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Montag, 11. Februar 2013, 22:00 MEZ


Starkschneefall, Sturm

Schneesturm "Nemo"

Nordosten der USA, Neuengland

08.02. - 10.02.2013



Schneesturm "Nemo" über dem Nordosten der USA
Satellitenbild VIS-Kanal, 09.02.2013, 17:17 UTC
Quelle: NASA Earth Observatory


Ein kräftiger Wintersturm namens "Nemo" fegte im Februar 2013 über den Nordosten der USA hinweg. Orkanböen und ergiebige Schneefälle mündeten in einen Blizzard, der die Bundesstaaten Maine, New Hampshire, Vermont, Massachusetts, New York, Connecticut und Rhode Island in Atem hielt. Betroffen war auch die Metropolregion Boston. An der Küste folgte eine Sturmflut. Über eine halbe Million Haushalte waren ohne Strom, mindestens zehn Menschen kamen ums Leben.



Wetterlage und Entwicklung

Im ersten Februardrittel 2013 vollzog sich über der Südosthälfte des nordamerikanischen Kontinentes eine markante Zyklogenese, die im Verlauf über dem Nordosten der USA ein bemerkenswertes Schneesturmereignis hervorrief. Das kräftige Tiefdruckgebiet "Nemo" ging aus einem Bodentief über dem nördlichen Golf von Mexiko hervor, das am 07.02. auf der Vorderseite eines schwach gekrümmten Kurzwellentroges entstand. Aufgrund kaum vorhandenem synoptischem Antrieb verlagerte sich das Druckgebilde nur wenig intensivierend bis zum 08.02. der Höhenströmung folgend nordostwärts und lag um 06 UTC über dem Küstengebiet Georgias und South Carolinas mit einem Kerndruck um 1010 hPa. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich dem Bodentief von Nordwesten her ein stärkerer und schärfer gekrümmter Kurzwellentrog, der zwei Tage zuvor im Lee der Rocky Mountains initiiert wurde. Beide Tröge schlossen sich zu einem umfangreichen und stark wetterbestimmenden Höhentrog über dem Osten der Vereinigten Staaten zusammen. Unter dessen Vorderseite konnte sich "Nemo" unter großräumigen Hebungsprozessen deutlich intensivieren. Nur einen Tag später erreichte das Tief zu Beginn des 09.02. seinen tiefsten Kerndruck von 971 hPa.

"Nemo" verfolgte eine nordöstlich gerichtete und küstennahe Zugbahn entlang der Ostküste der USA. Auf der Vorderseite führte das System feuchtwarme Luftmassen mit sich, die weit südlich über dem Golf von Mexiko und in den Subtropen angezapft wurden. Durch Hebung der subtropischen Luftmasse entstand ein ausgedehnter Wolkenschild mit kräftigen Niederschlägen, die auf der warmen Seite über dem Meer als Regen niedergingen. Zum Reifestadium erreichte "Nemo" am 09.02. das Seegebiet vor der Küste New Jerseys und Marylands und zog bis zum 10.02. unter leichter Abschwächung weiter nach Neufundland. Zur stärksten Entwicklung bildete sich um das Tief ein großer Druckgradient, der den Wind bis zu Orkanstärke auffrischen ließ. Über dem Nordosten der USA wurde auf der Rückseite der Tiefs mehr und mehr subpolare Kaltluft in die Zirkulation miteinbezogen. Die frostige Kontinentalluft entstammte dem Gebiet rund um die Großen Seen und aus dem Süden Kanadas. Am Abend des 09.02. stieß die -10 °C-Isotherme südostwärts bis zur Atlantikküste New Jerseys, New Yorks und Connecticuts vor. Zur selben Zeit kam die +10 °C-Isotherme weiter im Osten über dem Meer zum gleichen Breitenkreis nordwärts voran. Das Tief fungierte als umfangreicher atmosphärischer Umwälzungswirbel, der durch Warmluftadvektion nordwärts und Kaltluftadvektion südwärts die vorhandenen Temperaturgegensätze ausglich.

Über dem Nordosten der USA floss in der niederen Troposphäre Kaltluft ein. Auf der Rückseite des Tiefs lagen die Temperaturen im Landesinneren und auch an den Küsten unter dem Gefrierpunkt. In der oberen Troposphäre wurde die feuchte Warmluft um das Tiefdruckgebiet herumgefürt, gelangte dann an die Nord- und Nordwestseite des Systems und strich unter kräftiger Hebung über die darunterliegende Kaltluft. Dies führte rückseitig von "Nemo" auf dessen kalten Seite zu ergiebigen Niederschlägen, die bis in die tiefsten Lagen als Schnee fielen. In Kombination mit dem stürmischen bis orkanartigen Wind kam es im Nordosten der USA und insbesondere in den Neuengland-Staaten zu einem Blizzard, der große Schneemengen und hohe Schneeverwehungen brachte. Da bei diesen Tiefdruckentwicklungen und -zugbahnen die kalten Sturmwinde über dem Land aus Nordosten daherkommen, wird solch ein Ereignis in den USA auch als "Nor'easter" bezeichnet. Genügend kalte Temperaturen unter 0 °C, aber nicht allzu frostige Temperaturen begünstigten dieses Mal das Auftreten starker Schneefälle, da in wärmerer Luft mehr Feuchte für die Bildung von Niederschlägen zur Verfügung steht. Mit stürmischem Ostwind an der Nordflanke von "Nemo" kam es vor allem an der Küste von Massachusetts zu einer Sturmflut.


Höhenwetterkarten zur Großwetterlage

500-hPa-Geopotential und Bodendruck, 850-hPa-Temperatur vom 07.02. bis 10.02.2013 | Quelle: wetter3.de
07.02.2013, 00 UTC 08.02.2013, 00 UTC 09.02.2013, 00 UTC 10.02.2013, 00 UTC


Bodendruckanalysen

Bodendruckanalysen vom 07.02. bis 10.02.2013 | Quelle: HPC NOAA
07.02.2013, 01:26 UTC 08.02.2013, 01:27 UTC 09.02.2013, 01:30 UTC 10.02.2013, 01:25 UTC


Satellitenbilder

GOES-13 Satellitenbilder IR-Kanal vom 07.02. bis 10.02.2013 | Quelle: GOES NASA NOAA
06.02.2013, 23:45 UTC 07.02.2013, 11:45 UTC 07.02.2013, 23:45 UTC 08.02.2013, 11:45 UTC
08.02.2013, 23:45 UTC 09.02.2013, 11:45 UTC 09.02.2013, 23:45 UTC 10.02.2013, 11:45 UTC


Niederschlagsradarbilder

Niederschlagsradarbilder staatenweit (oben) und Regionalradar Boston (unten) | Quelle: NCAR
07.02.2013, 00:00 UTC 07.02.2013, 23:59 UTC 08.02.2013, 23:58 UTC 09.02.2013, 23:58 UTC
08.02.2013, 17:58 UTC 08.02.2013, 23:54 UTC 09.02.2013, 05:57 UTC 09.02.2013, 11:59 UTC



Ergiebiger Schneefall, Orkanböen, Sturmflut und sechstgrößter Schneesturm in Boston

Satbild NO-USA
10.02.2013 © NASA
Massive Schneefälle ereigneten sich vor allem während des 08. und 09.02. in Neuengland und im Bundesstaat New York. Schneefallraten von bis zu 15 cm pro Stunde konnten beobachtet werden. Verbreitet schneite es 20 bis 50 cm, örtlich brachte "Nemo" insgesamt über einen Meter Neuschnee, so beispielsweise 102 cm in Hamden im Bundesstaat Connecticut. Portland in Maine stellte einen neuen Allzeitrekord auf, dort summierte sich der Schnee auf 81 cm. Hartford in Connecticut und Concord in New Hampshire verbuchten mit 54 cm bzw. 61 cm ihre zweitgrößte Schneedecke seit Messbeginn. Die Großstadt Boston (Massachusetts) zeichnete am Logan Airport eine maximale Schneehöhe von 55 cm auf, die sechstgrößte seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1936. Hier geht "Nemo" als sechstgrößtes Blizzard-Ereignis in die Stadtgeschichte ein. Den kräftigsten Schneesturm bisher erlebte Boston im Februar 2003, als am Flughafen bis zu 70 cm Schnee gemessen werden konnten. Zu den Schneefällen kam stürmischer Wind, der die Schneemassen zu großen Wechten auftürmte und Straßen- und Bahnverbindungen blockierte. Die größte Windböe in Orkanstärke registrierte Cuttyhunk in Massachusetts mit 134 km/h. Auch viele andere Orte im Nordosten der USA meldeten Orkanböen (siehe Tabelle).

Auf der Nordseite des Tiefs verursachten stürmische Ostwinde eine Sturmflut an der Küste Massachusetts'. In der Massachusetts Bay maßen Bojen Wellenhöhen über 10 Meter. In Boston kam tidenbereinigt eine 1.28 Meter hohe Sturmflutwelle an, die vierthöchste seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1921. Weite Teile der niedrig gelegenen Küstenabschnitte wurden überflutet, Häuser zerstört und Straßen unterspült, teilweise gab es große Erosionsschäden. Die Sturmflut fiel mit der Ebbe zusammen. Somit blieben noch höhere Wasserstände und noch größere Schäden aus. Bostons größte und tidenbereinigte Sturmflutwelle gab es während des "Perfect Storms" an Halloween im Jahr 1991, die zweitgrößte erreichte die Stadt erst kürzlich während Sturm "Sandy" am 29. Oktober 2012 (siehe Artikel).

Schneesturm "Nemo" legte in weiten Teilen des Nordostens der USA das öffentliche Leben lahm. Über eine halbe Million Haushalte waren ohne Elektrizität, im Kernkraftwerk Plymouth in Massachusetts musste ein Reaktor wegen Stromausfall notabgeschaltet werden. Über 5000 Flüge wurden gestrichen, der Bahnverkehr komplett eingestellt. Im gesamten Bundesstaat Massachusetts galt ein Fahrverbot, das im Falle eines Verstoßes mit einer Geld- oder sogar Gefängnisstrafe geahndet wurde. In einigen Orten nutzten Bewohner die schneebedeckten und autofreien Straßen für Skilanglauf (siehe Bilder). Insgesamt fünf Bundesstaaten (Massachusetts, New York, Connecticut, Maine und Rhode Island) riefen den Ausnahmezustand aus. Mindestens 10 Menschen erlagen den Folgen des Schneesturms.


Gesamtneuschneesummen von "Nemo" in cm (links) und Spitzenböen über 120 km/h während des Ereignisses (rechts)
Datenquelle: HPC NOAA
Ort Neuschnee
Hamden (CT)
Milford (CT)
Clintonville (CT)
Gorham (ME)
Oxford (CT)
Portland Jetport (ME)
Upton (NY)
Seabrook (NH)
Southwich (MA)
Boston Logan Airport (MA)
102 cm
97 cm
94 cm
91 cm
91 cm
81 cm
76 cm
74 cm
71 cm
55 cm
Ort Windböe
Cuttyhunk (MA)
Westport (CT)
Mount Washington (NH)
Portland (CT)
Hyannis (MA)
Boston Logan Airport (MA)
Bangor Int. Airport (ME)
Brooklin (ME)
Bedford (MA)
Plum Island (NY)
134 km/h
132 km/h
130 km/h
130 km/h
124 km/h
122 km/h
121 km/h
121 km/h
121 km/h
121 km/h


Schnee

Verlauf: Schneehöhenanalysen zum Termin (oben) und 24-h-Schneefallmengen bis zum Termin (unten) | Quelle: NOHRSC
07.02.2013, 06 UTC 08.02.2013, 06 UTC 09.02.2013, 06 UTC 10.02.2013, 06 UTC
Bis 07.02.2013, 06 UTC Bis 08.02.2013, 06 UTC Bis 09.02.2013, 06 UTC Bis 10.02.2013, 06 UTC

Nordosten der USA: Schneehöhe am 10.02.2013, 06 UTC | Quelle: NOHRSC


Bilder

Eindrücke von "Nemo" | Quellen: privat, flickr, wunderground.com
Branford (CT), 08.02.
© wunderground (FreelanceCT)
Somerville (MA), 09.02.
© flickr (timsackton)
Astoria (NY), 09.02.
© flickr (squirrel83)
Boston (MA), 09.02.
© flickr (madprime)


Text: DK
11. Februar 2013


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