Lange Zeit blieb das mitteleuropäische Wetter der letzten Wochen -
trotz teilweise widersprüchlicher Statistik - die Antwort auf die 1975
von Rudi Carrell aufgeworfene Frage schuldig. Doch ganz ähnlich dem
Vorjahr, als ebenfalls erst Ende August die heißesten Tage des Jahres
notiert werden konnten, findet auch 2012 extrem warme Subtropikluft
quasi "auf den letzten Drücker" den Weg in hiesige Breiten und Längen.
So sind am Sonntag und in der ersten Hälfte der neuen Woche in nahezu
ganz Deutschland Höchsttemperaturen über +30, gebietsweise auch mehr
als +35 Grad zu erwarten. Neue Rekordwerte erscheinen im weiteren
Verlauf für die am Dienstag beginnende dritte Augustdekade möglich; für
die voraussichtlich heißesten Tage Sonntag und Montag, die noch zur
zweiten Dekade gehören, hat der August des Hitzesommers 2003 die
Messlatte extrem hoch gelegt.
Vor der Hitze stand am späten Mittwoch und am Donnerstag allerdings
noch eine durchaus beachtenswerte Kaltfrontpassage auf dem Programm,
die in der Westhälfte Deutschlands zumindest örtlich mit kräftigen
Gewittern einherging. Mitten in der Nacht, zwischen 3 und 4 Uhr,
brachte ein solches am Flughafen Frankfurt/Main eine Niederschlagsmenge
von 37 mm. Am Abend hat die zu einem kräftigen Tief westlich der
Britischen Inseln gehörende Front die Grenze zu Polen und Tschechien
erreicht und zieht im Laufe der Nacht zum Freitag nach Osten ab.
Postfrontal stieg der Luftdruck bereits deutlich an, was auf den
Bodenwetterkarten als Hoch über dem mittleren Deutschland sichtbar
wird. Es übernimmt zum Wochenende den östlichen Part eines
"Warmluftschaufelrades", das es zusammen mit dem angesprochenen,
quasistationär über dem mittleren Nordatlantik verweilenden Tief
ausbildet. Mit der zwischen den beiden Druckgebilden in Gang kommenden
südwestlichen Strömung wird eine über Nordafrika bereitstehende,
außerordentlich heiße Luftmasse subtropischen Ursprungs über Südwest-
und Westeuropa sowie das westliche Mittelmeer nordostwärts
transportiert. Über Südfrankreich erreichen die Temperaturen in etwa
1.500 Metern Höhe Werte bis +25 Grad, über dem Südwesten Deutschlands
können zum Sonntag in diesem Niveau noch etwa +23 Grad erwartet werden.
Die +20-Grad-Isotherme stößt bis in den Norden des Landes vor. Viel
wärmer geht es in diesen Breiten nicht - an den beiden Tagen im August
2003, als in Karlsruhe und Freiburg der deutsche Temperaturrekord
gemessen wurde, konnten in dieser Höhe ähnliche Werte beobachtet
werden. Damals jedoch trugen verschiedene Umstände, etwa der noch etwas
höhere Sonnenstand und die trockene Witterung der Tage und Wochen
zuvor, entscheidend zu einer Ermöglichung des Spitzenwertes knapp
jenseits der +40-Grad-Marke bei. Am Sonntag und Montag sind Extremwerte
- relativ betrachtet - vor allem in höheren Lagen wahrscheinlich. Die
massive Warmluftadvektion wölbt einen mächtigen Hochdruckrücken auf,
der sich am Samstag und Sonntag, ausgehend vom Nordwesten Afrikas, über
Ostspanien und Südfrankreich zu den Alpen und nach Mitteleuropa
erstreckt. Die Frontalzone biegt vor Westeuropa nach Norden um und
verläuft über die Britischen Inseln, die Nordsee und Südskandinavien
hinweg zum Baltikum und mündet in einen Richtung Schwarzes Meer
weisenden Höhentrog. In ihrer Nähe streifen am Samstag hohe Wolken die
nördlichen Teile der Bundesrepublik, am Sonntag können in Verbindung
mit einem Kurzwellentrog dort einzelne Gewitter entstehen. Sonst
dominiert unter dem Rücken verbreitet großräumiges Absinken. Ein
kleines Gimmick bietet derweil der Nordatlantik südlich der
umfangreichen Zyklone der mittleren Breiten, wo sich mit "Gordon" ein
tropischer Sturm entwickelt hat. "Gordon" soll weiter an Kraft gewinnen
und aktuellen Prognosen zur Folge am Samstag etwa 300 Kilometer
westlich der Azoren zu einem Hurrikan der Kategorie 1 reifen. Behält
der Sturm seinen Kurs bei, würden der Inselgruppe zu Beginn der neuen
Woche ergiebige Regenfälle und Böen in Orkanstärke drohen.
Derlei Ungemach stehen West- und Mitteleuropa nicht zu befürchten,
wenngleich auch hier Anfang der kommenden Woche allmählich feuchtere
Luft ins Spiel kommt. Diese arbeitet sich in Verbindung mit einer
Luftmassengrenze von Nordwesten her nach Südosten vor. Die heißeste
Luft wird dabei zumindest vorübergehend abgedrängt, insgesamt bleibt es
aber sehr warm bis heiß. Ob dann zur Wochenmitte ein neuerlicher
Vorstoß der extrem warmen Luft erfolgt, muss noch abgewartet werden.
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