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Mittwoch, 13. Januar 2010, 15:00 MEZ


Kälte, Schnee, Sturm

Südwest- bis Osteuropa, Mittelmeer
06.-11.01.2010


Grafik: Eisbedeckung (rot) und Schneehöhe in cm
am 11.01.2010 in Europa; Daten: NCEP.
Quelle: Wetterzentrale

Kräftige Schneefälle in Teilen Spaniens und Südfrankreich, meterhohe Schneeverwehungen an der Ostsee, Kälte und Frost selbst im Nordwesten Afrikas - Schneearmut dagegen in den Alpen: Der Winter zeigte sich Anfang Januar 2010 von einer etwas anderen Seite. In Deutschland allerdings fiel in Zusammenhang mit Tief "Daisy", das hier tagelang die Schlagzeilen sämtlicher Medien beherrschte, weniger Schnee als im Vorfeld erwartet.


Wetterlage und Entwicklung

Bereits Anfang Januar 2010 hatte sich in großen Teilen des nördlichen Europas der Winter mit Dauerfrost und Schnee breitgemacht. Dabei konnte über dem Nordatlantik eine ungewöhnliche Luftdruckverteilung beobachtet werden: Statt - wie im Klimamittel üblich - einem Islandtief und einem Azorenhoch standen sich ein bis in die mittlere und obere Troposphäre ausgeprägtes und damit stabiles Hochdruckgebiet über dem isländisch-grönländischen Raum und tiefer Luftdruck vor Südwesteuropa gegenüber. Entsprechend weit südlich verlief auch die Frontalzone über die Azoren und Gibraltar zum Mittelmeer. Ein steuerndes Tiefdrucksystem war über Skandinavien auszumachen, einem breiten und zunächst Nord- und Osteuropa überdeckenden Langwellentrog unterlegen. Dieser weitete sich durch einen an seiner Westflanke über das Nordmeer und Großbritannien schwenkenden Randtrog nach Südwesten aus. Am Boden korrespondierte dazu das Tiefdrucksystem "Barbara", das am 5. und 6. vor allem dem Süden Englands kräftige Schneefälle brachte. In Odiham, einer Kleinstadt etwa 70 Kilometer westlich von London gelegen, fielen binnen zwölf Stunden bis zum Morgen des 6. für britische Verhältnisse sehr beachtenswerte 24 cm Neuschnee. Nur einen Zentimeter weniger meldete am Morgen des 7. die nordfranzösische Stadt Alençon.

Bodendruckanalysen vom 06. bis 11.01.2010, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
06.01.2010, 00 UTC 07.01.2010, 00 UTC 08.01.2010, 00 UTC
09.01.2010, 00 UTC 10.01.2010, 00 UTC 11.01.2010, 00 UTC

Unterdessen lief an der Westflanke des nun mit seiner Hauptachse von Nordskandinavien zu den Britischen Inseln weisenden Langwellentroges ein neuerlicher Randtrog nach Süden. Dieser initiierte am 6. die für Mitteleuropa entscheidende Tiefdruckentwicklung zwischen den Azoren und der portugiesischen Küste. Dort entstand aus einer flachen Druckverteilung das Tief "Daisy", das sich auf seinem Weg durch die Straße von Gibraltar und den westlichen Mittelmeerraum kräftig intensivierte und zum 9. über dem Golf von Genua zum Liegen kam. Auf seiner Rückseite zapfte "Daisy" die über Nord- und Mitteleuropa lagernde Kaltluft an - am Morgen des 9. erreichte die -5-°C-Isotherme im 850-hPa-Niveau (etwa 1400 Meter Höhe) die algerische Küste, die -10-°C-Isotherme die Pyrenäen.

850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 06. bis 11.01.2010, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
06.01.2010, 00 UTC 07.01.2010, 00 UTC 08.01.2010, 00 UTC
09.01.2010, 00 UTC 10.01.2010, 00 UTC 11.01.2010, 00 UTC

Mit dem Tief gingen in Südwesteuropa kräftige und zum Teil gewittrige Niederschläge einher; beispielsweise fielen in Gibraltar innerhalb von 24 Stunden bis zum 7., 06 UTC 85 mm. Im und nördlich des Iberischen Scheidegebirges rieselten Flocken. Selbst an der spanischen Biskayaküste schneite es kräftig, am Morgen des 9. lagen zum Beispiel in Oviedo 20, in San Sebastián 5 cm Schnee. In den Nächten gab es verbreitet leichten Frost, sogar an der portugiesischen Küste wurden Minusgrade gemessen (z. B. Porto -1,5 °C in der Nacht zum 9.). Selbiges galt für die Nacht zum 10. für weite Gebiete Nordwestafrikas; vor allem im Norden Algeriens konnte an zahlreichen Stationen leichter Frost verzeichnet werden. Betont sei, dass solch verbreitete Nachtfröste dort zwar kein alljährliches Phänomen sind, in manchen Wintern aber durchaus vorkommen und in der Vergangenheit vielerorts sogar schon noch tiefere Temperaturen gemessen wurden.

Ab dem 8. beeinflusste "Daisy" dann auch das mitteleuropäische Wettergeschehen. In höheren Luftschichten wurde auf der Vorderseite des Troges von Süden her massiv Warmluft nach Norden advehiert; bodennah stellte sich zwischen dem Tief im Süden und Hoch "Bob" mit Schwerpunkt über Südskandinavien eine kräftige östliche Strömung ein, mit der polare Kaltluft herangeführt wurde (siehe Grafik Rückwärtstrajektorien). Die mit viel Feuchtigkeit aus dem Mittelmeer angereicherte Warmluft glitt auf die kalte Luft auf, die daraus resultierenden Hebungsprozesse ließen ausgedehnte Schneefallgebiete entstehen. Diese griffen in der Nacht zum 8. auf den Süden Deutschlands über, wobei der Alpenrand aufgrund von Föhneffekten nur wenig Niederschlag abbekam. Am Vormittag erstreckte sich ein ausgedehntes Schneefallgebiet vom Oberrhein über Württemberg und die Mitte Bayerns bis nach Tschechien, in diesen Bereichen schneite es leicht bis mäßig. Bis zum Morgen des 9. verschob sich das großflächige Niederschlagsgebiet in die Mitte, zum Nachmittag und Abend auch in den Norden Deutschlands. Dabei fielen im Süden vielfach 5 bis 10 cm Neuschnee innerhalb von 24 Stunden, am Stuttgarter Flughafen 13 cm. Die Neuschnee- und Niederschlagsmengen blieben jedoch ebenso hinter den Erwartungen der verschiedenen Wettermodelle zurück wie der Wind; im Tiefland wurden gerade einmal Böen der Stärke 6, selbst auf dem Feldberg im Schwarzwald lediglich 101 km/h (Stärke 10) registriert. Während das alte Niederschlagsband - an der Ostsee fiel regional auch Schneeregen und Regen - über dem Norden Deutschlands liegen blieb, zog am Abend im Süden ein neues Schneefallgebiet auf, das in Verbindung mit einem um das Höhentiefzentrum über Norditalien schwenkenden Randtrog zu bringen war. Die erneut nur leichten bis mäßigen Schneefälle hinterließen am Oberrhein und im Schwarzwald um, sonst meist weniger als 5 cm Neuschnee. Am Morgen des 10. lag praktisch ganz Deutschland unter einer geschlossenen Schneedecke. Am 10. und 11. gab es im Umfeld des nur langsam ostwärts abziehenden Höhentiefs weitere, meist aber nur noch leichte Schneefälle. Am meisten Schnee konnte man im Norden der Bundesrepublik vorfinden; wobei dort allerdings noch eine Altschneedecke vom Jahresanfang vorhanden war und an den Küsten kräftige Schneeschauer am 7. und 8. auf der Rückseite von Tief "Christa" über dem Baltikum gebietsweise für üppigen Neuschneezuwachs sorgten. Zudem stellten sich einige Schneehöhenmessungen (z. B. Boizenburg) aufgrund starker Verwehungen als unbrauchbar heraus.

Niederschlagsradarbilder vom 08., 09. und 10.01.2010
Quelle: DWD
08.01.2010, 00 Uhr MEZ 08.01.2010, 06 Uhr MEZ 08.01.2010, 12 Uhr MEZ 08.01.2010, 18 Uhr MEZ
09.01.2010, 00 Uhr MEZ 09.01.2010, 06 Uhr MEZ 09.01.2010, 12 Uhr MEZ 09.01.2010, 18 Uhr MEZ
10.01.2010, 00 Uhr MEZ 10.01.2010, 06 Uhr MEZ 10.01.2010, 12 Uhr MEZ 10.01.2010, 18 Uhr MEZ

Die Verwehungen im Norden - auch des lockeren Altschnees - führten zu den bundesweit größten Behinderungen im Verkehr und öffentlichen Leben. Besonders an der Ostseeküste blies der Ostwind über einen Zeitraum von etwa zwei Tagen in Böen örtlich in Orkanstärke (z. B. Kap Arkona 122 km/h am 10.). Einige Ortschaften in Schleswig-Holstein und auf Fehmarn waren von der Außenwelt abgeschnitten. Mehr als 320 Menschen mussten die Nacht zum 10. in eingeschneiten Autos oder in stecken gebliebenen Zügen verbringen. In Ostvorpommern wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Neben dem Schnee spielte auch Hochwasser eine Rolle; der Nordostwind drückte das Wasser der Ostsee in mehreren Orten an Land, auf Fehmarn wurde ein Deich unterspült. In Lübeck trat die Trave über die Ufer. Vielerorts blieben am Montag, den 11. Schulen und öffentliche Einrichtungen geschlossen.
Wesentlich weniger dramatisch stellte sich die Lage im übrigen Deutschland dar. Zwar kam es im ganzen Land zu mehreren hundert Unfällen sowie Beeinträchtigungen im Flug- und Schienenverkehr. Zudem stauten sich in der Nacht zum 9. aufgrund einer Sperrung der französischen Autobahn auf der A 5 an der deutsch-französischen Grenze etwa 300 bis 400 Lastwagen und Autos. Von einem nationalen "Katastrophenszenario", wie es in den Tagen zuvor noch in den Medien ausgemalt wurde, konnte jedoch keine Rede sein. Mit Schnee und Eis hatten neben Deutschland, Großbritannien und Spanien vor allem auch Frankreich, die Beneluxstaaten, Polen und Tschechien zu kämpfen. In den Niederlanden, Südostfrankreich und Polen waren tausende Menschen vorübergehend ohne Strom. Im Osten Tschechiens fielen zwischen dem 8., 06 UTC und dem 10., 06 UTC verbreitet um 30 cm Neuschnee (z. B. Čáslav 31 cm). An ihrer Ostflanke lenkte "Daisy" derweil warme Luft subtropischen Ursprungs ins südöstliche Europa (z. B. Heraklion/Kreta +22,8 °C am 9.). Nahe des Tiefzentrums traten am 8. und 9. in der Mitte und im Süden Italiens kräftige Gewitter auf und richteten örtlich schwere Schäden an. Gioia del Colle in Apulien meldete am 8. eine Spitzenböe von 126 km/h. Örtlich kam es zu Überschwemmungen.



Wetterwerte

Nachstehend eine Auswahl gemessener Schneehöhen in Deutschland und in Europa vom 07. bis zum 12.01.2010; dazu ausgewählte Spitzenböen aus Norddeutschland vom 09. und 10.01.2010. Quellen: DWD, WetterOnline

Ort 07. 08. 09. 10. 11. 12.
Kap Arkona (MV)
Potsdam (BB)
Leipzig/Flgh. (SN)
Niederstetten (BW)
Stuttgart/Flgh. (BW)
Rheinstetten (BW)
2 cm
16 cm
15 cm
10 cm
2 cm
1 cm
31 cm
16 cm
15 cm
11 cm
2 cm
1 cm
26 cm
19 cm
23 cm
20 cm
15 cm
10 cm
20 cm
27 cm
29 cm
23 cm
14 cm
10 cm
16 cm
30 cm
34 cm
25 cm
13 cm
10 cm
17 cm
26 cm
29 cm
26 cm
18 cm
13 cm

Ort 07. 08. 09. 10. 11. 12.
Sennybridge (GB)
Bristol (GB)
Odiham (GB)
Oviedo (E)
Brest (F)
Albi (F)
Paris Orly (F)
Prag/Flgh. (CZ)
Pardubice (CZ)
Zielona Góra (PL)
11 cm
13 cm
28 cm
2 cm
1 cm
-
4 cm
4 cm
1 cm
21 cm
12 cm
11 cm
27 cm
3 cm
1 cm
-
8 cm
3 cm
1 cm
22 cm
12 cm
10 cm
20 cm
20 cm
5 cm
<0,5 cm
7 cm
15 cm
18 cm
25 cm
13 cm
12 cm
16 cm
26 cm
8 cm
11 cm
7 cm
22 cm
19 cm
32 cm
13 cm
10 cm
21 cm
18 cm
8 cm
8 cm
7 cm
25 cm
38 cm
37 cm
13 cm
9 cm
20 cm
5 cm
5 cm
4 cm
5 cm
25 cm
38 cm
37 cm

Ort 09. 10.
Norderney (NDS)
Helgoland (SH)
Kiel Leuchtturm (SH)
Boltenhagen (MV)
Kap Arkona (MV)
83 km/h
86 km/h
97 km/h
101 km/h
115 km/h
86 km/h
90 km/h
101 km/h
101 km/h
122 km/h


Rückwärtstrajektorien

Rückwärtstrajektorien zeigen die Herkunft der Luftmassen in unterschiedlichen Höhen für einen bestimmten Ort und einen bestimmten Zeitpunkt. In der mittleren Troposphäre (grün) entstammte die Luft, die am 09.01.2010 Karlsruhe erreichte, 48 Stunden zuvor dem Mittelmeerraum, in 1.500 Metern Höhe (blau) der nördlichen Balkanregion und in Bodennähe (rot) dem Osten Deutschlands.

48-stg. Rückwärtstrajektorien für Karlsruhe,
Endzeit 09.01.10, 12 UTC. Quelle: NOAA


Satellitenbilder

06.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
07.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
08.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
09.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
10.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
11.01., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk

Großbritannien in Weiß.
07.01., 11:50 UTC, TERRA VIS
Quelle: NASA Earth Observ.


Text: CE



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