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Sonntag, 28. August 2005, 12:00 MESZ


Starkniederschläge


Alpenraum
20.-24.8.2005


Satellitenbild: 22.8.2005, 12:33 UTC, NOAA 18 VIS
Quelle: B. J. Burton


Wetterlage und Entwicklung
Nur gut 5 Wochen nach dem letzen Hochwasser im Alpenbereich, als besonders der Landkreis Traunstein und in Österreich Gebiete entlang der Salzach (Pinzgau) in Mitleidenschaft gezogen worden waren, traten - dieses Mal allerdings weiter westlich - vom 20. bis zum 24.8.2005 erneut enorme Regenmengen auf. Die Pegelstände der Flüsse übertrafen teilweise die bisherigen Rekordmarken und vielerorts selbst die des Pfingsthochwassers vom Mai 1999.
Bei Hochwasserlagen im Alpenraum gestaltet sich der Wetterablauf immer ähnlich: Ein Höhentrog reicht zunächst über Frankreich hinweg ins westliche Mittelmeer, in seinem Südteil entsteht durch einen Abschnürungsprozess ein eigenständiger Höhenwirbel, der dann über Norditalien Richtung nördliches Balkan ostwärts wandert. Großräumige Hebungsprozesse, günstige Strömungsverhältnisse in Bodennähe, die das zugehörige Bodentief vorgibt und eine extreme Stauwirkung der Berge ermöglicht, sowie sehr feuchte Luftmassen führen zu Niederschlagsmengen, die ohne Weiteres mehrere Hundert mm erreichen können - besonders dann, wenn die Gesamtkonstellation sich als über mehrere Tage beständig erweist und nur langsam ändert.
Am 20.8.2005, 00 UTC, lag der Höhentrog mit seiner Achse noch über Frankreich, sie reichte etwa bis zu den Balearen, der Abschnürungsprozess hatte bereits begonnen. Das Bodentief "Norbert" lag noch wenig wetterwirksam über Norditalien, nördlich der Alpen herrschte unter dem Einfluss des Tiefdruckgebietes "Mitri" unbeständiges Wetter mit schauerartigen Niederschlägen, die lokal auch durchaus kräftig ausfielen (Oberreute 58 mm). Als 24 Stunden später das Höhentief über dem Golf von Genua anlangte, aktivierte es es das Bodentief "Norbert"; die Hebungsprozesse griffen in der Schweiz auf die Alpennordseite über und brachten zB auf dem Pilatus bereits 48 mm Regen. Weiter nördlich und östlich beruhigte sich das Wetter vorübergehend, hier gab es nur einige unbedeutende Schauer. Besonders in der Zentralschweiz regnete es vom 21. auf den 22.8. zunehmend ohne Unterbrechung, die größte Menge fiel auf dem Napf mit 129 mm. Mit der Verlagerung des Höhentiefs und des Bodentiefs "Norbert" nach Nordosten (am 23.8.2005 lag es um 00 UTC etwa über dem nordwestlichen Slowenien) wanderte zum einen auch das Hauptregengebiet nach Osten, zum anderen drehte die Strömung an der Alpennordseite auf Nord bis Nordost, so dass sich der Staueffekt immer nachhaltiger bemerkbar machte. Vom 22. auf den 23.8. regnete es besonders kräftig von Graubünden über Vorarlberg und das Allgäu bis hin zum Werdenfelser Land. Der Säntis verzeichnete eine 24-stündige Regenmenge von 186 mm, Oberstdorf registrierte 122 mm, Vaduz in Liechtenstein 97 mm. In Garmisch fielen in der Nacht bis zu 14 mm stündlich. Das Niederschlagsgebiet reichte über Nordostbayern bis nach Thüringen und Sachsen, in Chemnitz kamen insgesamt fast 60 mm zustande. Am 23.8. tagsüber wurde der Regen nur langsam schwächer und brachte auf dem Wendelstein noch 102 mm, in Kufstein 72 mm. Gleichzeitig wanderte der Starkregen weiter nach Osten und betraf jetzt hauptsächlich das Gebiet vom Mangfallgebirge bis ins Chiemgau und nach Tirol hinein. Am Abend des 23.8. und in der Nacht zum 24.8. ließ der Regen rasch nach und hörte abgesehen von einigen Schauern vielfach ganz auf.

Auswirkungen
Bei Niederschlagsmengen, die in gebirgigem Terrain binnen 24 Stunden größerflächig mehr als 100 mm erreichen, sind zum Teil schwerwiegende Folgen unausweichlich. Dieses Mal traten die größten Niederschlagsmengen in der Zentral- und Nordostschweiz auf, vom Bregenzer Wald bis ins Württembergische und Bayerische Allgäu, sowie vom Ammergebirge über das Wettersteingebirge und das Mangfallgebirge bis hin zu den Chiemgauer Alpen, auf österreichischer Seite im Gebiet von den Lechtaler Alpen über das Karwendelgebirge bis zum Kaisergebirge. Es kam zu Schlamm- und Gerölllawinen, die viele Straßen- und Eisenbahnverbindungen verschütteten und unterbrachen, etliche Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten, zB Engelberg in der Schweiz oder Lech am Arlberg, die Gotthard-Bahnlinie in der Schweiz war unpassierbar.
Noch dramatischer entwickelten sich aber die Hochwässer besonders der Flüsse, die in den genannten Gebieten ihr Einzugsgebiet haben. In Deutschland waren das besonders die Iller, deren 3 Quellflüsse Breitach, Stillach und Trettach in Oberstdorf zusammenfließen und alle extremes Hochwasser führten, die Wertach, der Lech, die Loisach und die Isar. In diesen Flüssen stieg der Pegel jeweils rasant an und meist wurden die Hochwassermarken der Meldestufe 4 übertroffen. Die Loisach überflutete große Teile von Eschenlohe, der Ausnahmezustand wurde verhängt. Größere Überschwemmungen gab es auch im Ausland, zB trat die Aare in Bern über die Ufer und überschwemmte das Matte-Viertel, dessen Bewohner evakuiert werden mussten. In den kleineren Flüssen erreichten die Pegelstände ihre größten Höhen fast zeitgleich mit den maximalen Niederschlägen am 23.8.2005. Sie übertrafen zum Teil sogar die bisherigen Höchststände vom Pfingsthochwasser am 12.5.1999. Die Abflussmengen betrugen ein Vielfaches der üblichen Mengen; strömten mit der Iller in Sonthofen am 21.8. abends noch etwa 30 m³ talwärts, waren es am Morgen des 23.8. fast 500 m³! Hier ist ein solches Hochwasser statistisch nur etwa alle 1000 Jahre einmal zu erwarten!. Am Hochrhein in Hauenstein erreichte das Hochwasser durch die Zuflüsse aus der Schweiz am 23.8.2005 einen Stand wie am 2.6.1995. Tags darauf wurde auch in Karlsruhe-Maxau die Hochwassermarke übertroffen, die bisherigen Höchststände allerdings weit verfehlt; hierzu hätte es zusätzlicher Hochwasser führender Zuflüsse besonders aus dem Schwarzwald bedurft.
Die Scheitelwelle des Hochwassers macht sich flussab erst ein oder mehrere Tage später bemerkbar. So übertraf der Pegel der Isar in München am 24.8. die Meldestufe 4. Große Sorgen machte man sich auch an der Donau, wo die höchsten Wasserstände am 26. und 27.8.2005 auftraten. Allerdings hielten die Dämme weitgehend stand und das Hochwasser verlief vergleichsweise glimpflich.

Bewertung
In den letzten Jahren häufen sich durch sogenannte Vb-Wetterlagen verursachte Hochwässer im südlichen und östlichen Mitteleuropa. Die markantesten waren das Oderhochwasser 1997 in Polen und Ostddeutschland, das Pfingsthochwasser 1999 in Südbayern, das Elbehochwasser 2002 und jetzt das erneute Ereignis in Südbayern. Das wirft die Frage auf, ob wir es mit einer signifikanten Veränderung zu tun haben, die möglicherweise bereits Folge der beobachteten allgemeinen Erwärmung des Klimas ist.
Vb-artige Tiefdrucklagen treten vor allem in Zeiten mit vergleichsweise schwach ausgeprägter Westwindzirkulation im europäischen Raum auf. Seit Mitte der 1990er Jahre leben wir in einer Phase mit schwächeren Westwinden. Solche Phasen verringerter Aktivität wechseln sich mit westaktiveren wie zu Beginn der 1990er Jahre ab. Ob sich generell die Niederschlagsintensität der hochwasserverursachenden Wetterlagen verstärkt hat, ist nicht sicher festzustellen, da die Zahl der Ereignisse hierfür noch zu gering ist. Dennoch ist bei erhöhter Temperatur aufgrund des höheren Energieinhalts der Luft generell mit potenziell heftigeren Niederschlagsereignissen zu rechnen, wenn auch nicht notwendigerweise mit größerer Häufigkeit. Möglicherweise erleben wir gerade die ersten Anzeichen davon.

Bodendruckanalysen vom 20. bis zum 23.8.2005, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
20.8.2005, 00 UTC 21.8.2005, 00 UTC 22.8.2005, 00 UTC 23.8.2005, 00 UTC
Bodendruck und 500 hPa-Geopotentail vom 20.8.2005 bis zum 23.8.2005, jeweils 00 UTC:
Quelle: Wetterzentrale
20.8.2005, 00 UTC 21.8.2005, 00 UTC 22.8.2005, 00 UTC 23.8.2005, 00 UTC

Niederschlag

Nachstehend eine Auswahl an gemessenen Niederschlagsmengen von Freitag, 19.8.2005, 06 UTC, bis zum Mittwoch, 24.8.2005, 06 UTC, jeweils 24-stündig, in Deutschland und in der Schweiz sowie in Liechtenstein und Österreich:

Ort 19./20. 20./21. 21./22. 22./23. 23./24. Summe
Kreuth
Oberreute
Waakirchen
Oberammergau
Hohenpeißenberg
Garmisch
Oberstdorf
Steingaden
Immenstadt
Wendelstein
21 mm
58 mm
27 mm
10 mm
13 mm
21 mm
16 mm
9 mm
16 mm
12 mm
4 mm
-
4 mm
4 mm
5 mm
6 mm
15 mm
4 mm

3 mm
6 mm
17 mm
8 mm
17 mm
41 mm
7 mm
15 mm
17 mm
14 mm
9 mm
126 mm
98 mm
91 mm
119 mm
79 mm
105 mm
122 mm
110 mm
100 mm
19 mm
85 mm
13 mm
53 mm
32 mm
37 mm
32 mm
13 mm
24 mm
32 mm
102 mm
242 mm
186 mm
183 mm
182 mm
175 mm
171 mm
170 mm
164 mm
162 mm
145 mm
Ort 19./20. 20./21. 21./22. 22./23. 23./24. Summe
Napf
Säntis
Engelberg
Pilatus
Interlaken
Luzern
St. Gallen
22 mm
13 mm
16 mm
17 mm
16 mm
24 mm
14 mm
37 mm
-
9 mm
48 mm
19 mm
24 mm
22 mm
127 mm
21 mm
79 mm
67 mm
81 mm
81 mm
55 mm
51 mm
186 mm
111 mm
40 mm
46 mm
26 mm
43 mm
-
8 mm
-
-
-
-
1 mm
237 mm
228 mm
215 mm
172 mm
162 mm
155 mm
135 mm
Ort 19./20. 20./21. 21./22. 22./23. 23./24. Summe
Vaduz (FL)
Innsbruck
Kufstein
19 mm
22 mm
17 mm
5 mm
10 mm
4 mm
29 mm
8 mm
5 mm
97 mm
59 mm
25 mm
5 mm
25 mm
72 mm
155 mm
124 mm
123 mm
Niederschlag vom 20. bis zum 23.8.2005 in Baden-Württemberg und in Kempten (Bayern)
Quelle: HVZ
20.8.2005, 00 UTC 21.8.2005, 00 UTC

Flusspegel und Abflussmengen

Pegel und Abflussmengen verschiedener Flüsse
Quellen: HVZ, HND und Wasserwirtschaftsamt Kempten
Pegel Rhein / Hauenstein Pegel Rhein / Karlsruhe-Maxau
Pegel Stillach / Oberstdorf Pegel Loisach / Eschenlohe
Pegel Isar / München Pegel Donau / Kelheim
Abfluss Iller / Sonthofen Abfluss Wertach / Biessenhofen
21.8.05, 12:34 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag
22.8.05, 10:36 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag
23.8.05, 10:13 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag
21.8.05, 16:08 UTC, N12 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern
22.8.05, 15:58 UTC, N12 VIS
Quelle: M. Wienzek
23.8.05, 10:27 UTC, N17 VIS
Quelle: M. Wienzek



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