Ein kleines, für die Jahreszeit aber außergewöhnlich kräftiges
Tiefdruckgebiet stand an Fronleichnam im Fokus des mitteleuropäischen
Wettergeschehens. Von Nordfrankreich her kommend zog es seit der Nacht
zum Donnerstag über Belgien und den Norden Deutschlands hinweg und liegt
mit seinem Zentrum am frühen Abend bereits über der südlichen Ostsee.
Durch Interaktion mit einem ostwärts schwenkenden Höhentrog erfuhr es
eine durchaus beachtenswerte, wenngleich keine dramatische Entwicklung -
der Kerndruck fiel um nur etwa 5 hPa. Ein von Südwesten her rasch
nachstoßender Hochkeil jedoch trug zu einer Verschärfung der
Luftdruckgegensätze bei; konvektive Umlagerungen in der rückseitig des
Tiefs einströmenden, gut durchmischten Meereskaltluftmasse begünstigten
kräftige Böen. Mit Passage der Kaltfront am frühen Morgen verzeichnete
der Feldberg im Schwarzwald Orkanböen bis 130 km/h - ein Wert, gegen den
selbst mancher Herbststurm zum lauen Lüftchen verkommt. Im süddeutschen
Flachland wurden verbreitet Sturmböen gemessen, so etwa am Münchner
Flughafen mit 85 km/h. Dem Nordosten des Landes steht der Sturm auf dem
Höhepunkt seiner Entwicklung am Freitag bevor.
Neben viel Wind brachte das Tief auch einiges an Regen, insbesondere in
der Spur des Tiefkerns und ihrem unmittelbaren Umfeld. Im Westen und
Nordwesten Deutschlands fielen bis Donnerstag Morgen verbreitet zwischen
10 und 20 mm, in Ahaus im westlichen Münsterland sogar 26 mm. Zwischen 8
Uhr und 14 Uhr läpperten sich in Cuxhaven 24 mm zusammen. Bis Samstag
ändert das Tief seine Lage nur noch geringfügig. In der Nähe des Tiefs
sowie im Bereich des mit seiner Achse über Südskandinavien nach
Osteuropa gerichteten Langwellentroges gestaltet sich der Wetterablauf
in der Nordosthälfte Deutschlands vor allem am Freitag noch
ausgesprochen wechselhaft. Im übrigen Land wirkt ein sich über
Westeuropa aufwölbender Hochdruckrücken wetterberuhigend; aus dem
Bodenhochkeil entsteht ein eigenständiges, aber recht schwaches
Hochdruckgebiet. Im Zuge großräumigen Absinkens unter dem Rücken erwärmt
sich die eingeflossene Meereskaltluft im Süden Deutschlands langsam. Mit
seiner allmählichen Ostverlagerung kommt zum Sonntag hin eine advektive
und damit deutlich effektivere Erwärmung hinzu. Dabei wird auf der
Vorderseite eines ostatlantischen Langwellentroges aber nicht nur warme,
sondern auch recht feuchte Luft subtropischen Ursprungs nach West- und
Mitteleuropa geführt. Bodennah wird dieser Luftmassentransport durch ein
flaches Tief vollzogen, das von Frankreich über Benelux in Richtung
Norddeutschland zieht.
Zu Beginn der neuen Woche rückt der Langwellentrog Stück für Stück näher
an den Kontinent heran. Zwischen dem Trog im Westen und dem bis dahin
über Osteuropa positionierten Rücken befindet sich Mitteleuropa unter
einer nach wie vor südwestlichen Höhenströmung im Übergangsbereich
zwischen subtropischer Warmluft im Südosten und kühlerer Meeresluft im
Nordwesten. Darin eingebettet wandern voraussichtlich weitere kleine
Tiefs über Deutschland hinweg nordostwärts - eine im Sommer nahezu
klassische Situation für überregionale Unwetterereignisse. Im weiteren
Verlauf scheint sich dann - wieder einmal - die kühle Luft durchzusetzen.
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