In der Meteorologie sind es häufig die kleinen Dinge, sprich Wellen und
Druckgebilde, die für die markantesten Wettererscheinungen
verantwortlich zeichnen. Exemplarisch lässt sich dies am Ende der
laufenden Woche beobachten, in der zwei auf den ersten Blick
unscheinbare Randtiefs Teilen West- und Mitteleuropas örtlich schwere
Sturmböen und kräftigen Regen brachten und - zum Zeitpunkt der
Erstellung dieses Berichtes - noch bringen werden. Am Donnerstag traten
die kräftigsten Böen in der Mitte und im Süden Deutschlands auf, an der
Station Berlin-Dahlem wurden 101 km/h - das entspricht Windstärke 10 -
gemessen. Sonst kam es in tiefen Lagen vielfach zu stürmischen Böen und
einzelnen Sturmböen. Böen in Orkanstärke meldeten der Feldberg im
Schwarzwald mit 122 km/h und der Brocken im Harz mit 119 km/h. Auch bei
den zwölfstündigen Niederschlagsmengen bis 20 Uhr rangierte der Brocken
mit 37 mm an der Spitze der Liste mit Stationen des Deutschen
Wetterdienstes.
Am Rande eines nordwesteuropäischen Tiefdruckkomplexes findet sich die
nördliche Hälfte des Kontinentes am Donnerstagabend wieder.
Hochdruckeinfluss herrscht dagegen im westlichen Mittelmeerraum und in
Südeuropa vor. In der mittleren und oberen Troposphäre korrespondiert
zu dem Tiefdruckkomplex ein umfangreicher Höhentrog, der zwischen
Island, den Britischen Inseln und Skandinavien Form und
Erscheinungsbild eines ausgeprägten Höhentiefs aufweist. An seinem
Südrand hat sich eine kräftige Westströmung ausgebildet, die über den
Süden der Britischen Inseln, Benelux und Deutschland hinweg bis zum
östlichen Mitteleuropa verläuft. Unter der Vorderseite eines darin
eingelagerten Kurzwellentroges konnte sich eine zunächst stabile, im
Tagesverlauf über den Norden Deutschlands ostwärts gezogene
Frontalwelle über der südlichen Ostsee zu einem kräftigen Randtief des
Komplexes entwickeln. Die stürmischen Böen traten im Umfeld des an der
Südflanke der ehemaligen Welle mitgeführten Starkwindfeldes auf. Sie
konzentrierten sich im Tiefland auf den Bereich der Kaltfront, an der
die Schichtung infolge der rasch nachfolgenden, hochreichend kalten
Luft soweit labilisiert wurde, dass die kräftigen Höhenwinde bis zum
Boden gemischt werden konnten. Nach Abzug des Kurzwellentroges nehmen
die Isohypsen in der Nacht zum Freitag über Mitteleuropa kurzzeitig
eine leicht antizyklonale Krümmung an, am Boden macht sich der Einfluss
eines Zwischenhochs über dem Süden Deutschlands bemerkbar. Derweil
formiert sich an der Frontalzone bei Cornwall bereits die nächste
Welle, die im Tagesverlauf auf ihrem Weg nach Osten ebenfalls unter die
Vorderseite eines kurzwelligen Höhentroges gerät. Unter gleichfalls
günstigen Entwicklungsbedingungen mutiert sie zu einem kleinen
Sturmtief, das mit seinem Zentrum am Nachmittag über Schleswig-Holstein
und Mecklenburg-Vorpommern hinweg Richtung Baltikum zieht. Es führt
ebenso wie das kleine Tief vom Donnerstag auf seiner Südseite ein
Starkwindfeld mit sich, wobei in der Norddeutschen Tiefebene verbreitet
Sturm- und schwere Sturmböen drohen. Die zugehörige Warmfront passiert
- ohne nennenswerten Regen - das Bundesgebiet am Vormittag von Südwest
nach Nordost, die Kaltfront kommt bis zum späten Abend etwa bis zu den
Mittelgebirgen südwärts voran. Der meiste Niederschlag ist jedoch im
Bereich dazwischen, im Warmsektor, infolge kräftiger Hebungsvorgänge
durch maximierte Warmluftadvektion zu erwarten. Zum Samstag verweilt
die Kaltfront als quasistationäre Luftmassengrenze über der Mitte
Deutschlands. An ihr wandert eine dritte Welle ostwärts, die noch
einmal zu einer verstärkten Niederschlagsaktivität führt. Im Gegensatz
zu den beiden vorangegangen Entwicklungen fehlen aber bei ihr die von
der Höhe ausgehenden dynamischen Hebungsimpulse, so dass für die
Weiterbildung zu einem Sturmtief in diesem Fall keine Anzeichen
vorliegen.
Auf der Rückseite der Welle und des bis dahin über Nordosteuropa
angelangten Langwellentroges beziehungsweise Höhentiefs fließt zum
Sonntag mit einer nordwestlichen Strömung ursprünglich polare Kaltluft
in den Nordosten Deutschlands ein. Nach Südwesten hin bleibt mildere
Luft dominant. Nach einer vorübergehend ruhigeren Phase nähert sich zu
Beginn der nächsten Woche ein neuer Tiefausläufer dem Westen des Landes
an.
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