Montag, 20. Juni 2016, 11:00 MESZ
Heftige Gewitter/Regenfälle Mitteleuropa 16. - 17.06.2016 Gewitterzelle in Südbayern, 16.06.2016 Quelle: Marco Kaschuba |
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Mitte Juni 2016 kam es erneut zu heftigen Gewittern in weiten Teilen von Mitteleuropa. An der Vorderseite eines Langwellentroges über Westeuropa stellte sich zudem eine kräftige Dauerregenlage ein. In der Schweiz wurden zum Teil über 100 mm Regen in 24 Stunden gemessen. Aufgrund von kräftiger Divergenz in der Höhe, bildete sich am 16.06. Bodentief "Karin" über dem Südosten Bayerns und zog in der Folge in nordöstlicher Richtung weiter. Eine rasche Intensivierung sorgte für einen großen Druckgradienten, der frische bis starke Windböen zur Folge hatte. Über dem Osten Polens kam es an der Vorderseite des Bodentiefs in der feuchtwarmen Luft zu sehr hefigen Gewitter. Vier Menschen kamen dabei ums Leben, viele weitere wurden verletzt.
Wetterlage und Entwicklung Nach der historischen Gewitterlage Ende Mai/Anfang Juni 2016 beruhigte sich das Wetter kurzzeitig für mehrere Tage mit einem Höhenrücken über Westeuropa. Zur Monatsmitte gelangten dann mehrere Kurzwellentröge nach Mitteleuropa und sorgten erneut für einen wechselhaften Abschnitt mit Schauern und Gewittern. Am 13.06. etablierte sich eine Tiefdruckrinne vom Nordatlantik über die Britischen Inseln und Mitteleuorpa bis in den Südosten des Kontinents. Damit verbunden reichte ein kräftiger Langwellentrog von Nordspanien südostwärts bis nach Libyen. In der Folge stieß der westliche Teil des Troges aufgrund kräftiger Kaltluftadvektion über dem östlichen Atlantik nach Süden vor und reichte am 15.06. bis in den Süden Spaniens. In 300 hPa hatte sich ein abgeschlossenes Höhentief über dem Westen Europas festgesetzt. An seiner Südflanke herrschte eine kräftige Höhenströmung vor (110 - 130 kn im Mittel). Mit der Verlagerung des Höhentroges nach Osten wurde aus dem südlichen Mittelmeerraum warme Luft nach Norden advehiert. Die 25 °C - Isotherme in 850 hPa erreichte am 16.06. den Süden Italiens. An den folgenden beiden Tagen lag zunächst der Balkan und später das östliche Europa in der warmen Luftmasse. Auch der östliche Alpenraum lag am 17.06. im Bereich der warmen Luft, sodass sich über Mitteleuropa ein relativ großer Temperaturgradient zu der kühleren Atlantikluft im Westen einstellte (ca. 5 °C - 10 °C in 850 hPa). In der Höhe schwenkte die Strömung durch die Verlagerung des Troges am 16.06. und 17.06 auf Südwest. Kräftige Höhenwinde (über 100 kn) wehten über Mitteleuropa. Durch die starke Krümmung des Troges über Spanien und der kräftigen Höhenströmung kam es zu großen Werten der relativen Vorticity am 16.06. und 17.06., die mit der südwestlichen Strömung nach Mitteleuropa advehiert wurde. Diese Gebiete mit positiver Vorticityadvektion sorgten für kräftige Hebung am 16.06. im Alpenraum und dem Südosten Bayerns. Am 17.06. lag das Gebiet dann weiter im Nordosten über dem Nordwesten Polens und der Ostsee. Verbunden mit der positiven Vorticityadvektion kam es zu kräftiger Hebung in der mittleren Troposphähre. Dadurch sank der Druck am Boden und folglich entstand am 17.06. am Nachmittag über dem Südosten Bayerns ein Bodentief, das den Namen "Karin" erhielt. Aufgrund der kräftigen Hebung intensivierte sich das Tief bei seiner nordöstlichen Verlagerung recht schnell. Im Übergangsbereich zwischen den Luftmassen kam es zunächst im Alpenraum und dem Süden von Baden-Württemberg und Bayern zu konvektiv verstärkten Regenfällen. Am Freitag konzentrierte sich das Gebiet dan auf den Osten Deutschlands und den Nordwesten Polens. Vor dem Dauerregen bildeten sich am 16.06. im Südosten Bayerns kräftige Gewitter mit großem Hagel, Starkregen und Sturmböen. Am 17.06. traten kräftige Gewitter im Osten von Polen, in Weißrussland und Litauen auf.
Gewitter im Südosten Bayerns am 16.06.2016
Dauerregen über Mitteleuropa am 16.06. und 17.06. Seit Mitte Mai 2016 sind durch Starkregenereignisse in vielen Regionen im Süden von Baden-Württemberg und Bayern bereits zwischen 200 mm und 400 mm Regen gefallen. In diesem Kontext hat jede weitere Dauerregenlage direkt die Gefahr von weiteren Überschwemmungen zur Folge. Die Böden sind aufgeweicht und das Wasser kann folglich nur oberflächlich in die immer noch randvollen Bäche und Flüsse abfießen. An der Vorderseite des markanten Langwellentroges über Westeuropa wurden Gebiete großer relativer Vorticity am 16.06. und 17.06. nach Mitteleuropa advehiert. Am Nachmittag des 16.06. regenete es kräftig von der Schweiz bis in das südliche Bayern und Baden-Württemberg. Zum Teil war der Dauerregen konvektiv verstärkt. Die größten Regenmengen fielen in der Schweiz. Hier kamen binnen 24 Stunden an einigen Orten über 100 mm zusammen. Mit der Verlagerung der Niederschläge in den Osten Deutschlands am 17.06. lies auch deren Intensität allmählich nach. Aufgrund der Regenfälle in der Schweiz stieg der Pegel des Rheins im Oberlauf stark an. Damit nahm auch der Bodensee nochmals große Mengen an Wasser auf und erreichte beispielsweise in Konstanz einen Pegelstand von über 5,10 m. Dies entspricht einem 10-jährigem Hochwasserstand und liegt nur ca. 50 cm unter dem historischen Hochwasser von 1999. Auch der Rhein und die Donau erreichten meist zweijährige Hochwassermarken. Der Rhein bei Maxau überschritt am 18.06. die 8 m Marke. Neben dem Rhein führten in der Schweiz noch viele weitere Flüsse Hochwasser. Insgesamt waren hier die Folgen des Dauerregens größer als im Nachbarland Deutschland.
Gewitter im Osten Polens am 17.06. Mit der nordöstlichen Verlagerung von Bodentief "Karin" lag der Osten Polens am 17.06. in der sehr warmen und feuchten Luft, die aus Südosteuropa nach Norden transportiert wurde. Im Vergleich zu den Gewittern am Tag davor in Bayern war die Luft in Polen damit wesentlich energiereicher. Es bildeten sich sehr kräftige Gewitter mit Starkregen, großem Hagel und Orkanböen. Zahlreiche Bäume wurden entwurzelt, Häuser und Infrastruktur beschädigt. Vier Menschen kamen bei den Gewittern ums Leben. Aufgrund der kräftigen vertikalen Windscherung und dem Hebungsantrieb durch positive Vorticityadvektion konnten sich in der energiereichen Luft entsprechend heftige Gewitter bilden. Am späten Nachmittag erreichten die Gewitter auch Weißrussland und das Baltikum.
Text: JW 20. Juni 2016 |