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Dienstag, 27. November 2012, 21:00 MEZ

Sturm, Starkregen, Überflutungen

Großbritannien, Frankreich,
Niederlande

24.-25.11.2012


Satellitenbild 24.11.2012, 13:59 UTC
NOAA/VIS
Quelle: woksat.info


Die wechselhafte und streckenweise sehr feuchte Witterung setzte sich in Westeuropa auch im November fort. Ende des Monats gesellte sich dazu ein kleines, aber sehr wetterwirksames Sturmtief "Franziska", das insbesondere den Britischen Inseln Sturm-, vereinzelte Orkanböen, Starkregen und Überschwemmungen brachte. Die teils extremen Wettererscheinungen forderten mindestens zwei Menschenleben.



Wetterlage und Auswirkungen

Ende November befand sich ein breiter Langwellentrog über dem Ostatlantik, der mit einem vollständig okkludierten Bodentief mit Kern über Island eine nahezu senkrechte Achse bildete. In die Zirkulation dieses steuernden Tiefdrucksystems waren fortwährend Kurzwellentröge eingebettet. Ein Bodentief geriet nach Überquerung der Kanarischen Inseln im Laufe des 23. Novembers zunehmend in den Einflussbereich dynamischen Hebungsantriebes auf der Vorderseite einer dieser kurzwelligen Tröge. Insbesondere differenzielle (mit der Höhe zunehmende) Vorticityadvektion begünstigte in den folgenden Stunden eine Intensivierung des Bodentiefs, welches auf den Namen "Franziska" getauft wurde.

500-hPa-Geopotential, Bodendruck und 850-hPa pseudopotentielle Temperatur | Quelle: wetter3.de
24.11.2012, 00 UTC 24.11.2012, 12 UTC 25.11.2012, 00 UTC 25.11.2012, 12 UTC

Betrug der Kerndruck am 23. November im Bereich der Kanarischen Inseln kaum weniger als 1000 hPa, unterschritt dieser bei der Überquerung Großbritanniens am 24. und 25. November zeitweise 990 hPa. Doch noch über der Nordsee geriet "Franziska" unter den Kurzwellentrog, und füllte sich abseits der dynamischen Hebungsantriebe rasch auf. Ein weiterer Kurzwellentrog verlagerte sich ausgehend von der Südspitze Grönlands südostwärts und erreichte mit einem korrespendierenden, aber deutlich schwächer ausgeprägten Bodentief namens "Gabriele" am Abend des 25. Novembers Irland und den Süden Englands.

Satellitenbilder METEOSAT-MSG VIS | Quelle: Eumetsat/NASA
23.11.2012, 12 UTC 24.11.2012, 12 UTC 25.11.2012, 12 UTC 26.11.2012, 12 UTC


Exkurs: Shapiro-Keyser-Zyklone

Bei "Franziska" handelte es sich um eine sogenannte "Shapiro-Keyser-Zyklone". Es unterscheidet sich in einigen Punkten von einem sich nach dem "Norwegischen Modell" entwickelnden Tiefdruckgebiet. Der erste Unterschied ist die Herkunft. "Shapiro-Keyser-Zyklone" haben ihren Ursprung häufig in den Subtropen. Dadurch werden bei der Entwicklung von Natur aus sehr warme Luftmassen in die Zirkulation eingebunden. Die Warmfronten der "Shapiro-Keyser-Zyklone" sind daher meist stark ausgeprägt. Ein weiterer Unterschied zu den "normalen" Tiefdruckgebieten der mittleren Breiten ist die fehlende oder nur sporadisch auftretende Entwicklung einer Okklusion. Die Warmfront wickelt sich vielmehr um den Tiefdruckkern, während die Kaltfront die Warmfront nie erreicht. Bei "Franziska" lässt sich dieser Prozess anhand der pseudopotentiellen Temperatur erahnen. Hohe Werte der pseudopotentiellen Temperatur (feucht-warme Luftmassen) fluten den Tiefdruckkern, während sich niedrige Werte (trocken-kalte Luftmassen) nur in größerer Entfernung an der West- und Südflanke des Systems ausbreiten (siehe auch das Phasendiagramm: "asymmetric warm-core").

Zyklonen-Phasendiagramm von "Franziska" | Quelle: Robert Hart, Florida State University
Zugbahn und Verlauf von "Franziska" | Quelle: Robert Hart, Florida State University

Die im Bereich der Warm- und Kaltfront wirksame Hebung formt auf Satellitenbildern eine häufig T-förmig anmutende, massive Wolkenstruktur aus. Eine weitere Besonderheit bei "Shapiro-Keyser-Zyklonen" ist der sogenannte "sting jet". Wie bei den meisten Tefdruckgebieten wird der Kern von einem mit trockener Stratosphärenluft angereicherten Oberstrom überströmt. Bei kräftigen Zyklogenesen wird diese trockene Luft in die Zirkulation eingebunden und bildet die sogenannte "Dry-Intrusion" aus. Sichtbar wird diese durch eine fast wolkenlose Spirale um den Tiefdruckkern herum. Bei "Shapiro-Keyser-Zyklonen" liegt die vordere Spitze der um den Kern gewickelten Warmluft räumlich neben der Dry-Intrusion. Gerät die Warmluft nun in diese sehr trockene Luftmasse, tritt schlagartig Verdunstung ein. Die resultierende Abkühlung mündet in teils extrem hohe, negative Vertikalgeschwindigkeiten (sting jet), die wiederum als vertikaler Impulstransport hoher horizontaler Windgeschwindigkeiten fungieren. Dies kann, wie auch im Fall "Franziska", auch ohne Konvektion lokal zu enormen Windgeschwindigkeiten in Bodennähe führen. Diese treten im Bereich des erwähnten "sting jets" wenig südlich des Tiefdruckkerns auf.


Auswirkungen und Daten

Ort Böe
Feuerschiff (NL)
Den Haag (NL)
Le Talut (F)
Vlieland (NL)
St. Catherine's Port (GB)
130 km/h
126 km/h
119 km/h
112 km/h
111 km/h
Spitzenböen am 24. und 25.11.
Quelle: wetteronline.de
Im Bereich des Tiefdrucksystems "Franziska" bauten sich zeitweise große Luftdruckgradienten auf. Insbesondere im Bereich der Regenfälle, Schauer und Gewitter traten in England daher verbreitet Sturmböen auf. In Südwestengland, den Niederlanden und Nordfrankreich wurden vereinzelt Orkanböen bis ins Flachland registriert, was auch auf ein Vorhandensein eines "sting jets" hinweisen könnte (siehe oben). Die stärkste Spitzenböe wurde auf dem Feurschiff (Ems, Nordsee) mit 130 km/h erfasst. Abgesehen von umstürzenden Bäumen und geringen Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur blieben die Folgen des Sturms im Rahmen. Ein Menschenleben forderte der Sturm in Exeter. Eine Frau wurde von einem herabstürzenden Baum erschlagen.


Ort Regen
Scilly St. Mary
Plymouth Mt. Batten
Cardinham
Camborne
Exeter Airport
65,0 mm
61,2 mm
61,2 mm
54,0 mm
50,0 mm
48-h-Regensummen (GB) am 25.11. (19 UTC)
Quelle: wetteronline.de
Mehr Probleme bereiten die starken Regenfälle am 24. und 25. November im Süden Großbritanniens. Da der Oktober bereits deutlich zu nass ausfiel (lokal 150% des Niederschlagsolls) und auch der November von feuchter, wechselhafter Witterung geprägt war, sind die Böden vielerorts gesättigt und können kaum weiteres Wasser infiltrieren. So fielen zwar selten mehr als 50 mm (am meisten in Südwestengland), doch das Regenwasser lief meist oberirdisch ab und ließ die Flusspegel weiter ansteigen. In England und Wales wurden insgesamt über 800 Gebäude geflutet. In Cambridgeshire ertrank ein Mann, als er mit seinem Auto in einen über die Ufer tretenden Fluss stürzte.

Niederschlagsdiagramm, Bournemouth (England, GB) | Quelle: NOAA Climate Prediction Center
Prozent des Niederschlagsolls Oktober 2012 | Quelle: NOAA Climate Prediction Center


Text: AL
27. November 2012


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