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Samstag, 16. Juli 2011, 22:00 MESZ


Gewitter / Starkregen, Sturm

Mitteleuropa
12.-15.07.2011


Satellitenbild: 14.07.2011, 15:14 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern

Allerlei sommerliche Wetterunbilden brachte Mitte Juli 2011 Tiefdruckgebiet "Meikel" nach Mitteleuropa. Heftige Gewitter mit Starkregen, Hagel und kräftigen Böen richteten im Süden Deutschlands regional große Schäden an. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Im Norden und in den Niederlanden fiel starker Regen, hinzu kamen örtlich schwere Sturmböen.


Wetterlage und Entwicklung

Anfang und Mitte Juli lagen West- und Mitteleuropa über mehrere Tage hinweg unter einer südwestlichen Höhenströmung, die sich auf der Vorderseite eines Höhentiefs bei den Britischen Inseln etabliert hatte und zu Beginn der 28. Kalenderwoche durch einen Richtung Südwesteuropa schwenkenden Höhentrog aufrechterhalten wurde. Dabei entwickelten sich bereits am 7. und 10. zum Teil unwetterartige Gewitter.

Der auf Südwesteuropa zusteuernde Höhentrog war schließlich Initiator einer neuen, markanten Tiefdruckentwicklung, die am 11. über der Iberischen Halbinsel ihren Anfang nahm. Aus einer flachen Bodendruckverteilung formierte sich dort im Tagesverlauf Tief "Meikel", das in der Folge einen nordöstlichen Kurs einschlug. An seiner Ostflanke wurde eine über dem westlichen Mittelmeerraum lagernde, tropisch-heiße Luftmasse nach Norden geführt, die am 12. den Süden und die Mitte Deutschlands erreichte. In 850 hPa, etwa 1.500 Metern Höhe entsprechend, konnten nahe der Alpen Temperaturen über +20 °C, unweit der Balearen in einem kleinen Gebiet kurzzeitig sogar über +30 °C analysiert werden. Im Tagesverlauf zog "Meikel" diagonal über die Mitte Frankreichs hinweg und lag mit seinem primären Zentrum am späten Abend über dem Westen von Rheinland-Pfalz. Im weiter gefassten Sinne handelte es sich bei "Meikel" jedoch um eine breit angelegte Tiefdruckzone, die am 13. um 0 UTC große Teile Süd-, West- und Mitteleuropas überdeckte. Ein weiterer Kern hatte sich dabei über dem westlichen Mittelmeerraum gebildet.

Bodendruckanalysen vom 12. bis 15.07.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD
12.07.2011, 00 UTC 13.07.2011, 00 UTC 14.07.2011, 00 UTC 15.07.2011, 00 UTC
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 12. bis 15.07.2011 | Quelle: Wetterzentrale
12.07.2011, 00 UTC 13.07.2011, 00 UTC 14.07.2011, 00 UTC 15.07.2011, 00 UTC

Im Laufe des 13. näherte sich dem noch immer westeuropäischen Höhentrog von Nordwesten her ein Kurzwellentrog an, der sich bis zum Tagesende bei den Britischen Inseln zu einem kleinräumigen Höhentief umwandelte und fortan prägendes Element des gesamten Trogsystems war. Der Südteil des Troges schwenkte unter Verkürzung seiner Wellenlänge über Südostfrankreich, die Westalpen und Süddeutschland nordostwärts und war mutmaßlich beteiligt an der Ausbildung eines weiteren Tiefkerns über dem südöstlichen Bayern und Tschechien. Zumindest teilweise könnten hierbei aber auch durch die Alpen hervorgerufene Lee-Effekte eine Rolle gespielt haben. Zunächst im Bereich der wärmsten Luft angesiedelt, verschob sich dieser Tiefkern später zum Okklusionspunkt hin.

Pseudopotentielle Temperatur (= Maß für den Energiegehalt der Luft) in 850 hPa und Bodendruck vom 12. bis 15.07.2011
Quelle: wetter3.de
12.07.2011, 00 UTC 13.07.2011, 00 UTC 14.07.2011, 00 UTC 15.07.2011, 00 UTC

Am 14. bildete das sekundäre Druckminimum zusammen mit dem ursprünglichen Tiefkern, der zu dieser Zeit über der niederländischen Küste vorzufinden war, eine zonal orientierte, über den Norden Deutschlands hinweg verlaufende Tiefdruckrinne. In diese Tiefdruckrinne war die Okklusion des Tiefs eingebettet, in deren Bereich infolge von um den Tiefkern herum wieder zurück nach Westen und Süden geführter Warmluft starke niedertroposphärische Warmluftadvektion und entsprechende großräumige Hebungsprozesse wirksam wurden. Gleichzeitig verstärkten sich die Luftdruckgegensätze an der Südwestflanke des Tiefs, das auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung einen Kerndruck von unter 1005 hPa erreichte. Die subtropische Warmluft wurde mit Durchgang der Kaltfront durch deutlich kühlere, ihrem Ursprung nach polare Meeresluft ersetzt. Diese erfasste den äußersten Westen Deutschlands bereits am Abend des 13., den Osten in abgemilderter Form erst im Laufe des 14. Am 15. schwächte sich das gesamte Tiefdrucksystem allmählich ab und verlagerte sich nordostwärts.



Erste Gewitterzelle im Anfangsstadium
bei Pforzheim am 12.07.2011.
Foto: Bernhard Mühr
Ausgehend von der Biskaya zogen in der Nacht zum 12. erste Gewitter über den Westen Frankreichs hinweg. Aus den Resten dieses Gewitterkomplexes entwickelten sich am Nachmittag über dem Osten und Süden Frankreichs neue Gewitter, die zuerst von Luxemburg her auf Rheinland-Pfalz und später vom Elsass her auf die Vorderpfalz und Baden übergriffen. Westlich davon abgesetzt entstanden über dem Kraichgau zwei Gewitterzellen, wobei sich die erste von beiden (siehe Foto) rasch wieder auflöste. Ihr unmittelbar nach folgte jedoch eine ungleich intensivere Zelle, die wenig später zu einer Superzelle - eine Gewitterzelle mit rotierendem Aufwind - wurde. In Ilsfeld im Kreis Heilbronn fielen Berichte zufolge golfballgroße Hagelkörner. Die Zelle konnte bis an die bayerische Grenze verfolgt werden, ehe sie sich gegen 20:45 Uhr MESZ - rund drei Stunden nach ihrem Entstehen - auflöste. Unterdessen zog von der Burgundischen Pforte her eine ausgeprägte Gewitterlinie nach Südbaden, die sich im Verlauf am westlichen Schwarzwaldrand entlang nach Norden hin ausweitete. Auch in den östlichen Stadtteilen von Karlsruhe wurde dabei kurzzeitig Hagel beobachtet; in Emmingen-Liptingen im Kreis Tuttlingen häufte sich der Hagel 30 cm hoch an.

Niederschlagsradarbilder vom 12./13.07.2011 | Quelle: DWD
12.07.2011, 15:00 MESZ 12.07.2011, 18:00 MESZ 12.07.2011, 21:00 MESZ 13.07.2011, 00:00 MESZ
Blitzkarten vom 12./13.07.2011 | Quelle: DWD
12.07.2011, 14-15 MESZ 12.07.2011, 17-18 MESZ 12.07.2011, 20-21 MESZ 12./13.07.2011, 23-00 MESZ

Während der Nacht zum 13. ließen die Gewitter im Süden nur zögernd nach; im Bereich vor der weit nach Südwesten zurückhängenden und schleifenden Kaltfront entstanden innerhalb der feuchtwarmen Luft immer wieder neue Zellen. Einzelne Gewitter zogen auch über Nordrhein-Westfalen in Richtung Niedersachsen. Die größten Regenmengen wurden sodann auch aus Baden-Württemberg (Lenzkirch-Ruhbühl 47 mm) und Niedersachsen (Dollart-Kanalpolder 41 mm) gemeldet. Zum Morgen klangen die Gewitter ab, im Tagesverlauf zogen aus den Alpen heraus vor allem über den Süden Bayerns noch einmal kräftige Gewitter hinweg. In Osterhofen-Thundorf nahe Deggendorf in Niederbayern fielen binnen einer Stunde 36 mm. Zudem wurden stürmische Böen registriert (z. B. Gottfrieding/BY 68 km/h), örtlich jedoch traten wesentlich höhere Windgeschwindigkeiten auf. Zwei Tornadoverdachtsfälle gab es bei Deggendorf und in Frauenau im Bayerischen Wald. Am Abend verlagerte sich die Gewittertätigkeit ins östliche Mitteleuropa, am Prager Militärflugplatz Kbely beispielsweise wurden 31 mm innerhalb kurzer Zeit gemessen.

Niederschlagsradarbilder vom 13./14.07.2011 | Quelle: DWD
13.07.2011, 15:00 MESZ 13.07.2011, 18:00 MESZ 13.07.2011, 21:00 MESZ 14.07.2011, 00:00 MESZ
Blitzkarten vom 13./14.07.2011 | Quelle: DWD
13.07.2011, 14-15 MESZ 13.07.2011, 17-18 MESZ 13.07.2011, 20-21 MESZ 13./14.07.2011, 23-00 MESZ

Fernab der kräftigen Gewitter im Süden fiel auch im Norden Deutschlands kräftiger Regen. In unmittelbarer Nähe des Zentrums von "Meikel" kamen im nordfriesischen Leck am 13. innerhalb von nur sechs Stunden 54 mm zusammen, am 14. nochmals 33 mm in 24 Stunden hinzu. Die Gesamtmenge belief sich auf 101 mm innerhalb von 48 Stunden bis zum 15., 6 UTC - deutlich mehr als die normalerweise im gesamten Monat Juli zu erwartende Menge (81 mm). Starker Regen fiel auch in den Niederlanden, zum Beispiel 78 mm im selben 48-stündigen Zeitraum am Flughafen Rotterdam. Hinzu kamen Sturm- und schwere Sturmböen, in Hoek van Holland an der Nordseeküste wurden am 14. 104 km/h verzeichnet. Auch im Westen Deutschlands traten örtlich Sturmböen bis ins Flachland auf (z. B. Werl/NRW 76 km/h). Bei vielen Wolken und zeitweiligem Regen stiegen die Temperaturen am 14. im deutsch-belgischen Grenzgebiet zum Teil auf nicht mal +15 °C; an der neuen Station im Aachener Stadtteil Orsbach zum Beispiel wurden nur +13,9 °C erreicht, im belgischen Spa lediglich +11,8 °C.


Behinderungen und Schäden wurden in Zusammenhang mit den Gewittern vor allem aus dem Süden Deutschlands gemeldet. In Niederbayern, insbesondere im Landkreis Deggendorf, entstanden Schätzungen zufolge Schäden in Millionenhöhe. Innerhalb von drei Stunden gingen bei Polizei und Feuerwehr rund 600 Notrufe vor allem wegen vollgelaufener Keller und umgestürzter Bäume ein. Bei Plattling suchten zehn Erntehelfer Schutz unter einem schweren landwirtschaftlichen Fahrzeug, das jedoch durch den Sturm angehoben und umgeworfen wurde. Die zehn Hilfskräfte wurden verletzt, zwei von ihnen schwer. Ebenfalls schwere Verletzungen trug ein Mann in Murrhardt im Rems-Murr-Kreis (Baden-Württemberg) davon, als er das Dach seiner Scheune reparieren wollte und dabei aus etwa fünf Metern Höhe abstürzte. Vielerorts waren Straßen blockiert und wurden Autos durch umgestürzte Bäume oder abgerissene Äste beschädigt. In Schleswig-Holstein rettete die Feuerwehr neun Jugendliche, die bei einer Kanutour auf dem Kellersee in Malente gekentert waren. Südwestlich der polnischen Hauptstadt Warschau entstanden infolge heftiger Gewitter an 800 Gebäuden Schäden.

Satellitenbilder | Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
12.07.2011, 11:53 UTC,
NOAA-19 VIS/IR
12.07.2011, 16:02 UTC,
NOAA-15 VIS/IR
13.07.2011, 15:37 UTC,
NOAA-15 VIS/IR
14.07.2011, 11:31 UTC,
NOAA-19 VIS/IR



Wetterwerte

Niederschlag

24-h-Niederschlag in Mitteleuropa an einer Auswahl von Stationen mit Mengen >= 20 mm | Quelle: DWD JavaMAP
13.-14.07.2011, 6 bis 6 UTC 14.-15.07.2011, 6 bis 6 UTC

Nachstehend eine Auswahl 72-stündiger Niederschlagsmengen vom 12. bis zum 15.07.2011 in Deutschland (links) und in den Niederlanden (rechts), jeweils 24-stündig bis zum angegebenen Termin, 6 UTC.
Quelle: WetterOnline


Ort 12./13. 13./14. 14./15. Summe
Leck (SH)
Feldberg/Schw. (BW)
Wiesenburg (BB)
Helgoland/Düne (SH)
Öhringen (BW)
Rheinstetten (BW)
2 mm
29 mm
<1 mm
5 mm
29 mm
3 mm
67 mm
40 mm
64 mm
52 mm
23 mm
16 mm
34 mm
<1 mm
-
7 mm
-
-
103 mm
69 mm
64 mm
64 mm
52 mm
19 mm
Ort 12./13. 13./14. 14./15. Summe
De Bilt
Rotterdam/Flgh.
Hoek van Holland
Cabauw
Valkenburg
60 mm
16 mm
16 mm
39 mm
14 mm
8 mm
11 mm
14 mm
6 mm
10 mm
44 mm
67 mm
61 mm
43 mm
59 mm
112 mm
94 mm
91 mm
88 mm
83 mm


Wind

Nachstehend eine Auswahl gemessener Spitzenböen zwischen dem 12. und 15.07.2011 in Deutschland (links) und in den Niederlanden (rechts).
Quelle: WetterOnline


Ort Böe Datum
Brocken (SA)
Feldberg/Schw. (BW)
Gr. Arber (BY)
Kiel Leuchtturm (SH)
Werl (NRW)
Rheinstetten (BW)
104 km/h
94 km/h
90 km/h
90 km/h
76 km/h
47 km/h
14.07.2011
12.07.2011
14.07.2011
13.07.2011
14.07.2011
14.07.2011
Ort Böe Datum
Hoek van Holland
Vlieland
Valkenburg
Lauwersoog
Rotterdam/Flgh.
104 km/h
90 km/h
86 km/h
79 km/h
76 km/h
14.07.2011
14.07.2011
14.07.2011
15.07.2011
14.07.2011


Text: CE



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