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Mittwoch, 28. Januar 2009, 16:30 MEZ


Sturm, Orkan, Starkregen

Südwest-, Mitteleuropa
23./24.01.2009


Satellitenbild: 23.01.2009, 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk

Gleich zwei kräftige Tiefdruckgebiete sorgten im letzten Januardrittel 2009 in Europa für Schlagzeilen. Auf Sturmtief "Joris", das am 23. vor allem dem westlichen Mitteleuropa schwere Sturmböen brachte und infolge kräftiger Regenfälle auf teilweise gefrorenen Boden kleinere Überschwemmungen auslöste, folgte nur einen Tag später Orkantief "Klaus". Es fegte mit Spitzenböen um 200 km/h über Südfrankreich und Nordspanien hinweg und richtete schwere Schäden an. Nach letzten Agenturmeldungen kamen allein durch "Klaus" mindestens 25 Menschen ums Leben.


Wetterlage und Entwicklung

Zum ersten Mal im Winter 2008/09 etablierte sich eingangs des letzten Januardrittels eine stramme Frontalzone über dem mittleren Nordatlantik, in der in einem schmalen Band von Neufundland bis zu den Britischen Inseln bisweilen Windgeschwindigkeiten von rund 350 km/h im 300 hPa-Niveau (rund 9 Kilometer Höhe) auftraten. Dabei herrschte am Boden tiefer Luftdruck über dem grönländisch-isländischen Raum mit Zentraltief "Hans", das am 23. zwischen Island und den Britischen Inseln einen Kerndruck von weniger als 940 hPa aufwies. Der Schwerpunkt des Azorenhochs im Süden befand sich dagegen einige hundert Kilometer südlich der gleichnamigen Inselgruppe, sodass auch die Frontalzone recht weit südlich verlief und mehr oder weniger direkt auf Westeuropa ausgerichtet war. Dort teilte sie sich in einen nördlichen Ast, der Richtung Skandinavien zeigte und einen südlichen Part, der zum westlichen Mittelmeer verlief.
Im Schlepptau von "Hans" konnte Sturmtief "Joris" als Wellentief bereits am 21. über dem Westatlantik analysiert werden. Mit der kräftigen Höhenströmung wurde es binnen knapp zwei Tagen zur Irischen See gesteuert. Auf seinem weiteren Weg - dem nördlichen Ast der Frontalzone folgend - durch den Ärmelkanal über Benelux hinweg nach Norddeutschland intensivierte es sich rasch und erreichte am 23. um 12 UTC mit einem Kerndruck von unter 965 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung. Das okkludierende Frontensystem von "Joris" überquerte bis zum Abend Deutschland ostwärts. Dabei fiel verbreitet kräftiger Regen, Richtung Osten gefrierender Regen und besonders im Norden - in der Nähe des Tiefzentrums - sowie am Vormittag in den höheren Lagen des Westens und der Mitte auch Schnee (z.B. Kahler Asten 11 cm Neuschnee in sechs Stunden). Die höchsten Niederschlagsmengen innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 24. verzeichneten unter anderem Freudenstadt im Nordschwarzwald mit 34, Deuselbach in Rheinland-Pfalz mit 32 und Braunlage im Harz mit 30 mm. In Todtmoos im Südschwarzwald gingen von 13 MEZ bis 13 MEZ 41 mm nieder. Durch die starken Niederschläge standen im Hunsrück und in der Eifel viele Keller unter Wasser. Der Regen fiel dort auf oberflächlich angetauten, durch die lange Frostperiode Anfang des Monats aber in tieferen Schichten noch gefrorenen Boden, sodass das Niederschlagswasser nur oberflächlich abfließen und nicht versickern konnte. Vereinzelt kam es zu Erdrutschen wie zum Beispiel in der Nähe von Stockach am Bodensee, wo ein Teilstück der Autobahn 98 verschüttet wurde.
Zweites Thema war natürlich der Wind, der im Süden Deutschlands mit Passage des Frontensystems am frühen Nachmittag seine höchsten Geschwindigkeiten erreichte. Hierbei spielten wohl auch Schauerböen eine nicht unwesentliche Rolle, anders lassen sich Spitzenwerte von 176 km/h (Feldberg/Schwarzwald) sowie die von einer privaten Wetterfirma gemessenen 172 km/h auf dem Belchen im Südschwarzwald bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von rund 100 km/h im 850 hPa-Niveau (ca. 1500 Meter Höhe) kaum erklären. Auch im südwestdeutschen Flachland kam es verbreitet zu Sturm- und örtlich zu schweren Sturmböen (z.B. Saarbrücken 93 km/h); Altenstadt in Oberbayern verbuchte mit 108 km/h sogar eine orkanartige Böe. In Nordhessen wurde infolge der kräftigen Böen ein Mann auf einer Bundesstraße von einem umstürzenden Baum erschlagen.
Auch aus Frankreich und Benelux wurden schwere Sturmböen vermeldet. In Lyon gab es mit 109 km/h eine Böe der Stärke 11. In Belgien führte Koksijde (90 km/h) die Rangliste der höchsten Windgeschwindigkeiten an, in den Niederlanden La Goeree (83 km/h).

Ungleich stärker als zuvor "Joris" entwickelte sich nur wenige Stunden später das kleinräumige Orkantief "Klaus", das allerdings - entlang dem südlichen Ast der Frontalzone - eine südlichere Zugbahn wählte. Am 24. um 00 UTC lag es mit einem Kerndruck von unter 965 hPa über der Biskaya, bis zum Abend verlagerte es sich über Südfrankreich hinweg nach Norditalien. Zu der rapiden Vertiefung über dem östlichen Nordatlantik trug ein in die Frontalzone eingelagerter, markanter Kurzwellentrog bei.
In Nordspanien und im Süden Frankreich gab es in Verbindung mit "Klaus" teilweise extreme Windgeschwindigkeiten. Unbestätigten Meldungen zufolge wurden an der Station Punta Candeeira im Nordwesten Galiziens an der spanischen Biskayaküste mehrfach Böen über 200 km/h, in der Spitze sogar bis 215 km/h registriert. In Anbetracht der 199 km/h in der Küstenstadt Gijón erscheinen diese Werte aber durchaus plausibel. Extreme Orkanböen konnten ebenso in La Coruña (183 km/h) und in Bilbao (155 km/h) gemessen werden. Am internationalen Flughafen in Barcelona wurden immerhin noch 111 km/h beobachtet, nur wenige Kilometer davon entfernt in Sant Vicenç de Monatalt allerdings 140 km/h. Auch im Süden Frankreichs entfaltete "Klaus" seine volle Stärke. Die höchsten Windgeschwindigkeiten wurden an der Biskayaküste (z.B. Biscarosse 172 km/h) und am Löwengolf (z.B. Cap Bear 183 km/h) aufgezeichnet. In Bordeaux blies der Wind mit Böen bis 161 km/h. Auch im Norden Afrikas (Annaba/Algerien 107 km/h) und auf Korsika (bis 160 km/h) war der Orkan deutlich zu spüren. Hinzu kamen teilweise kräftige Regen-, in den Höhenlagen Südfrankreichs auch Schneefälle. In Sion (Schweiz) fielen innerhalb von 12 Stunden bis zum 24., 18 UTC 56 mm, in Neapel im selben Zeitraum 46 mm. Zumindest von den Windgeschwindigkeiten her hält "Klaus" einem Vergleich mit Orkan "Lothar" vom zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 in Mitteleuropa stand.
Entsprechend groß waren die Schäden. Vielfach wurden Dächer abgedeckt, Bäume entwurzelt und Stromleitungen umgerissen. Im Südwesten Frankreichs waren rund 1 Million Menschen ohne Strom. Die Flughäfen von Bordeaux und Toulouse mussten vorübergehend geschlossen werden, auch einige Bahnstrecken waren unterbrochen. In Katalonien und der Provinz Alicante gab es infolge des Orkans Waldbrände, tausende Menschen wurden evakuiert. Neuesten Agenturberichten zufolge kamen durch "Klaus" mindestens 25 Menschen ums Leben. Allein in Barcelona starben vier Kinder beim Einsturz des Daches einer Sportanlage. In Frankreich verloren vier Menschen durch eine Kohlenmonoxidvergiftung ihr Leben. Sie hatten nach dem Stromausfall Generatoren eingeschaltet. Weitere Menschen wurden von umstürzenden Mauern und Bäumen oder von umherfliegenden Trümmern erschlagen, vor der Küste Galiziens ertrank ein Fischer. Eine Frau starb, weil durch den Stromausfall ihr Beatmungsgerät ausfiel.

Text: CE

Bodendruckanalysen vom 22. bis 25.01.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
22.01.2009, 00 UTC 23.01.2009, 00 UTC 24.01.2009, 00 UTC 25.01.2009, 00 UTC
500 hPa-Geopotential und Bodendruck vom 22. bis 25.01.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
22.01.2009, 00 UTC 23.01.2009, 00 UTC 24.01.2009, 00 UTC 25.01.2009, 00 UTC


Wetterwerte

Nachstehend gemessene Spitzenböen in Deutschland am 23.01. im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes sowie die stärksten Böen in Frankreich und Benelux (Quelle: WetterOnline). Dazu die höchsten 24-stündigen Niederschlagsmengen (soweit verfügbar) bis zum 24., 06 UTC.
Weitere Tabellen beinhalten ausgewählte Böen in Spanien und Frankreich vom 23. und 24.01. (Quellen: WetterOnline, meteogalicia.es, foro.meteored.com, meteociel.fr).


Ort 23.
Wendelstein
Feldberg/Schw.
Zugspitze
Brocken
Weinbiet/Pf. Wald
Hohenpeißenberg
Großer Arber
Klippeneck
Altenstadt
Wasserkuppe
Rheinstetten
187 km/h
176 km/h
144 km/h
137 km/h
130 km/h
126 km/h
119 km/h
112 km/h
108 km/h
108 km/h
94 km/h
Ort 23.
Lyon/Satolas (F)
Solenzara (F)
Bastia-Poretta (F)
Le Talut (F)
Châteaudun (F)
Koksijde (B)
Chièvres (B)
Oostende/Flgh. (B)
Le Goeree (NL)
Euro Platform (NL)
Hoek van Holland (NL)
109 km/h
109 km/h
104 km/h
104 km/h
98 km/h
90 km/h
87 km/h
86 km/h
83 km/h
83 km/h
79 km/h
Ort 23./24.
Freudenstadt
Deuselbach
Braunlage
Lüdenscheid
Idar-Oberstein
34 mm
32 mm
30 mm
28 mm
26 mm

Ort 23./24.
Gijón/El Musel (E)
La Coruña/Malpica (E)
Ancares (E)
Bilbao (E)
Burela (E)
Fragavella (E)
San Sebastian (E)
Santander (E)
Reus (E)
Barcelona/Flgh. (E)
199 km/h
183 km/h
182 km/h
155 km/h
152 km/h
145 km/h
137 km/h
130 km/h
120 km/h
111 km/h
Ort 23./24.
Cap Bear (F)
Biscarosse (F)
Cap Ferret (F)
Bordeaux (F)
Leucate (F)
Cazaux (F)
Mont-de-Marsan (F)
Biarritz (F)
Saint-Girons (F)
Toulouse/Blagnac (F)
183 km/h
172 km/h
172 km/h
161 km/h
156 km/h
141 km/h
141 km/h
135 km/h
126 km/h
120 km/h




Satellitenbilder

22.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT
23.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT
24.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT
25.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT



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