Als mindestens "denkwürdig" kann man den vergangenen Samstag in weiten
Teilen Mittel- und Osteuropas aus meteorologischer Sicht beschreiben,
der als einer der wärmsten Apriltage der vergangenen 100 Jahre in die
Historie eingehen wird. Am Ende des Tages standen allein in Deutschland
an 44 von 119 Stationen neue Monatsrekorde zu Buche, manch alte
Bestmarke wurde dabei gleich um mehrere Kelvin übertroffen. An drei
Stationen (Würzburg, Stötten und Hohenpeißenberg) hätten die dort
gemessenen Werte selbst im Mai neue Rekorde bedeutet. In der Karlsruher
Hertzstraße war es mit +31,4 Grad so warm wie nie zuvor an einem
Apriltag seit 1876. Überhaupt wurde in der langen Messreihe dieser
Station nur in einem einzigen Jahr so früh die +30-Grad-Marke
übersprungen, Ende April 1968. Im Mittel ist der erste heiße Tag im
Jahr hier rund anderthalb Monate später, am 16. Juni, zu erwarten. Die
wärmste Station in Deutschland - und zusammen mit einer Station auf
Korsika die wärmste in ganz Europa - war München/Stadt mit einem
Höchstwert von +32,2 Grad. Kurz und salopp formuliert also: Der Tag hat
"gerockt".
Und nicht nur hierzulande, auch in Osteuropa traten am Wochenende
verbreitet Rekordtemperaturen für April auf. Eine kleine Auswahl listet
Kiew, Odessa, Minsk, Zagreb und Vilnius auf. An der Station
Prag-Klementinum wurde der bisherige Aprilhöchstwert aus dem Jahre 1800
(!) um 0,5 Kelvin übertroffen - die Station existiert seit 1775. Und
auch Moskau konnte mit +28,9 Grad einen neuen Aprilrekord vermelden,
zuletzt war dies im April 1950 der Fall.
Möglich machte die für Ende April extreme Wärme eine kräftige südliche
Strömung, mit der zum einen subtropische Luft auf direktem Wege aus
Nordafrika nach Mitteleuropa geführt wurde. Zum anderen trug
insbesondere im Süden und Südosten Deutschlands anhaltender Föhn zu
einer zusätzlichen Erwärmung der Luft bei. Die troposphärische
Druckkonstellation weist, wie es bei einer südlichen Anströmung nicht
anders sein kann, ein kräftiges, hoch reichendes Tief vor der
bretonischen Küste und ein vor allem in höheren Schichten ausgeprägtes
Hoch über Osteuropa aus. Mitteleuropa liegt dazwischen und teils
(Nordosten, Osten) mehr im Einflussbereich des Hochs, teils (Südwesten,
Westen) unter überwiegend zyklonal geprägtem Geschehen. Ausgehend von
einem Tief mit Zentrum südwestlich von Irland hat sich dabei eine zonal
orientierte flache Tiefdruckrinne ausgebildet, die vom Norden
Frankreichs über Süddeutschland bis ins südöstliche Mitteleuropa
reicht. Quer durch sie hindurch verläuft das Frontensystem des Tiefs,
das sich am Montagabend über die Westhälfte Deutschlands und
Ostfrankreich nach Süden erstreckt und die sehr warme Luft im Osten von
kühlerer Luft im Westen trennt. Ein von den Westalpen her nordwärts
schwenkender Kurzwellentrog, der als Randtrog des umfangreichen
westeuropäischen Höhentiefs fungiert, sorgt für zusätzliche
Hebungsimpulse von der Höhe her. In der potenziell labil geschichteten,
allerdings insgesamt recht trockenen Warmluftmasse werden so in der
Nacht zum Dienstag in der Westhälfte Deutschlands einige Schauer und
Gewitter ausgelöst. Mit Durchzug des Randtroges und mit der Verlagerung
der flachen Tiefdruckzone am Boden kann auf deren Rückseite das
Frontensystem am Dienstag etwas weiter nach Osten vordringen. Zumindest
der äußerste Westen gelangt somit vorübergehend in den Bereich der
kühleren und weniger gewitterträchtigen Luft, während sich die
konvektive Aktivität nach Osten und Nordosten verschiebt. Dort sind
zudem nochmals Höchstwerte nahe +30 Grad möglich. Derweil nähert sich
ein weiterer Randtrog des westeuropäischen Höhentiefs von Süden her den
Alpen. Teils dynamisch, teils leebedingt setzt nördlich davon erneut
Druckfall ein, der die über dem Osten verweilende Tiefdruckzone erfasst
und diese reaktiviert. Dadurch verschärfen sich in ihrem Umfeld die
Luftdruckgegensätze, was an ihrer Westflanke über dem Westen
Deutschlands eine sich intensivierende nördliche bis nordöstliche
Strömung zur Folge hat. Mit dieser wird die alte Warmluft wieder zurück
nach Südwesten geführt. Im Zusammenspiel mit dem erwähnten Randtrog,
der in der ersten Tageshälfte des Mittwochs über den Süden und
Südwesten hinweg nach Nordwesten schwenkt, kommen dort kräftige
schauerartige und mitunter auch gewittrig durchsetzte Regenfälle auf.
Aus dem Kurzwellentrog geht zum Donnerstag über dem Nordosten
Frankreich ein kleines Höhentief beziehungsweise eine Rinne tiefen
Geopotenzials hervor, die zum Ende der Woche in die über Skandinavien
hinweg verlaufende Frontalzone integriert und als neuerlicher
Kurzwellentrog nach Nordosten gesteuert wird. Das umfangreiche
Höhentief über dem nahen Ostatlantik bleibt nahezu stationär, auf
seiner Vorderseite setzt sich über West- und Mitteleuropa im weiteren
Verlauf eine südwestliche Höhenströmung durch. Sie lenkt alles in allem
mäßig warme, immer wieder aber auch recht feuchte Luft zumindest in den
Süden Deutschlands, so dass deren temperaturtechnisches Potenzial nur
selten ausgeschöpft werden kann. In den Norden könnte später auf der
Rückseite eines Ostseetiefs deutlich kältere Luft gelangen.
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