Sämtliche meteorologische Blicke sind in diesen Stunden nach Westen zum
östlichen Nordatlantik und Ärmelkanal gerichtet, wo eine bemerkenswerte
Tiefdruckentwicklung im Gange ist. "Joachim" zieht im Laufe des
Freitags als Sturmtief über Deutschland hinweg ostwärts und sorgt
verbreitet für schwere Sturm-, örtlich auch für orkanartige Böen. In
den höheren Lagen insbesondere der süddeutschen Mittelgebirge und der
Alpen treten Orkanböen um 150 km/h auf.
Am späten Donnerstagabend liegt "Joachim" mit seinem Zentrum über dem
Westeingang des Ärmelkanals. Sein Kerndruck betrug um 20 Uhr MEZ 989
hPa, der Entwicklungshöhepunkt ist damit aber noch längst nicht
erreicht. Unter für eine weitere Intensivierung optimalen Bedingungen
im nordöstlichen Bereich eines Starkwindmaximums in höheren Schichten
der Troposphäre positioniert, fällt der Luftdruck am Boden im Innern
des Tiefs weiter; im Nordwesten Frankreichs, nahe dem knapp nördlich
passierenden Tiefzentrum, wurden Luftdruckfallraten bis 9 hPa innerhalb
von drei Stunden beobachtet. Kleine Fragezeichen standen bis zuletzt
hinter der genauen Zugbahn; mittlerweile erscheint ein Kurs über die
Mitte Belgiens, Nordrhein-Westfalen, das südliche Niedersachsen und
Sachsen-Anhalt nach Berlin/Brandenburg am wahrscheinlichsten. Der
minimale Kerndruck wird dabei erst in der zweiten Tageshälfte über dem
Osten Deutschlands erwartet und liegt je nach Vorhersagemodell etwa
zwischen 975 und 965 hPa. Von diesem entscheidend ab hängen die
Luftdruckgegensätze, die sich zwischen dem Tief im Norden und einer von
den Azoren bis zum nördlichen Afrika reichenden Hochdruckzone ausbilden
- und mithin die Stärke des Windes respektive der Böen. Besonders
gefährdet ist demnach ein breiter Streifen über das mittlere Frankreich
bis nach Süddeutschland, in dem in rund 1.500 Metern Höhe mittlere
Windgeschwindigkeiten bis 185 km/h vorhergesagt werden. Dieses
Starkwindfeld greift am frühen Freitagmorgen auf das Saarland,
Rheinland-Pfalz und weite Teile Baden-Württembergs über und verlagert
sich im Laufe des Tages unter Abschwächung über die gesamte Südhälfte
der Bundesrepublik ostwärts. Die hohen Windgeschwindigkeiten sind
allerdings im Bereich zwischen der Warm- und der Kaltfront des Tiefs -
im Warmsektor - und damit in einer stabil geschichteten Umgebung
anzutreffen. Daher bleiben verbreitete Orkanböen auf die höheren Lagen
der Mittelgebirge und Alpen beschränkt, dennoch müssen sich auch die
Niederungen zumindest auf schwere Sturm- und einzelne orkanartige Böen
bis etwa 110 km/h einstellen. Dies gilt auch noch für den Nachmittag,
wenn zwar die Mittelwinde in den höheren Luftschichten schwächer
werden, in der Umgebung der rasch von Nordwest nach Südost wandernden
Kaltfront jedoch zunehmend eine vertikale Durchmischung stattfindet.
Bleibt das Sturmereignis zunächst auf den Süden Deutschlands
beschränkt, besteht auf der Rückseite des am Abend nach Polen
abziehenden Tiefs dann auch im Osten und Nordosten die Gefahr von
Sturmböen.
Neben Wind und Sturm sollten die sich abzeichnenden Niederschläge nicht
außer Acht gelassen werden, die vor allem an den West- und
Nordwesthängen der Mittelgebirge ergiebig aus- und zunächst bis in die
Hochlagen als Regen fallen. Örtlich können bis zum späten Freitagabend
um 50 mm zusammenkommen und Bäche und kleinere Flüsse an die
Kapazitätsgrenze bringen. Mit Passage der Kaltfront sinkt die
Schneefallgrenze zum Abend rasch in Höhen um 500 Meter ab, allerdings
werden dann auch die Niederschläge allmählich weniger.
Die rückseitig von "Joachim" einfließende, hochreichend kalte Luft hat
die Ausweitung eines langwelligen Höhentroges zur Folge, der am
Wochenende große Teile des europäischen Kontinents überdeckt. Auf
seiner Vorderseite befindet sich das Sturmtief am frühen
Samstagnachmittag bereits über dem Baltikum, von wo aus es bis Sonntag
nach Südschweden zieht. Mitteleuropa liegt somit im Bereich einer
lebhaften nordwestlichen Strömung, in der eingelagerte kurzwellige
Trogstrukturen für einen wechselhaften Wettercharakter mit wiederholten
Regen-, Schnee- und Graupelschauern verantwortlich zeichnen. Im Laufe
der kommenden Woche setzt sich von Westen her schrittweise wieder
deutlich mildere Luft durch.
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