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Sonntag, 5. November 2006, 20:00 MEZ


Orkantief "Britta"

Mittel,- Nordeuropa
31.10./1.11.2006


Satellitenbild: 1.11.2006, 10:04 UTC, NOAA 14 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern


Wetterlage und Entwicklung
Am 1. November erlebten weite Teile Nord- und Ostdeutschlands den ersten schweren Herbststurm der Saison 2006/07. Das Orkantief, das am 28.10. erstmals als junge Wellenstörung über dem nördlichen Atlantik analysiert wurde und in den folgenden Tagen über Schottland und Dänemark hinweg zum Baltikum zog, erhielt den Namen "Britta".
"Britta" entstand an der Südflanke eines bereits gealterten Tiefdruckgebietes östlich von Neufundland. Dieses Tief war eingebettet in einen langwelligen Höhentrog, dessen Hauptachse am 27. von Grönland nach Südwesten verlief. Kaltluftadvektion von Norden in den Trog hinein sowie ein von Westen nachfolgender Rücken vergrößerten die Amplitude des Troges und ließen ihn am 28. etwas weiter nach Osten voran kommen. Auf der Vorderseite begann am Boden der Luftdruck zu fallen. Bereits einen Tag später hatte sich aus der daraus resultierenden Frontalwelle ein eigenständiges Tiefdruckgebiet mit Kerndruck unter 1005 hPa formiert. Der Trog verschmälerte sich weiter, am 30. erfolgte ein Cut-Off-Prozess. Während sich der Südteil nach Süden verlagerte, wanderte der Nordteil unter Verkürzung der Wellenlänge nach Osten. Auf diese Weise verstärkte Hebung auf der Ostseite begünstigte die weitere Intensivierung des Bodentiefs. Der Druck in dessen Zentrum betrug am 30. unter 1000 hPa, 24 Stunden später war er bereits auf unter 985 hPa gesunken. Inzwischen hatte das Tief die Küste Südnorwegens erreicht und bildete eine Art dipolartige Struktur mit zwei separaten Kernen aus. Dabei spielte zum einen vermutlich die Lee-Wirkung des norwegischen Küstengebirges eine Rolle. Weitaus mehr wirkte sich zum anderen allerdings ein von Norden heranschwenkender Kurzwellentrog aus, der in den ursprünglichen Trog hinein lief und mit sehr kalter Luft (zum Teil unter -40 °C in 500 hPa) diesen letztendlich zu einem neuen Langwellentrog über dem mittleren und östlichen Europa verstärkte. Währenddessen entwickelte sich vorderseitig des Kurzwellentroges der zweite Tiefkern, der schließlich über Südnorwegen und Nordostdeutschland bis zum 01.11. nach Polen zog und sich dort wieder auflöste. Zu diesem Zeitpunkt war das Hauptzentrum des Tiefs bereits über den baltischen Staaten auszumachen.
Zu "Britta" bzw. zu den zwei Tiefzentren gehörten zwei Kaltfronten, die in kurzem Abstand bis zum Morgen des 01.11. Deutschland von Nordwest nach Südost überquerten. Dabei fielen verbreitet etwa 2 bis 10 mm Regen. Der Wind frischte auf, der Brocken meldete um 0 Uhr MEZ bereits 101 km/h in Böen. Vor allem im nordostdeutschen Flachland wurden zu diesem Zeitpunkt Böen bis Stärke 7 (50 bis 60 km/h) gemessen. Die stärksten Böen traten jedoch erst in Verbindung mit einem vom sekundären Tiefkern ausgehenden markanten Bodentrog auf, in den zusätzlich eine scharfe Konvergenzlinie eingebettet war. Dieser erreichte in den frühen Morgenstunden des 1. Norddeutschland und verlagerte sich zügig über die Osthälfte hinweg südostwärts. Davon am meisten betroffen waren wiederum Nord- und Ostdeutschland, wo es verbreitet auch im Flachland zu Sturm-, gebietsweise auch zu schweren Sturmböen über 100 km/h kam (z.B. Dresden, Lichtenhain je 101 km/h). Böen in Orkanstärke wurden an der Nordseeküste (z.B. Alte Weser Leuchtturm 137, Feuerschiff Tiefenwasser Ems und Feuerschiff Deutsche Bucht je 126 km/h) sowie auf dem Brocken (148 km/h) und auf dem Wendelstein (122 km/h) beobachtet.
Hinter der Troglinie strömte kalte Luft arktischen Ursprungs nach Deutschland, so dass zumindest in der Osthälfte des Landes erste Schneeflocken bis ins Flachland fielen. So meldeten beispielsweise Marnitz und Schwerin am Morgen des 2. eine durch nächtliche Schauer entstandene Schneedecke von 1 cm. Weiter Richtung Westen machten sich bereits von einem Hoch bei den Britischen Inseln induzierte Absinkvorgänge bemerkbar. Dort reichte es nur in den Mittelgebirgen für eine dünne Schneedecke (z.B. Brocken 6, Kahler Asten und Wasserkuppe je 2 cm). Mit Ausnahme der Küstenregionen und einzelnen Orten im Westen sanken erstmalig in diesem Herbst in der Nacht zum 2. deutschlandweit die Temperaturen unter den Gefrierpunkt.
Am 2. verlagerte sich "Britta" insgesamt weiter nach Osten, über Deutschland schwächte sich die nördliche Strömung ab. Dennoch verzeichneten zahlreiche Stationen - wiederum hauptsächlich in Ostdeutschland - Böen bis Stärke 7, an den Küsten auch noch Sturmböen (z.B. Alte Weser Leuchtturm, Boltenhagen und Greifswalder Oie je 86; Feuerschiff Deutsche Bucht und Kiel Leuchtturm je 83 km/h). Auf den Bergen gab es letzte orkanartige (Wendelstein 115, Fichtelberg 108 km/h) bzw. schwere Sturmböen (Brocken und Großer Arber je 90 km/h).
Infolge des Orkans kam es an der Nordsee in den Morgen- und Vormittagsstunden des 1. zu einer Sturmflut, die an der Emsmündung mit 3,59 m über dem Normalstand den dort höchsten jemals gemessenen Wert erreichte. In Hamburg war zunächst ein Pegel von 5,80 m über Normal erwartet worden, der mit einem Höchststand von 4,88 m jedoch deutlich verfehlt wurde. Dennoch standen die Speicherstadt und die tiefer gelegenen Gebiete am nördlichen Hamburger Elbufer unter Wasser. Zuvor hatte sich durch den Wind in der Nacht im Hafen ein Containerschiff losgerissen, das aber mit Hilfe eines Schleppers wieder gesichert werden konnte. In der Nordsee riss sich eine Bohrplattform von einem Schlepper los. Für die 75 Mann starke Besatzung habe jedoch keine Gefahr bestanden. Auch weiter landeinwärts hinterließ "Britta" ihre Spuren, entwurzelte zahlreiche Bäume und knickte Verkehrsschilder um. Dabei verletzte sich ein Mann in Dresden schwer. In Wilhelmshaven wurden mehrere Toiletten- und Müllcontainer ins Meer geweht und ein Strandbad unterspült.
Schlimmer wütete "Britta" im Süden Skandinaviens und richtete dort auch auf dem Festland größere Schäden an. Aus Norwegen wurden Orkanböen bis 167 km/h gemeldet (Oseberg).

Bodendruckanalysen vom 30.10. bis zum 2.11.2006 und 500 hPa-Geopotential vom 30.10. bis zum 2.11.2006, jeweils 00 UTC:
Quelle: FU Berlin / DWD / Wetterzentrale
30.10.2006, 00 UTC 31.10.2006, 00 UTC 1.11.2006, 00 UTC 2.11.2006, 00 UTC
30.10.2006, 00 UTC 31.10.2006, 00 UTC 1.11.2006, 00 UTC 2.11.2006, 00 UTC

Windspitzen

Nachstehend eine Auswahl gemessener Spitzenböen vom 31.10. auf den 1.11.2006 an in Deutschland mit mehr als 100 km/h sowie die Spitzenböen einiger nordeuropäischer Stationen:

Ort
Brocken
Alte Weser LT
Feuerschiff Tiefenwasser Ems
Feuerschiff Deutsche Bucht
Norderney
Wendelstein
Helgoland
St.-Peter-Ording
Wittmundhaven
Zugspitze
Fichtelberg
List/Sylt
Emden
Elpersbüttel
Nordholz
Feldberg/Schwarzwald
Greifswalder Oie
Kiel LT
Lichtenhain-Mittelndorf
Dresden
Ummendorf
Oseberg (Norwegen)
Ekofisk (Norwegen)
Gullfax (Norwegen)
Tyra Oest (Dänemark)
148 km/h
137 km/h
126 km/h
126 km/h
122 km/h
122 km/h
119 km/h
112 km/h
112 km/h
108 km/h
108 km/h
108 km/h
108 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
101 km/h
167 km/h
156 km/h
148 km/h
148 km/h

30.10.06, 14:03 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton
30.10.06, 14:03 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton
30.10.06, 21:08 UTC, N17 IR
Quelle: B. J. Burton
29.10.06, 14:13 UTC, N18 VIS
Quelle: B. J. Burton
31.10.06, 12:18 UTC, N18 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
1.11.06, 12:03 UTC, N18 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern



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