Montag, 9. Mai 2016, 20:30 MESZ aktualisiert: Fr., 13.05.2016, 11:20 MESZ Waldbrände Kanada Mai 2016 Brandherde am 4. Mai 2016 bei Fort McMurray Quelle: NASA |
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Anfang Mai 2016 entwickelten sich verheerende Waldbrände rund um die Stadt Fort McMurray in Alberta, Kanada und breiteten sich auf eine Fläche von 1.600 Quadratkilometern aus, die etwa der Hälfte der Fläche Rhode Islands entspricht (kleinster Bundesstaat der USA). 90.000 Menschen mussten fliehen und in gefährlichen Rettungsaktionen evakuiert werden - die größte Evakuierung vor Waldbränden in Albertas Geschichte. Zum ersten Mal in der Geschichte Nordamerikas wurde eine Stadt mit mehr als 60.000 Einwohnern von schweren Bränden eingeschlossen. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben. Mehr als 1.600 Gebäude wurden in Fort McMurray zerstört. Im Stadtteil Waterways beläuft sich der Anteil zerstörter Gebäude auf 90%. Der entstandene Schaden wird bislang auf über neun Milliarden kanadische Dollar (6,1 Milliarden Euro) geschätzt.
Entwicklung in Nordamerika Die vergangenen Monate standen im Zeichen eines sehr stark ausgeprägten El-Niño-Phänomens. Beispielsweise sorgte dieses in der Vergangenheit häufig für einen sehr nassen Winter im Süden Kaliforniens, in polaren Regionen wie Kanada verlaufen El-Niño-Winter eher mild bei einem nordwärts verschobenen Jetstream. Allgemein lagen die Temperaturen in der Arktis, in Teilen Kanadas, sowie im äußersten Norden der USA den kompletten Winter über wesentlich zu hoch (etwa 5 K). Die beobachtete polare Meereisbedeckung liegt aktuell mit 11,78 Mio. km² über 1 Mio. km² niedriger als zum selben Zeitpunkt 2012, als am 18. September mit 3,18 km² die geringste Eisbedeckung nach einem Sommer überhaupt gemessen wurde. Die CO2-Konzentrationen und folglich die Globaltemperaturen befinden sich seit Monaten auf dem höchsten je aufgezeichneten Niveau (über 408 ppm; knapp über 1,5 K wärmer als der vorindustrielle Zeitraum im Februar). Für El Niño untypisch war beispielsweise die Aufzeichnung des heißesten Februar in der Messreihe von Los Angeles. Weiter nördlich, in Seattle (WA) wurde der nasseste Winter seit Aufzeichnungsbeginn registriert. Auf eine Erholung der Schneedecke in der Sierra Nevada nach einer vier Jahre anhaltenden Jahrhundertdürre folgte eine rasche Rückkehr zur Situation vor El Niño: hohe Temperaturen durch einen sich häufig an der selben Stelle regenerierenden Höhenrücken. Die Folge war der heißeste April seit Aufzeichnungsbeginn im Nordwesten der USA.
Situation in Kanada Der Westen Kanadas erlebte einen sehr milden und schneearmen Winter (z.B. in Fort McMurray 43 mm Niederschlag von Dezember 2015 bis April 2016, Mittelwert 82 mm). Geopotentialkarten zeigen im Mittel für diese Jahreszeit einen schwach ausgeprägten Rücken über Westkanada. Dieses Jahr (29.3. bis 10.5.) war der Rücken über Westkanada deutlich stärker ausgeprägt. Im 6-Wochen-Zeitraum bis 10.5. wurden über Westkanada 500-hPa-positive Geopotentialanomalien von verbreitet 8-10 dam analysiert. Durch verstärkte Absinkvorgänge und stabilere Atmosphärenschichtung fielen dort geringere Niederschlagsmengen als üblich. Die Trockenheit verbunden mit ungewöhnlich hohen Temperaturen und windigem Wetter boten für Ausbreitung von Waldbränden gute Voraussetzungen.
An der Station Fort McMurray CS wurde seit 26.04. überhaupt kein messbarer Niederschlag mehr registriert. Das letzte größere Niederschlagsereignis mit 10,8 mm fand hier am 13.04. statt und seit 01.04. fielen hier insgesamt 21,2 mm. Seit Jahresbeginn kamen gerade mal 72,0 mm zusammen.
Schon der Winter war in einigen Gebieten Kanadas mit weniger als 75 % des langjährigen Mittelniederschlags erheblich zu trocken. Stellenweise wurden sogar weniger als 50 % erreicht, in der Mitte Manitobas sogar lokal < 25 %. In Alberta fiel der Winter vor allem im Südwesten verbreitet zu trocken aus (60 - 85 % des Mittels), lokal fiel nur 25 - 40 % des langjährigen Winterniederschlags. Niedrige Flusspegel und rekordverdächtig geringe Wasseräquivalente der Schneedecke waren Ausdruck der trocken-warmen Witterung. Beispielsweise am Athabasca River (fließt durch Mc Murray) betrug das Wasseräquivalent der Schneedecke am 1.5. an der Station Marmot-Jasper (1830 m ü. NN) 63 mm. An einem 1.5. werden dort durchschnittlich 219 mm gemessen, d.h. der diesjährige Wert betrug nur 29 % des Mittels und ist der zweitniedrigste der letzten 47 Jahre. Die Station Sunwapta Falls (1400 m ü. NN), ebenfalls am Athabasca River gelegen, maß sogar überhaupt keinen Schnee. 0 mm Wasseräquivalent trat in der 47-jährigen Zeitreihe lediglich noch im Jahr 1980 auf. Das Mittel liegt bei 118 mm.
Anfang Mai kam einmal mehr ein kräftiger Höhenrücken über dem Westen Nordamerikas zu liegen und transportierte heiße Luft (über 20 °C in 850 hPa) bis in den Westen Kanadas (Breitenlage etwa auf Höhe der südlichen Hudson Bay). Die 0 °C-Isotherme überdeckte sogar Westkanada komplett bis zur Nordküste (Kanadisch-Arktischer Archipel). Die Temperaturen stiegen am 3.5. in Fort McMurray auf knapp 33°C (langjähriges Mittel Anfang Mai: 15°C). Der 71 Jahre alte Tagesrekord von knapp 28 °C wurde deutlich überboten. Nur an rund fünf Tagen pro Jahr und häufig erst im Juli und August steigen die Temperaturen so hoch (mittleres Maximum 21-24°C) (Quelle: Wunderground). In der Region sind April und Mai die windigsten Monate, doch erst im Juli und August sind Brände in den borealen Wäldern üblich. Nach dem schnell abgeschmolzenen Schnee in den vorangegangenen Wochen blieb trockene und noch nicht ergrünte Vegetation zurück.
Am 1.5. entstand rund 15 km von Fort McMurray entfernt ein Waldbrand. Blitzkarten ist zu entnehmen, dass im Bereich von Mc Murray am 27.4. einzelne Blitze registriert wurden. Möglicherweise war ein Blitzschlag der Auslöser für die verheerenden Feuer. Erste kleine Feuer (gelbe Punkte, < 100 ha) sind auf den Analysekarten für Nordamerika am 17.4. zu sehen. Am 20.4. traten größere Feuer (orangene Punkte, 101 - 1000 ha) im Osten Britisch-Kolumbiens auf. Die Karte vom 2.5. zeigt auch in Alberta große Feuer (rote Punkte, > 1000 ha), darunter die schweren Waldbrände von Mc Murray. Am 11.5. war die Feuergefahr (fire danger) in fast ganz Alberta moderat (grün), hoch (gelb), sehr hoch (orange) bis extrem (rot). Die Hitze, trockene Vorgeschichte und Vegetation, sehr trockene Luft (unter 10 % relative Luftfeuchtigkeit) sowie starke Winde (54 km/h im Mittel, Bft 7, 72 km/h in Böen, Bft 8 am 4.5. bei 32 °C) begünstigte die Entstehung eines Großbrandes. Dieser forderte alle nationalen und zum Teil militärischen Kapazitäten der Einsatzkräfte, geriet durch rasche Zunahme an Fläche außer Kontrolle. Nach dem Durchgang einer ersten Kaltfront am 5.5. stiegen die Temperaturen erneut deutlich an, eine zweite Kaltfront ermöglichte am 9.5. eine allmähliche Eindämmung des Großbrands. Zuvor war eine Ausbreitung des Feuers auf 3000 km² sowie auf den Nachbarstaat Saskatchewan befürchtet worden. Zudem bestand Explosionsgefahr an den nah gelegenen Ölproduktionsstätten im Falle eines Übergreifens der Brände. Ein Produktionsstopp wurde veranlasst (entspricht 25 % der gesamten Produktion Kanadas). Dennoch könnte das Feuer noch Wochen oder Monate wüten.
Text: FB/SB/MB 9.-13. Mai 2016 |