Mittwoch, 02. September 2015, 21:30 MESZ Hitze/heftige Gewitter Mitteleuropa 30.08.-01.09.2015 Shelfcloud bei Borken (NW) © Marco Kaschuba |
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Nach einer neuerlichen kurzen Hitzephase Ende August, die insbesondere dem Süden und Osten Deutschlands zahlreiche Dekadenrekorde bescherte (im sächsischen Bad Muskau stieg die Höchsttemperatur nochmals auf 37,3 °C), wurde die Heißluft von kühlerer Meeresluft verdrängt. Dabei gingen in einigen Regionen Europas, etwa von Spanien über Frankreich, Benelux und Norddeutschland sowie später südostwärts fortschreitend zum Teil heftige Gewitter nieder. Lokal fielen diese unwetterartig aus und waren von Starkregen, Sturmböen und Hagelschlag begleitet. In Frankreich kamen zwei Menschen ums Leben.
Hitze mit neuen Monats- und Dekadenrekorden Nach der Monatsmitte des August verdrängten Schauer und Gewitter die rekordverdächtige Hitze aus Deutschland. Die vorübergehende Abkühlung hatte allerdings nur einige Tage Bestand, denn von Süden folgte in einem Höhenrücken, der sich am 23.08. von Nordafrika bis letztlich Nordskandinavien erstreckte, allmählich ein neuer Schwall heißer Luft. Während der Nordwesten Deutschlands an den Folgetagen durch die Nähe zum Höhentrog mit Zentrum über dem östlichen Nordatlantik immer wieder von Tiefdruckausläufern und kühleren Luftmassen beeinflusst wurde, lag der Süden schon unter Hochdruckeinfluss. Von Südwesten stiegen die 850-hPa-Temperaturen (in rund 1500 Metern) am 26.08. bereits auf 15 - 18 °C, von 27. - 29.08. über Süddeutschland auf Werte um 20 °C. Über Spanien wurden am 29.08. sogar 26 °C analysiert. Am 30.08. erstreckte sich die Hitze mit den höchsten positiven Temperaturanomalien bananenförmig von der Iberischen Halbinsel über Frankreich, Deutschland bis nach Südosteuropa. In diesen Regionen Europas betrugen die 850-hPa-Temperaturen verbreitet 19 - 23 °C, was Abweichungen gegenüber dem langjährigen Mittel (1961 - 1990) von rund +10 K entspricht. Entsprechend heiß wurde es in einem großräumigen wolkenarmen Bereich von Mittel- bis Osteuropa bei kräftiger Sonneneinstrahlung.
Die Höchsttemperaturen überschritten von 27. - 29.08. vor allem im Süden der Republik (am 28.08. nur im Südosten) die 30-Grad-Marke. Am 30.08. kam die Hitze nordwärts voran, nur nördlich einer Linie nördliches Nordrhein-Westfalen - nördliches Brandenburg blieben die Temperaturen unter der 30-Grad-Marke. In der Südhälfte (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern) wurde dagegen die 35-Grad-Marke geknackt. Spitzenreiter am 30.08. war das oberpfälzische (BY) mit 36,1 °C. Am 31.08. verlagerte sich der Hitzeschwerpunkt nordostwärts und abgesehen vom Küstenumfeld wurden fast überall zwischen 30 und 35 °C gemessen. Noch etwas heißer wurde es im Osten (u.a. Brandenburg und Sachsen). Auf 37,3 °C stieg die Temperatur in Bad Muskau in der Oberlausitz. Wie schon am 29.08. war Aldersbach-Kriestorf (BY) auch am 01.09. die wärmste DWD-Station mit jeweils 34,4 °C. Die spätsommerliche Hitze hatte einige Rekorde der dritten Augustdekade zur Folge. Beispielsweise in Cottbus (BB) wurde der alte Dekadenrekord aus dem Jahre 1960 mit 36,9 °C am 31.08. gleich um 2,0 K übertroffen. Am 01.09., als nur noch von Brandenburg bis Bayern die 30 Grad übertroffen wurden, wurden sogar einzelne neue Monatsrekorde verzeichnet. In Regensburg (Messungen seit 1947) wurde es am 15.09.1947 mit 32,5 °C bis dato am heißten. Die 33,3 °C sind somit sowohl Dekaden- als auch Monatsrekord. Weitere Monatsrekorde wurden beispielsweise in Mühldorf am Inn (neuer Rekord: 32,6 °C, seither 31,1 °C, zuletzt am 10.09.1983) und in Görlitz (neuer Rekord: 33,4 °C, bislang 32,1 °C am 17.09.1975) aufgestellt.
Zum Teil heftige Gewitter beenden Sommer In der Früh des 30.08. waren noch Hoch "Jessica" mit Zentrum über Italien und "Karma" mit Zentrum über Tschechien und Polen in der Südosthälfte Deutschlands wetterbestimmend. Über dem Norden Deutschlands lag eine wellende Warmfront (Heißluft aus Süden). In den Niederlanden entwickelten sich in der Nacht auf 30.08. erste, zum Teil kräftige Gewitter, die in den Frühstunden Nordwestdeutschland erreichten und ost- bis nordostwärts zogen. Am Abend des 30.08. gingen von Nordfrankreich über die Benelux bis nach Nordwestdeutschland an einer Konvergenzlinie erneut kräftige Gewitter nieder, welche ebenfalls ost- bis nordostwärts in den Nordwesten Deutschlands hereinzogen. Vorderseitig des Höhentrogs näherte sich am 31.08. Tief "Jonas". Großskalige Hebungsmechanismen legten in der feuchten und labilen Warmluft die Grundlage zur Ausbildung kräftiger Gewitter. Ein Gewitterkomplex bildete sich am Nachmittag des 31.08. in Holland und führte am Abend auch im nördlichen NRW, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu unwetterartigen Erscheinungen. Auch über dem Osten Deutschlands bildeten sich am Abend lokal heftige Gewitter. Ein mesoskaliges konvektives System (MCS) war in Nordspanien und Südfrankreich aktiv und richtete einige Schäden an. In der Früh des 01.09. lag das Zentrum von "Jonas" über Norddeutschland. Rückseitig strömte stabilere und kühlere Luft ein. Von Nordfrankreich bis nach Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen fielen am Morgen Regenfälle, die zum Teil gewittrig durchsetzt waren. Präfrontal entwickelten sich am 01.09. im Warmsektor an einer Konvergenzlinie gebietsweise kräftige Gewitter. Der Gewitterschwerpunkt befand sich vom Alpenraum und Ostdeutschland bis nach Polen.
Bis zu 5 cm große Hagelkörner sollen von 30. auf 31.08. in Rheinland-Pfalz vom Himmel gekommen sein. In Emmerich wurden dadurch etliche Autos beschädigt, mindestens 60 Vögel wurden erschlagen. Heftiger erwischte es auch das niederländische Nijmegen: Rund 100 PKWs standen in einem vollgelaufenen Parkhaus im Wasser. Ebenfalls in der Nacht zum 31.08. richtete Blitzschlag im Nordwesten Deutschlands Schäden an. Etwa im Landkreis Cloppenburg, Emsland oder Vechta schlugen Blitze in Häuser ein. In Ostfriesland kam es nach Starkregenfällen am 31.08. zu Überflutungen, mehrere Keller mussten leergepumpt werden, zahlreiche Straßen standen unter Wasser. Örtlich fielen binnen einer Stunde über 20 mm Regen. In Ostdeutschland führten am Abend des 31.08. heftige Windböen zu umgestürzten Bäumen, Hagel richtete Schäden an Pflanzen an. In Sangerhausen wehte es beispielsweise einen Carport in ein Haus. In Frankreich sorgten heftige Gewitter, Sturmböen und umgestürzte Bäume für Schäden an Strommasten. Insgesamt waren 87.000 Haushalte ohne Strom, die meisten davon im Süden des Landes, wo ein Gewitterkomplex mit mehreren hundert Kilometer Durchmesser am Abend des 31.08. und in der Nacht zum 01.09. zwei Todesopfer erforderte. Eine Frau wurde in ihrem Auto von einem Baum erdrückt, ein Mann wurde von einem Blitz erschlagen. Ab dem späten Nachmittag suchten am 01.09. lokal Starkregen und Hagel erneut Teile Ostdeutschlands heim. Vor allem rund um Meißen kam es nach Hagelschlag zu landwirtschaftlichen Schäden, etwa im Weinbau. In Cottbus wurden mit 90 km/h schwere Sturmböen gemessen (Bft. 10). Umgeknickte Bäume und abgebrochene Äste führten zu Verkehrsbehinderungen, beispielsweise im Bahnverkehr nach beschädigten Oberleitungen in Sachsen. Im sächsischen Glauchau und im niedersächsischen Bissendorf gibt es Tornadoverdachtsfälle.
Text: SB 02. September 2015 |