionen Euro).



Wetterwerte

Nachstehend eine Übersicht über die in der letzten Maidekade 2009 eingestellten und neu aufgetretenen Dekadenrekorde der Höchsttemperatur an deutschen Stationen sowie die bisherigen Rekordwerte mit Datum. Datenquelle: DWD

Ort neu Datum alt Datum
Freiburg
Klippeneck
Trier
Berus
Tholey
Saarbrücken
Freiburg
Lahr
Freudenstadt
Stötten
Augsburg
Kempten
33,0 °C
28,3 °C
32,5 °C
30,7 °C
29,8 °C
31,1 °C
33,7 °C
33,8 °C
29,0 °C
27,5 °C
30,2 °C
30,8 °C
24.05.2009
24.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
25.05.2009
32,7 °C
28,2 °C
32,0 °C
30,1 °C
29,6 °C
30,1 °C
33,0 °C
33,2 °C
28,5 °C
26,7 °C
30,2 °C
30,2 °C
28.05.2005
28.05.2005
27.05.2005
27.05.2005
28.05.2005
27.05.2005
24.05.2009
28.05.2005
28.05.2005
28.05.2005
28.05.2005
27.05.2008


Nachstehend die höchsten gemessenen 1-stündigen Niederschlagsmengen in Frankreich, der Schweiz und Deutschland vom 25. und 26.05.2009 (jeweils bis zum angegeben Zeitpunkt), rechts daneben die höchsten gemessenen 12-stündigen Niederschlagsmengen in den Niederlanden bis zum 26.05., 06 UTC und die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum 27.05., 06 UTC (alles soweit vorliegend). Unten Spitzenböen aus der Schweiz und Deutschland vom 26.05.2009.
Quellen: DWD, WetterOnline


Ort Nds. Datum
Alençon (F)
Alençon (F)
Paris/Flgh. CdG (F)
Napf (CH)
Aadorf (CH)
Ulm (D)
München/Flgh. (D)
Landshut (D)
Großer Arber (D)
24 mm
21 mm
17 mm
41 mm
29 mm
17 mm
20 mm
32 mm
23 mm
25., 05 UTC
25., 14 UTC
25., 23 UTC
26., 13 UTC
26., 14 UTC
26., 16 UTC
26., 18 UTC
26., 19 UTC
26., 20 UTC
Ort 26.
Amsterdam/Schiphol (NL)
Stavoren (NL)
Hoek Van Holland (NL)
Valkenburg (NL)
Wilhelminadorp (NL)
50 mm
47 mm
39 mm
39 mm
38 mm
Ort 27.
Konstanz (D)
Landsberg (D)
Gottfrieding (D)
Großer Arber (D)
Kirchhain (D)
67 mm
44 mm
44 mm
43 mm
37 mm

Ort 26.
Hörnli (CH)
Wädenswil (CH)
Pilatus (CH)
St. Gallen (CH)
Güttingen (CH)
117 km/h
109 km/h
106 km/h
106 km/h
98 km/h
Ort 26.
Landsberg (D)
Großer Arber (D)
Gottfrieding (D)
Laupheim (D)
Hohenpeißenberg (D)
140 km/h
122 km/h
122 km/h
113 km/h
112 km/h


Niederschlag / Gewitter

Radarbilder vom 26./27.05.2009 | Quelle: DWD
26.05.2009, 06 Uhr MESZ 26.05.2009, 12 Uhr MESZ 26.05.2009, 18 Uhr MESZ 27.05.2009, 00 Uhr MESZ
Blitzkarten vom 26./27.05.2009 | Quelle: BLIDS
26.05.2009, 04 bis 06 Uhr MESZ 26.05.2009, 10 bis 12 Uhr MESZ 26.05.2009, 16 bis 18 Uhr MESZ 26., 22 bis 27.05., 00 Uhr MESZ

Nachfolgend vier Niederschlagsgrafiken. Ganz links die 24-stündige interpolierte Niederschlagsmenge in Baden-Württemberg bis zum 27.05.2009, 13 MESZ; daneben stündliche Niederschlagsmengen an der Station Konstanz-Südkurier vom 24. bis 27.05.2009. Quelle: HVZ Baden-Württemberg
Rechts stündliche Niederschlagsmengen an den Stationen Mering (Landkreis Aichbach-Friedberg / Bayern) und Geratshof (Landkreis Landsberg am Lech / Bayern) vom 26. und 27.05.2009. Quelle: HND Bayern




Satellitenbilder

Satbildanimation vom 26.05.2009, 07:00 MESZ bis 21:00 MESZ
in 30-min-Schritten / Größe ca. 6 MB
| Bildquelle: EUMETSAT

25.05., 15:56 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
25.05., 21:09 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
26.05., 05:48 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
26.05., 12:12 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
26.05., 15:32 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
26.05., 20:45 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Text: CE


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