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Mittwoch, 26. November 2008, 21:45 MEZ


Früher Wintereinbruch/Sturm

Mitteleuropa
21.-24.11.2008


Satellitenbild: 22.11.2008, AQUA VIS
NASA Earth Laboratory

Insgesamt glimpflicher als im Vorfeld erwartet gestaltete sich zu Beginn der letzten Novemberdekade 2008 der erste und von vielen Medien groß angekündigte Wintereinbruch der Saison 2008/09 in Mitteleuropa. Zwar lag zwischen dem 22. und dem 25. November auch im Flachland vielerorts eine dünne Schneedecke, größere Behinderungen auf Straßen und Schienen blieben jedoch weitestgehend aus.


Wetterlage und Entwicklung

Um hochreichend kalte Luft von Norden nach Süden, oder umgekehrt warme Luft von Süden nach Norden zu transportieren, muss die Strömung in der mittleren und oberen Troposphäre eine stark mäandrierende Form aufweisen. Dies geschieht in der Ausbildung von langwelligen Trögen und Rücken, die sich wegen ihrer großen Amplitude nur langsam verlagern und diese Luftmassenaustausche bewerkstelligen können.
Zum 20.11.2008 zog ein kräftiges Tief von den Neuenglandstaaten zur Ostküste Kanadas von dort bis zum 22. Richtung Labradorsee und Davisstraße. Auf seiner Vorderseite führte es sehr warme Luft in den südgrönländischen Raum, was über dem mittleren Nordatlantik die Aufwölbung eines mächtigen Hochdruckrückens initiierte. Gleichzeitig verschob sich der nordhemisphärische Kältepol vom Nordpolarmeer und Nordgrönland nach Skandinavien. Sehr tiefes Geopotential überdeckte am 21. und 22. ganz Nordeuropa, die 500 hPa-Druckfläche - normalerweise in diesen Breiten in einer Höhe von rund 5,5 Kilometern anzutreffen - lag teilweise nur in 4900 Metern Höhe. Mit der Verschiebung des Kältepols ging an der Ostflanke des atlantischen Rückens die Ausweitung eines imposanten Höhentroges einher, der am 22. bis nach Nordafrika reichte. Am Boden wurde der Vorstoß kalter Luft nach Mitteleuropa durch die Kaltfront von Tiefdruckgebiet "Gabrijela" eingeleitet, das mit seinem Zentrum am 19. und 20. über den Süden Skandinavien ostwärts zog. Hinter der Front floss bereits am Abend des 20. ein Schwall hochreichende Kaltluft in den Norden Deutschlands ein und sorgte für erste Graupelschauer und einzelne Gewitter. Die "richtige", nämlich die arktische Kaltluft folgte jedoch erst einen Tag später am 21. hinter einem sich über die Nordhälfte der Bundesrepublik südostwärts bewegenden kleinen Tief mit dem Namen "Irmela". Dabei handelte es sich um ein Randtief des großen skandinavischen Tiefdruckkomplexes, bestehend aus "Gabrijela" - die bis dahin über Nordwestrussland angekommen war - und "Hannah" über Südschweden und der Ostsee. An der Südwestflanke von "Irmela", die sich am 23. und 24. als umfangreiches Zentraltief über dem Baltikum positionierte, stieß am Nachmittag des 21. von Nordwesten her die Kaltluft mit viel Wind vor allem in der Westhälfte Deutschlands südwärts vor. In Verbindung mit der Kaltfront traten teilweise kräftige Regen-, Schnee- und Graupelschauer sowie einzelne Gewitter auf. Im Bereich der Schauer wurde der stramme Höhenwind (im 850 hPa-Niveau - etwa 1500 Meter Höhe - konnten bis 55 kt oder 101 km/h analysiert werden) durch vertikalen Impulstransport bis zum Boden heruntergemischt. So verzeichnete z.B. der Flughafen Köln/Bonn eine Spitzenböe von 108 km/h, das entspricht Windstärke 11 oder orkanartigem Sturm. Mit der einströmenden Kaltluft gingen die schauerartigen Niederschläge am Abend und in der Nacht zum 22. in weiten Teilen Deutschlands immer mehr in Schnee über. Besonders im Nordseeumfeld fielen in der Nähe zum relativ warmen Meerwasser kräftige Schauer, sodass dort am Morgen des 23. die größten Schneehöhen im Flachland gemessen wurden. Am Bremer Flughafen beispielsweise - normalerweise nicht unbedingt das deutsche Wintereldorado - lagen 14 cm Schnee. Sonst betrug die Schneehöhe im Flachland meist zwischen 1 und 5 cm. Nur am Mittel- und Oberrhein reichte es - wie häufig bei vergleichbaren Lagen - vielerorts nicht für eine Schneedecke, zwischen Karlsruhe und Basel nicht mal für Nachtfrost. Am 22. entwickelten sich in der extrem höhenkalten Luft - in der Höhe 500 hPa herrschten teilweise Temperaturen von unter -40 °C; ein Wert, der selbst in hohen Breiten nur selten unterboten wird - zahlreiche Schneeschauer. Über einige Gebiete des Saarlandes zog am Vormittag von Luxemburg her eine ganze Kette von starken Schneeschauern hinweg, sodass sich innerhalb weniger Stunden in Saarbrücken 15 cm der weißen Pracht anhäuften.
Zum 23. wölbte sich über dem mittleren Nordatlantik ein weiterer Rücken nach Norden auf und ersetzte den bisherigen Rücken, der unter Abschwächung über Großbritannien und Westeuropa südwärts wanderte. Die "Delle" dazwischen resultierte aus einem zunächst breiten, rasch aber immer spitzer werdenden Höhentrog, der an der Südspitze Grönlands ein neues Tief ("Jenny") entstehen ließ. "Jenny" wurde mit der Höhenströmung südostwärts gesteuert und befand sich am Morgen des 24. mit ihrem Zentrum über den Beneluxstaaten. Mit Annäherung des okkludierenden Frontensystems begann es am Abend des 23. in der Westhälfte Deutschlands kräftig zu schneien, bis Mitternacht kamen nicht selten zwischen 5 und 10 cm Neuschnee zusammen. Auch am Oberrhein bildete sich für wenige Stunden eine geschlossene Schneedecke aus. Da auf der Südseite des Tiefs von Westen her allerdings mildere Luft advehiert wurde, verwandelte sich der Schnee im Westen und Südwesten in der Nacht zum 24. unterhalb etwa 500 Meter in Regen. "Jenny" schwächte sich am 24. ab und konnte noch in Form einer flachen Tiefdruckrinne, in der auch die rückwärtig um den Tiefkern gebogene Okklusion eingebettet war, über der Mitte Deutschlands ausgemacht werden. Dort schneite es bis zum Nachmittag weiter, Kassel meldete um 19 Uhr MEZ zum Beispiel 12 cm Schnee. Am Abend setzte sich die Luftmassengrenze wieder langsam südwärts in Bewegung, büßte dabei jedoch deutlich an Wetterwirksamkeit ein. Die Schneefälle ließen mehr und mehr nach, allerdings erfasste die Kaltluft auch wieder die Bereiche südlich der Mittelgebirge. Infolge von Schnee- und Eisglätte, aber auch aufgrund von Sturmböen kam es zu Verkehrsunfällen und Behinderungen. Dabei starben in Deutschland und Österreich mehrere Menschen. In Nordhessen kamen zwei Menschen auf der Bundesstraße 27 bei Hünfeld-Rückers, auf der Autobahn 2 nahe Braunschweig eine Frau bei einem Unfall mit einem Streufahrzeug ums Leben.
Im Sturm stürzten am 22. im Westen und Südwesten Deutschlands zahlreiche Bäume um und behinderten kurzzeitig den Verkehr auf Straßen und Schienen. Sicherheitshalber wurden auf dem Flughafen Frankfurt/Main 110 Flüge gestrichen. Der Duisburger Hauptbahnhof musste evakuiert werden, nachdem sich Teile des Daches gelöst hatten. In Rheinland-Pfalz kippten auf der Moseltalbrücke bei Winnigen zwei Lastwagen um, in Mainz fielen mehrere Weihnachtsbäume dem Sturm zum Opfer.

Auch anderswo in Europa meldete sich zum ersten Mal in diesem Spätjahr der Winter zu Wort. Am Morgen des 24. konnten selbst die Einwohner von Mailand und Piacenza in Norditalien eine 3 bzw. 4 cm hohe Schneedecke bestaunen. Auf dem Balkan gab es ebenfalls bis in tiefste Lagen Schneefälle. In Landeck im Tiroler Oberland traf am Morgen des 23. der Zollstock erst nach 38 cm auf festen Boden, im nordpolnischen Resko in der Woiwodschaft Westpommern lag der Schnee am 25. sogar über einen halben Meter hoch!
Am westlichen Mittelmeer trat zudem ausgeprägter Mistral auf. Dabei wird die südwärts vorstoßende Kaltluft durch das Rhônetal kanalisiert und beschleunigt. Am südfranzösischen Kap Cepet erreichten die Böen am 21. 122 km/h, am 22. sogar 165 km/h.

Text: CE

Bodendruckanalysen vom 20. bis 25.11.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
20.11.2008, 00 UTC 21.11.2008, 00 UTC 22.11.2008, 00 UTC
23.11.2008, 00 UTC 24.11.2008, 00 UTC 25.11.2008, 00 UTC
850 hPa-Geopotential und -Temperatur vom 20. bis 25.11.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
20.11.2008, 00 UTC 21.11.2008, 00 UTC 22.11.2008, 00 UTC
23.11.2008, 00 UTC 24.11.2008, 00 UTC 25.11.2008, 00 UTC


Wetterwerte

Nachstehend eine Auswahl gemessener Schneehöhen an DWD-Stationen vom 22. bis 25.11.2008, jeweils 06 UTC sowie einige Spitzenböen in Deutschland am 21.11.2008 (Quelle: WetterOnline).

Ort 22.
Rinteln-Volksen (NDS, 56 m)
Bremen/Flgh. (HB, 5 m)
Nordholz (NDS, 9 m)
Essen (NRW, 161 m)
Düsseldorf (NRW, 41 m)
Rheinstetten (BW, 161 m)
15 cm
14 cm
11 cm
3 cm
1 cm
-
Ort 23.
Rottweil (BW, 607 m)
Baiersbronn-Mitteltal (BW, 584 m)
Twistetal-Mühlhausen (HE, 272 m)
Wittstock/Rote Mühle (BB, 65 m)
Saarbrücken (SL, 320 m)
Rheinstetten (BW, 161 m)
30 cm
21 cm
15 cm
15 cm
12 cm
-
Ort 24.
Meßstetten (BW, 920 m)
Stötten (BW, 737 m)
Wolfach (BW, 262 m)
Rüthen (NRW, 354 m)
Westerkappeln (NRW, 60 m)
Rheinstetten (BW, 161 m)
22 cm
18 cm
16 cm
15 cm
12 cm
-
Ort 25.
Mühlhausen-Görmar (TH, 216 m)
Leinefelde (TH, 356 m)
Witzenhausen (HE, 147 m)
Kassel (HE, 233 m)
Leipzig/Flgh. (SN, 136 m)
Rheinstetten (BW, 161 m)
12 cm
11 cm
10 cm
9 cm
5 cm
-

Ort 21.
Weinbiet/Pf. Wald
Köln/Bonn Flgh.
Wiesbaden
Düsseldorf/Flgh.
Memmingen
112 km/h
108 km/h
100 km/h
97 km/h
96 km/h


Schneehöhen

Nachfolgend Übersichtskarten mit gemessenen Schneehöhen in Deutschland vom 22. bis 25.11.2008, jeweils 06 UTC. Quelle: DWD.

22.11.2008, 06 UTC 23.11.2008, 06 UTC 24.11.2008, 06 UTC 25.11.2008, 06 UTC


Satellitenbilder

21.11., 09:43 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
22.11., 09:20 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
23.11., 10:37 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
24.11., 12:25 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern



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