Insgesamt glimpflicher als im Vorfeld erwartet gestaltete sich zu Beginn der letzten Novemberdekade 2008 der erste und
von vielen Medien groß angekündigte Wintereinbruch der Saison 2008/09 in Mitteleuropa. Zwar lag zwischen dem 22. und dem
25. November auch im Flachland vielerorts eine dünne Schneedecke, größere Behinderungen auf Straßen und Schienen blieben
jedoch weitestgehend aus.
Wetterlage und Entwicklung
Um hochreichend kalte Luft von Norden nach Süden, oder umgekehrt warme Luft von Süden nach Norden zu transportieren, muss
die Strömung in der mittleren und oberen Troposphäre eine stark mäandrierende Form aufweisen. Dies geschieht in der
Ausbildung von langwelligen Trögen und Rücken, die sich wegen ihrer großen Amplitude nur langsam verlagern und diese
Luftmassenaustausche bewerkstelligen können.
Zum 20.11.2008 zog ein kräftiges Tief von den Neuenglandstaaten zur Ostküste Kanadas von dort bis zum 22. Richtung
Labradorsee und Davisstraße. Auf seiner Vorderseite führte es sehr warme Luft in den südgrönländischen Raum, was über dem
mittleren Nordatlantik die Aufwölbung eines mächtigen Hochdruckrückens initiierte. Gleichzeitig verschob sich der
nordhemisphärische Kältepol vom Nordpolarmeer und Nordgrönland nach Skandinavien. Sehr tiefes Geopotential überdeckte am
21. und 22. ganz Nordeuropa, die 500 hPa-Druckfläche - normalerweise in diesen Breiten in einer Höhe von rund 5,5 Kilometern
anzutreffen - lag teilweise nur in 4900 Metern Höhe. Mit der Verschiebung des Kältepols ging an der Ostflanke des
atlantischen Rückens die Ausweitung eines imposanten Höhentroges einher, der am 22. bis nach Nordafrika reichte.
Am Boden wurde der Vorstoß kalter Luft nach Mitteleuropa durch die Kaltfront von Tiefdruckgebiet "Gabrijela" eingeleitet,
das mit seinem Zentrum am 19. und 20. über den Süden Skandinavien ostwärts zog. Hinter der Front floss bereits am Abend des
20. ein Schwall hochreichende Kaltluft in den Norden Deutschlands ein und sorgte für erste Graupelschauer und einzelne
Gewitter. Die "richtige", nämlich die arktische Kaltluft folgte jedoch erst einen Tag später am 21. hinter einem sich über
die Nordhälfte der Bundesrepublik südostwärts bewegenden kleinen Tief mit dem Namen "Irmela". Dabei handelte es sich um ein
Randtief des großen skandinavischen Tiefdruckkomplexes, bestehend aus "Gabrijela" - die bis dahin über Nordwestrussland
angekommen war - und "Hannah" über Südschweden und der Ostsee. An der Südwestflanke von "Irmela", die sich am 23. und 24.
als umfangreiches Zentraltief über dem Baltikum positionierte, stieß am Nachmittag des 21. von Nordwesten her die Kaltluft
mit viel Wind vor allem in der Westhälfte Deutschlands südwärts vor. In Verbindung mit der Kaltfront traten teilweise
kräftige Regen-, Schnee- und Graupelschauer sowie einzelne Gewitter auf. Im Bereich der Schauer wurde der stramme
Höhenwind (im 850 hPa-Niveau - etwa 1500 Meter Höhe - konnten bis 55 kt oder 101 km/h analysiert werden) durch vertikalen
Impulstransport bis zum Boden heruntergemischt. So verzeichnete z.B. der Flughafen Köln/Bonn eine Spitzenböe von 108 km/h,
das entspricht Windstärke 11 oder orkanartigem Sturm. Mit der einströmenden Kaltluft gingen die schauerartigen Niederschläge
am Abend und in der Nacht zum 22. in weiten Teilen Deutschlands immer mehr in Schnee über. Besonders im Nordseeumfeld fielen
in der Nähe zum relativ warmen Meerwasser kräftige Schauer, sodass dort am Morgen des 23. die größten Schneehöhen im
Flachland gemessen wurden. Am Bremer Flughafen beispielsweise - normalerweise nicht unbedingt das deutsche
Wintereldorado - lagen 14 cm Schnee. Sonst betrug die Schneehöhe im Flachland meist zwischen 1 und 5 cm. Nur am Mittel- und
Oberrhein reichte es - wie häufig bei vergleichbaren Lagen - vielerorts nicht für eine Schneedecke, zwischen Karlsruhe und
Basel nicht mal für Nachtfrost.
Am 22. entwickelten sich in der extrem höhenkalten Luft - in der Höhe 500 hPa herrschten teilweise Temperaturen von unter
-40 °C; ein Wert, der selbst in hohen Breiten nur selten unterboten wird - zahlreiche Schneeschauer. Über einige Gebiete
des Saarlandes zog am Vormittag von Luxemburg her eine ganze Kette von starken Schneeschauern hinweg, sodass sich innerhalb
weniger Stunden in Saarbrücken 15 cm der weißen Pracht anhäuften.
Zum 23. wölbte sich über dem mittleren Nordatlantik ein weiterer Rücken nach Norden auf und ersetzte den bisherigen Rücken,
der unter Abschwächung über Großbritannien und Westeuropa südwärts wanderte. Die "Delle" dazwischen resultierte aus einem
zunächst breiten, rasch aber immer spitzer werdenden Höhentrog, der an der Südspitze Grönlands ein neues Tief ("Jenny")
entstehen ließ. "Jenny" wurde mit der Höhenströmung südostwärts gesteuert und befand sich am Morgen des 24. mit ihrem
Zentrum über den Beneluxstaaten. Mit Annäherung des okkludierenden Frontensystems begann es am Abend des 23. in der
Westhälfte Deutschlands kräftig zu schneien, bis Mitternacht kamen nicht selten zwischen 5 und 10 cm Neuschnee
zusammen. Auch am Oberrhein bildete sich für wenige Stunden eine geschlossene Schneedecke aus. Da auf der Südseite des Tiefs
von Westen her allerdings mildere Luft advehiert wurde, verwandelte sich der Schnee im Westen und Südwesten in der Nacht
zum 24. unterhalb etwa 500 Meter in Regen. "Jenny" schwächte sich am 24. ab und konnte noch in Form einer flachen
Tiefdruckrinne, in der auch die rückwärtig um den Tiefkern gebogene Okklusion eingebettet war, über der Mitte Deutschlands
ausgemacht werden. Dort schneite es bis zum Nachmittag weiter, Kassel meldete um 19 Uhr MEZ zum Beispiel 12 cm Schnee. Am
Abend setzte sich die Luftmassengrenze wieder langsam südwärts in Bewegung, büßte dabei jedoch deutlich an Wetterwirksamkeit
ein. Die Schneefälle ließen mehr und mehr nach, allerdings erfasste die Kaltluft auch wieder die Bereiche südlich der
Mittelgebirge.
Infolge von Schnee- und Eisglätte, aber auch aufgrund von Sturmböen kam es zu Verkehrsunfällen und Behinderungen. Dabei
starben in Deutschland und Österreich mehrere Menschen. In Nordhessen kamen zwei Menschen auf der Bundesstraße 27 bei
Hünfeld-Rückers, auf der Autobahn 2 nahe Braunschweig eine Frau bei einem Unfall mit einem Streufahrzeug ums Leben.
Im Sturm stürzten am 22. im Westen und Südwesten Deutschlands zahlreiche Bäume um und behinderten kurzzeitig den Verkehr auf
Straßen und Schienen. Sicherheitshalber wurden auf dem Flughafen Frankfurt/Main 110 Flüge gestrichen. Der Duisburger
Hauptbahnhof musste evakuiert werden, nachdem sich Teile des Daches gelöst hatten. In Rheinland-Pfalz kippten auf der
Moseltalbrücke bei Winnigen zwei Lastwagen um, in Mainz fielen mehrere Weihnachtsbäume dem Sturm zum Opfer.
Auch anderswo in Europa meldete sich zum ersten Mal in diesem Spätjahr der Winter zu Wort. Am Morgen des 24. konnten selbst
die Einwohner von Mailand und Piacenza in Norditalien eine 3 bzw. 4 cm hohe Schneedecke bestaunen. Auf dem Balkan gab es
ebenfalls bis in tiefste Lagen Schneefälle. In Landeck im Tiroler Oberland traf am Morgen des 23. der Zollstock erst nach
38 cm auf festen Boden, im nordpolnischen Resko in der Woiwodschaft Westpommern lag der Schnee am 25. sogar über einen
halben Meter hoch!
Am westlichen Mittelmeer trat zudem ausgeprägter Mistral auf. Dabei wird die südwärts vorstoßende Kaltluft durch das
Rhônetal kanalisiert und beschleunigt. Am südfranzösischen Kap Cepet erreichten die Böen am 21. 122 km/h, am 22.
sogar 165 km/h.
Text: CE
Bodendruckanalysen vom 20. bis 25.11.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
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20.11.2008, 00 UTC |
21.11.2008, 00 UTC |
22.11.2008, 00 UTC |
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23.11.2008, 00 UTC |
24.11.2008, 00 UTC |
25.11.2008, 00 UTC |
850 hPa-Geopotential und -Temperatur vom 20. bis 25.11.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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20.11.2008, 00 UTC |
21.11.2008, 00 UTC |
22.11.2008, 00 UTC |
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23.11.2008, 00 UTC |
24.11.2008, 00 UTC |
25.11.2008, 00 UTC |
Wetterwerte
Nachstehend eine Auswahl gemessener Schneehöhen an DWD-Stationen vom 22. bis 25.11.2008, jeweils 06 UTC sowie
einige Spitzenböen in Deutschland am 21.11.2008 (Quelle: WetterOnline).
Ort |
22. |
Rinteln-Volksen (NDS, 56 m) Bremen/Flgh. (HB, 5 m)
Nordholz (NDS, 9 m) Essen (NRW, 161 m) Düsseldorf (NRW, 41 m) Rheinstetten (BW, 161 m) |
15 cm 14 cm 11 cm 3 cm 1 cm
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Ort |
23. |
Rottweil (BW, 607 m) Baiersbronn-Mitteltal (BW, 584 m)
Twistetal-Mühlhausen (HE, 272 m) Wittstock/Rote Mühle (BB, 65 m) Saarbrücken (SL, 320 m)
Rheinstetten (BW, 161 m) |
30 cm 21 cm 15 cm 15 cm 12 cm
- |
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Ort |
24. |
Meßstetten (BW, 920 m) Stötten (BW, 737 m)
Wolfach (BW, 262 m) Rüthen (NRW, 354 m) Westerkappeln (NRW, 60 m) Rheinstetten (BW, 161 m) |
22 cm 18 cm 16 cm 15 cm 12 cm
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Ort |
25. |
Mühlhausen-Görmar (TH, 216 m) Leinefelde (TH, 356 m)
Witzenhausen (HE, 147 m) Kassel (HE, 233 m) Leipzig/Flgh. (SN, 136 m)
Rheinstetten (BW, 161 m) |
12 cm 11 cm 10 cm 9 cm 5 cm
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Ort |
21. |
Weinbiet/Pf. Wald Köln/Bonn Flgh. Wiesbaden
Düsseldorf/Flgh. Memmingen |
112 km/h 108 km/h 100 km/h
97 km/h 96 km/h |
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Schneehöhen
Nachfolgend Übersichtskarten mit gemessenen Schneehöhen in Deutschland vom 22. bis 25.11.2008, jeweils 06 UTC. Quelle: DWD.
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22.11.2008, 06 UTC |
23.11.2008, 06 UTC |
24.11.2008, 06 UTC |
25.11.2008, 06 UTC |
Satellitenbilder
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21.11., 09:43 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
22.11., 09:20 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
23.11., 10:37 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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24.11., 12:25 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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