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Dienstag, 08. November 2011, 21:30 MEZ
Update: Mittwoch, 09. November 2011, 18:30 MEZ


Starkregen, Sturm, Föhnsturm

Westliches Mittelmeer /
Südfrankreich, Nordwestitalien, Alpen
03.-08.11.2011


Satellitenbild (VIS) vom 04.11.2011, 13:22 UTC, NOAA-19/IR:
Tiefdruckaktivität im westlichen Mittelmeerraum
Quelle: Geogr. Inst., Uni Bern


Unwetterartige, mit Gewittern durchsetzte Regenfälle gingen Anfang November 2011 über dem Süden Frankreichs, der Südschweiz und vor allem über dem Nordwesten Italiens nieder. Nachdem es dort schon eine Woche zuvor heftige Niederschläge gab, fielen in nur kurzer Zeit erneut über 400 mm Regen. Überschwemmungen, Sturzfluten und Orkanböen richteten schwere Schäden an, besonders betroffen war die italienische Hafenstadt Genua an der Ligurischen Küste. Sieben Menschen kamen ums Leben.


Wetterlage und Entwicklung

Innerhalb der letzten 14 Tagen ist es bereits das zweite Mal, dass sich über dem westlichen Mittelmeerraum gebietsweise intensive Regenfälle entladen. Ende Oktober war besonders die norditalienische Provinz La Spezia betroffen, wo innerhalb weniger Tage ergiebige Regensummen über 500 mm auftraten (siehe Artikel). In den ersten Novembertagen stellte sich erneut eine unwetterartige Wetterlage über dem westlichen Mittelmeer ein. Dafür verantwortlich war ein umfangreicher Höhentrog über dem Atlantik, der sich ostwärts Richtung europäisches Festland verlagerte, sich dabei intensivierte und weiter nach Süden vorstieß. Auf seiner Vorderseite bildete sich im Lee der Pyrenäen ein Bodentief namens "Rolf" aus, welches sich auf dem Weg Richtung Balearen und Sardinien weiter verstärkte, dort für einige Tage verweilte und im westlichen Mittelmeerraum für heftige Wettererscheinungen sorgte. Simultan schnürte sich der südliche Teil des Höhentroges ab und verblieb oberhalb des Bodentiefs als eigenständiges quasistationäres Höhentief. Durch die über mehrere Tage hinweg sich kaum verändernde Großwetterlage gab es vor allem über Südfrankreich, Nordwestitalien sowie über der Südschweiz wiederholte und schubweise ergiebige Niederschläge.

Geopotential und Bodendruck über Europa vom 04. bis 07.11.2011 | Quelle: wetter3.de
04.11.2011, 00:00 UTC 05.11.2011, 00:00 UTC 06.11.2011, 00:00 UTC 07.11.2011, 00:00 UTC
Bodendruckanalysen vom 04. bis 07.11.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD
04.11.2011, 00:00 UTC 05.11.2011, 00:00 UTC 06.11.2011, 00:00 UTC 07.11.2011, 00:00 UTC

Abseits großräumig generierter Hebungsprozesse war vor allem die bodennah mit eingebundene warme und feuchte Luft der Hauptgrund solcher intensiven Regenfälle. Auf der Ostflanke von "Rolf" konnte im 850-hPa-Niveau, etwa 1500 m über dem Meeresspiegel entsprechend, vorübergehend die +15 °C-Isotherme bis nach Sardinien und Korsika nordwärts vordringen. Starke Verdunstung über den bis zu 21 °C warmen Wasseroberflächen des Mittelmeeres reicherten die Luft zusätzlich mit Feuchte an. Gleichzeitig sickerte mit dem ankommenden Trog Höhenkaltluft ein, so dass sich die vertikalen Temperaturgegensätze verschärften und sich die Atmosphäre labilisierte. Somit traten verbreitet gewittrig verstärkte Regenfälle auf, mit Schwerpunkt an der Ligurischen Küste im Raum Genua, wo innerhalb von 24 Stunden örtlich bis zu 465 mm Regen fiel.

Temperaturen im 850-hPa-Niveau vom 04. bis 07.11.2011 | Quelle: wetter3.de
04.11.2011, 00:00 UTC 05.11.2011, 00:00 UTC 06.11.2011, 00:00 UTC 07.11.2011, 00:00 UTC

Mit der Intensivierung des Bodentiefs und der sich damit aufbauenden Luftdruckgegensätze gewann der Wind zunehmend an Stärke. An der französischen Mittelmeerküste wurden Orkanböen registriert, auch auf Korsika erreichte der Wind Orkanstärke. Selbst im inländischen Flachland von Frankreich oder Italien traten schwere Sturmböen oder orkanartige Windböen auf. Die mit dieser Wetterlage verbundene höchste Windgeschwindigkeit konnte mit 167 km/h auf dem Mont Aigoual in den Cevennen aufgenommen werden. Mit einer sich ausbildenden lebhaften und südlichen Höhenströmung stellte sich in den Alpen Südföhn ein. Auf den Alpengipfeln bließ Föhnsturm mit Orkanböen bis zu 143 km/h. Während die Temperaturen in einigen Alpentälern und am Alpennordrand in der erwärmten Föhnluft auf Werte jenseits der 20 °C stiegen (Hohenpeißenberg: +22,3 °C), bildeten sich auf der Alpensüdseite kräftige Stauniederschläge aus, dies vor allem im Tessin in der Südschweiz mit bis zu 282 mm binnen drei Tage.



Tief "Rolf" - ein tropisches Tief?

Bodendruckanalyse,
08.11.2011, 00 UTC.
Quelle: FU Berlin / DWD
"Rolf" entstand zunächst als außertropisches Tiefdruckgebiet an der Polarfront und intensivierte sich zu einem Sturmtief im Mittelmeerraum. Durch die lange Verweildauer über relativ warmem Wasser konnten ab dem 07.11. vermehrt Eigenschaften beobachtet werden, die für tropische Tiefs typisch sind. Nach der U.S. Navy wurde "Rolf" ab dem 07.11. als tropisches System "Invest 99L" gehandelt. Auch der DWD bezeichnete "Rolf" vorübergehend mit dem Zusatz "01M". Charakteristisch für solche Systeme sind sich über tropischen Gewässern symmetrisch einspiralisierende Wolkenbänder mit organisierten Gewitterkomplexen sowie ein wolkenfreies Zentrum und ein warmer Kern. Da die Wassertemperatur unterhalb des Tiefs höchstens Werte um 20 °C aufwieß und damit den Schwellenwert von mindestens 26 °C für tropische Tiefs bzw. Stürme deutlich unterschritt, bleibt fraglich, ob die Beobachtungen eine Deklaration als tropisches Tief rechtfertigen. Treten solch schadenträchtige Tiefs oberhalb von Gewässern mit Temperaturen von unter 22 °C auf, werden diese bisweilen auch als "Medicanes" geführt. Ein vergleichbarer Medicane trat zuletzt im Dezember des Jahres 2005 über dem zentralen und östlichen Mittelmeer auf. Nachdem der Tiefdruckwirbel "Rolf" am 08.11. vor allem in Südfrankreich nochmals heftige Regenfälle inklusive Orkanböen bis 153 km/h brachte, beruhigte sich im Laufe des 09.11. langsam die Wetterlage.

Satellitenbilder vom 04. bis 06.11. sowie vom 08.11.2011, Meteosat-MSG, MODIS | Quellen: F. Falk, NASA
04.11.2011, 12:00 UTC 05.11.2011, 12:00 UTC 06.11.2011, 12:00 UTC 08.11.2011, 10:30 UTC



Ergiebige Niederschläge, Überschwemmungen und Schäden

Besonders der Süden Frankreichs, die Südschweiz und der Nordwesten Italiens waren von den heftigen gewittrigen Regenfällen betroffen. Die höchsten Niederschlagssummen verbuchten Wetterstationen entlang der Côte d'Azur, in den Cevennen, im Tessin, im Piemont und in Ligurien. Verbreitet kamen in diesen Regionen 100 mm bis 200 mm innerhalb eines Tages zusammen, gebietsweise auch deutlich mehr. Oft regnete es über mehrere Tage hinweg in ergiebigen Mengen. Die größte 24-stündige Regenmenge registrierte Vicomorasso nahe Genua mit 465 mm, gefolgt von Crocetta di Orero mit 350 mm. Beide Stationen befinden sich an den nördlichen Ausläufern des Apennin, auf dessen Luvseite die anströmende feuchtwarme Luft aus dem Ligurischen Meer zum Ausregnen gezwungen wird. Auch die norditalienische Metropole Mailand konnte eine stattliche Tagessumme von 232 mm verbuchen.

24-h-Niederschlagssummen an der Ligurischen Küste sowie 72-h-Regensumme in der Südschweiz
Quellen: meteoliguria.it, MeteoSchweiz
24-h-Summe bis 04.11., 21 UTC 24-h-Summe bis 05.11., 19 UTC 24-h-Summe bis 06.11., 18 UTC 72-h-Summe bis 06.11., 10 UTC
Niederschlagsverlauf an ausgewählten italienischen Stationen in Ligurien und im Piemont
Quellen: meteoliguria.it, regione.piemonte.it
Crocetta di Orero, Ligurien Vicomorasso, Ligurien Ponzone Bric Berton, Piemont Varallo, Piemont

Aus Mailand wurden Schäden durch Überschwemmungen berichtet. Noch heftiger fiel die Situation in Teilen Südfrankreichs und in Ligurien aus. Zahlreiche Flüsse traten dort über die Ufer, in gebirgigen Regionen rissen Sturzbäche Autos und Bäume mit sich und unterspülten Straßen und Häuser. Besonders schlimm traf es Genua, wo große Teile der Stadt mehrfach überflutet wurden und Autos sowie mitgerissene Möbel wie Boote durch die Stadt schwammen. In den gefährdeten Gebieten blieben die Schulen geschlossen, die Stadt Vernazza in der Gegend der Cinque Terre wurde vorsorglich evakuiert. In den französischen Regionen galt Alarmstufe Orange, regional wurde im Piemont und in Ligurien der Notstand ausgerufen. Insgesamt sieben Menschen fanden in den Fluten und Sturmwinden den Tod.

Videostandbilder | Quelle: YouTube
Überflutungen und Schäden in der Hafenstadt Genua an der Ligurischen Küste



Wetterwerte

Nachstehend ausgewählte binnen 24 Stunden maximal gemessene Niederschlagssummen sowie die höchsten Windböen im westlichen Mittelmeerraum, in den Alpen, Frankreich (F), Italien (I), Deutschland (D), Österreich (A) und in der Schweiz (CH) vom 03. bis zum 08.11.2011.
Quellen: DWD, infoclimat.fr, meteoliguria.it, regione.piemonte.it, MeteoSchweiz

Ort Windböen
Mont Aigoual (1567 m, F)
Porquerolles Island (137 m, F)
Bragères de Bigorre (2880 m, F)
Titlis (3020 m, CH)
Gütsch (2284m, CH)
Patscherkofel (2254 m, A)
Zugspitze (2960 m, D)
Ile de Levant (5 m, F)
Cap Corse (108 m, F)

Montpellier (5 m, F)
Sète (80 m, F)
Cape Carbonara (118 m, I)
La Ciotat (316 m, F)
Sonnblick (3111 m, A)
Altdorf (451 m, CH)
167 km/h
153 km/h
144 km/h
143 km/h
139 km/h
137 km/h
130 km/h
126 km/h
122 km/h

115 km/h
115 km/h
113 km/h
111 km/h
108 km/h
101 km/h
Ort Niederschlag
Vicomorasso (I)
Crocetta di Orero (I)
Mont Aigoual (F)
Mailand (I)
Oletta (F)
Bourg-Saint-Andioel (F)
Stabio (CH)
Montelimar (F)
Nizza (F)

12-stündig:

Falconara (I)
Passo dei Giovi (I)
Nimes (F)
465 mm
350 mm
287 mm
232 mm
205 mm
153 mm
129 mm
127 mm
103 mm



146 mm
115 mm
70 mm


Text: DK



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