Banner
Der Internet Explorer bietet nur eine eingeschränkte Funktionalität. The browser you're using is only limited functionable.

Mittwoch, 16. Oktober 2013, 22:00 MESZ


Schnee, Schneebruch

Südbayern, Nordalpen
10./11.10.2013


Foto: Knapp 20 cm Schnee in Schaftlach am Tegernsee
(Oberbayern) am Vormittag des 11.10.2013.
© Hans (Schaftlach-Tegernsee, 762m), Wetterzentrale Forum

Rund eine Woche lang bestimmte Mitte Oktober 2013 das hoch reichende Tiefdrucksystem "Xenon" maßgeblich das Wettergeschehen in West- und Mitteleuropa. Zu Beginn dieser Phase kam es in Südbayern und im Nordalpenraum zu für die Jahreszeit intensiven Schneefällen, die am bayerischen Alpenrand und im Westen Österreichs teilweise massive Probleme durch Schneebruch nach sich zogen.


Wetterlage und Entwicklung

"Xenon" wird auf den Analysekarten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bzw. der FU Berlin erstmals am 07.10.2013 um 00 UTC namentlich erwähnt. Demnach lag das Zentrum des Tiefs zu diesem Zeitpunkt noch ohne abgeschlossene Hauptisobare knapp südlich von Grönland. Derweil zog ein weiteres Tief, am 08. um 00 UTC ebenfalls als "Xenon" tituliert, vom östlichen Nordatlantik zu den Shetlandinseln. Das ursprüngliche Tief "Xenon" verlagerte sich über Island südostwärts und erhielt vom 09., 00 UTC an die Bezeichnung "Xenon II", während das von Südwesten kommende Tief als "Xenon I" über den Norden Skandinaviens nordostwärts gesteuert wurde. In der Folge näherten sich Mitteleuropa von Nordwesten her zum einen die Kaltfront von "Xenon I" und zum anderen, in kurzem Abstand folgend, die Okklusion mit Kaltfrontcharakter von "Xenon II". Beide Frontensysteme überquerten Deutschland bis zum 10. südostwärts.

Bodendruckanalysen vom 09. bis 12.10.2013 | Quelle: FU Berlin / DWD
09.10.2013, 00 UTC 10.10.2013, 00 UTC 11.10.2013, 00 UTC 12.10.2013, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 09. bis 12.10.2013 | Quelle: Wetterzentrale
09.10.2013, 00 UTC 10.10.2013, 00 UTC 11.10.2013, 00 UTC 12.10.2013, 00 UTC

Infolge von Um- und Überströmeffekten bildete sich südlich der Alpen im Laufe des 10. ein Leetief aus, "Xenon III". Deutlich intensivieren konnte sich dieses am Abend desselben Tages, als es unter die Vorderseite des sich von Nordwesten annähernden und zu dem nördlichen Kern korrespondierenden Höhentroges geriet. Dieser schnürte sich zu einem eigenständigen Höhentief ab und verlagerte sich mit seinem Zentrum Richtung Nord- und Ostfrankreich. Entscheidend für die weitere Entwicklung war die ungewöhnlich kräftige Ausprägung des Höhentiefs mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten in dessen Randbereichen. In 500 hPa, etwa 5 km Höhe entsprechend, wurden verbreitet um 50, teilweise sogar bis 80 kt (148 km/h) im Mittel analysiert. Die dadurch mit initiierten dynamischen Hebungsprozesse ließen den Kerndruck von "Xenon III" am 10. zwischen 12 und 18 UTC über Oberitalien um mehr als 10 hPa fallen. Auf der Vorderseite des Tiefs kam vorübergehend kräftige Warmluftadvektion in Gang, die am späten Abend und in der Nacht zum 11. über die Alpen hinweg nordwärts ausgriff. Dort stellte sich eine Gegenstromlage ein mit einer nordwestlichen Strömung in den unteren Schichten und kräftigen Süd- bis Südwestwinden in der mittleren und oberen Troposphäre. Im Zuge der niedertroposphärisch einströmenden subpolaren Kaltluft gingen die Temperaturen in 850 hPa innerhalb weniger Stunden von anfänglich mehr als +5 °C auf bis zu -3 °C zurück.

Pseudopotentielle Temp. (= Maß für den Energiegehalt der Luft) in 850 hPa und Bodendruck, 10./11.10.2013 | Quelle: wetter3.de
10.10.2013, 00 UTC 10.10.2013, 12 UTC 11.10.2013, 00 UTC 11.10.2013, 12 UTC

Im Laufe des 10. setzten in Süddeutschland von Nordwesten her zunächst anhaltende und teilweise kräftige Regenfälle ein, die jedoch bereits in den Nachmittagsstunden zunehmend bis in tiefere Lagen in Schnee übergingen. Um 15 Uhr MESZ meldete der Hohenpeißenberg (986 m) den Übergang in Schneeregen, nur eine Stunde später registrierten auch einige Stationen unterhalb 800 m Höhe in Oberschwaben und im Allgäu Schneeregen (z. B. Leutkirch-Herlazhofen, BW, 671 m). Am frühen Abend wurden selbst im Münchner Stadtgebiet und im nördlichen Umland Schneeflocken beobachtet, im südlichen Alpenvorland konnte sich gebietsweise eine geschlossene Schneedecke ausbilden.

Am späten Abend ließen die Niederschläge in Südbayern mit Abzug des Frontensystems vorübergehend nach, erfuhren jedoch eingangs der Nacht zum 11. aus den Alpen heraus vor allem im Allgäu und im westlichen Oberbayern eine baldige Reintensivierung. Dabei fiel in diesen Gebieten bis in tiefe Lagen Schnee, am Alpenrand betrugen die stündlichen Niederschlagsmengen dabei zum Teil um 5 mm (z. B. Garmisch-Partenkirchen 5,3 mm zwischen 5 und 6 Uhr MESZ). Am Morgen des 11. konnten um 06 UTC an den Alpen und teilweise auch im südlichen Alpenvorland verbreitet Schneehöhen zwischen 5 und 10, örtlich auch noch deutlich mehr gemessen werden. Die größte Schneehöhe in Lagen unterhalb 1000 m meldete Mittenwald-Buckelwiesen (981 m) mit 42 cm; in Geretsried auf 610 m Höhe, etwa 30 Kilometer südlich vom Münchner Stadtzentrum gelegen, lagen 16 cm. Weiter westlich reichte eine geschlossene Schneedecke sogar bis nahe Augsburg heran (z. B. Lechfeld, 555 m 1 cm). Auf dem Hohenpeißenberg wurden 35 cm gemessen, mehr Schnee hatte es dort so früh im Winterhalbjahr seit Beginn der Schneedeckenmessungen im Jahre 1901 noch nicht gegeben. Zumindest für die Gesamtschneehöhe bedeutete dies aber keinen neuen Oktoberrekord - am 31.10.1941 lagen sogar 40 cm. Betrachtet man die Neuschneehöhen, also die Schneehöhen, die innerhalb eines Tages fallen, reiht sich der 11.10.2013 ganz vorne in der Oktoberstatistik ein. Allerdings liegen die Daten der täglichen Neuschneehöhen erst seit 1949 regelmäßig vor, der 31.10.1941 bleibt hier also unberücksichtigt.

Hohenpeißenberg (BY, 986 m)
Schneehöhe Datum Neuschnee Datum
40 cm
35 cm
35 cm
35 cm
34 cm
31.10.1941
11.10.2013
31.10.1956
24.10.1939
29.10.1956
35 cm
21 cm
20 cm
20 cm
19 cm
11.10.2013
27.10.1956
28.10.1981
19.10.1961
28.10.1949
Die Tabelle links zeigt die maximalen Gesamtschneehöhen (seit 1901) bzw. die größten 24-stündigen Neuschneemengen (seit 1949) im Oktober an der Station Hohenpeißenberg. Datenquelle: DWD

Niederschlagsradarbilder und Wettermeldungen vom 10./11.10.2013 | Quelle: DWD NinJo
10.10.2013, 12 UTC 10.10.2013, 15 UTC 10.10.2013, 18 UTC
10.10.2013, 21 UTC 11.10.2013, 00 UTC 11.10.2013, 03 UTC

Auch in der Ostschweiz und im Westen Österreichs (Vorarlberg, Tirol) fielen für die Jahreszeit teilweise beachtliche Schneemengen. Verbreitet wurden um 30 cm, in Mittelbünden auch deutlich mehr Neuschnee gemessen. In Arosa in etwa 1800 m Höhe kamen 47 cm zusammen, seit 1890 wurde dort erst in drei Jahren im Oktober eine größere Neuschneemenge registriert (s. Artikel der MeteoSchweiz). Am Innsbrucker Flughafen konnten zum Klimatermin um 8:14 Uhr MOZ 18 cm beobachtet werden, soviel wie noch nie in einem Oktober seit Messbeginn im Jahre 1948. Ebenfalls soviel Schnee wie noch nie im Oktober verzeichnete Seefeld in Tirol auf etwa 1100 m mit 50 cm. Der bisherige Oktoberrekord stammte vom 22.10.1972, damals waren es 45 cm.

Entscheidend dafür, dass die Schneefallgrenze bis in tiefe Lagen absinken konnte, waren neben der Zufuhr kalter Luft in der unteren Troposphäre zusätzliche Abkühlungseffekte, die durch die starken Niederschläge selbst ausgelöst wurden. Für die Umwandlung von Schneeflocken in Regentropfen, also für den Schmelzvorgang, bedarf es Energie. Im Vergleich zu anderen Stoffen ist diese Energie beim Wasser mit 334 Kilojoule pro Kilogramm recht groß, die Ursachen hierfür sind in der besonderen Form des Wassermoleküls zu suchen. Die notwendige Energie zum Schmelzen der Schneeflocken wird der umgebenden Luft in Form von Wärme entzogen, die somit abkühlt. Schneit es, wie in diesem Fall, in höheren Lagen sehr stark, verliert die Luft entsprechend viel Energie bzw. Wärme, und die Schneefallgrenze kann sich Stück für Stück nach unten "vorarbeiten". Deutlich lässt sich am Radiosondenaufstieg von Altenstadt in Oberbayern vom 10., 16 UTC erkennen, dass sich zwischen Boden und etwa 880 hPa (ca. 1200 m Höhe) eine isotherme Schichtung eingestellt hatte. Die Temperatur (rote Linie) nahm also von dieser Höhe bis zum Erdboden nicht wie sonst üblich zu, sondern lag in der gesamten Schicht nahezu konstant bei knapp über 0 °C. In den engen Tälern der Alpen kommt ein weiterer Effekt hinzu; dort muss im Vergleich zum Flachland außerhalb des Gebirges weniger Luft abgekühlt werden. Daher liegt die Schneefallgrenze in den Gebirgstälern meist deutlich tiefer als im Gebirgsvorland.

Radiosondenaufstieg Altenstadt/BY vom 10.10.2013, 16 UTC (links) und Gesamtschneehöhen vom 11.10.2013, 06 UTC (rechts).
Quelle: DWD NinJo

Die kräftigen Schneefälle führten vor allem durch Schneebruch verbreitet zu Schäden und Problemen. Zu dieser Jahreszeit sind die meisten Bäume noch belaubt, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fallende Schnee ist zudem nass und schwer. Zahlreiche Bäume konnten dem Gewicht des Schnees nicht standhalten. Auf deutscher Seite besonders betroffen war der Landkreis Garmisch-Partenkirchen, wo wegen der Gefahr umstürzender Bäume und abbrechender Äste alle Einwohner aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben. Sämtliche Schulen blieben geschlossen, zudem waren einige wichtige Straßen und Bahnverbindungen gesperrt. In mehreren Ortschaften brach die Stromversorgung zusammen, nachdem Bäume auf Leitungen gestürzt waren. Vorübergehend waren 12.000 Haushalte ohne Strom.

Zu verbreiteten Stromausfällen kam es auch in Tirol, wo zwischenzeitlich rund 30.000 Haushalten keinen Strom hatten. Da zahlreiche Autos und Lastkraftwagen noch mit Sommerreifen unterwegs waren, brach in Vorarlberg, Tirol und Salzburg mancherorts ein Verkehrschaos aus. So musste am späten Abend die Tauernautobahn wegen unzähliger liegen gebliebener Fahrzeuge komplett gesperrt werden. Auch auf der Brennerautobahn gab es massive Probleme, ebenso im Bahnverkehr.

Satellitenbilder (Meteosat 9 VIS/IR) vom 10./11.10.2013 | Quelle: sat24
10.10.2013, 12 UTC 10.10.2013, 18 UTC 11.10.2013, 00 UTC 11.10.2013, 06 UTC


Text vom
16. Oktober 2013


Visit us at
Facebook:

Information on warning levels and icons used
Information on meteoalarm.eu