Weiten Teilen Europas stehen die kältesten Tage des Winters 2011/12
bevor. Bis nach Südfrankreich und Nordspanien stellt sich in der
zweiten Wochenhälfte Dauerfrost ein, der in Mittel- und Osteuropa
teilweise strenge Züge mit Höchsttemperaturen nicht über -10 Grad
annimmt. Während der zu vollendetem Winterwetter nötige Schnee hier
weitgehend ausbleibt oder nur in geringen Mengen fällt, müssen sich die
ans Mittelmeer angrenzenden Regionen und die sich darin befindlichen
Inseln - zum Beispiel Mallorca und Korsika - auf ungewöhnliche Mengen
des gefrorenen Weiß' einstellen. Später kann es auch im Norden
Algeriens ergiebig schneien.
Die Weichen für eine mehr oder weniger nachhaltige Kältewelle sind am
Montagabend bereits gestellt, oder - um im Bilde zu bleiben - die
Gleise schon verlegt. Und zwar in Form recht eng beieinander liegender
Isobaren an der Südflanke eines mächtigen Hochdruckgebietes mit
Schwerpunkt über dem Nordwesten Russlands. Dort hat sich ein
ausgeprägtes Gebiet extrem kalter Luft etabliert, das sich in den
kommenden Tagen mit einer lebhaften nordöstlichen Strömung quasi
entlang der Isobaren nach Mittel- und Westeuropa verlagert. Zunächst
dominiert hier allerdings noch die am vergangenen Wochenende
eingeflossene mäßig kalte und recht feuchte Polarluft, was sich am
Montag in der Westhälfte Deutschlands in zumeist bedeckt-trüben
Verhältnissen niederschlug. Infolge bodennah nordöstlicher Winde wurde
diese Luftmasse mit kälterer Luft durchmischt, womit die moderate
Abkühlung der letzten Tage erklärt werden kann. In der Nordosthälfte
dagegen konnte sich die vorerst ebenfalls noch gemäßigt kalte, aber
sehr trockene Kontinentalluft bereits durchsetzen; Taupunkte um -15
Grad verdeutlichen den Charakter dieser Luftmasse. Etwas nach Westen
von der vorderen Grenze der trocken-kalten Luft abgesetzt finden sich
über dem äußersten Südwesten Reste einer Okklusion, in deren Umgebung
etwas Schnee und Schneegriesel fällt. Gestützt werden die in der Nacht
zum Dienstag gebietsweise noch andauernden leichten Niederschläge durch
dynamische Hebungsprozesse auf der Vorderseite eines kleinen
Höhentiefs, das vom Nordosten Frankreichs bis Mittwoch über den
westlichen Alpenraum zum Golf von Genua zieht und dort auch im
Bodenniveau eine Tiefdruckentwicklung anfacht. Unterdessen weitet das
nordwestrussische Hoch, das zunächst als reines Kältehoch in
Erscheinung trat, inzwischen durch massive Warmluftadvektion Richtung
Spitzbergen und Nowaja Semlja jedoch bis in die obere Troposphäre
reicht, seinen Einflussbereich bis zu den Britischen Inseln nach
Südwesten aus. Das kleinräumige, aber recht kräftige Tief über dem
Mittelmeer sorgt für eine Verschärfung der Luftdruckgegensätze über
Mitteleuropa und damit für eine Intensivierung der östlichen Strömung,
womit die arktische Kaltluft beschleunigt nach Westen vordringen kann.
Die kälteste Luft mit imposanten Temperaturen von unter -25 Grad in
etwa 1.500 Metern Höhe und weniger als -45 Grad vier Kilometer darüber
befindet sich zu dieser Zeit, am Mittwochnachmittag, in Form eines
ausgedehnten Kaltlufttropfens über Weißrussland und dem nahen Russland.
Sie erreicht Mitteleuropa aller Voraussicht nach nicht, sondern
verharrt in der zweiten Wochenhälfte über dem Baltikum oder dem Süden
Skandinaviens. Allerdings stößt die Kaltluft zum Freitag und Samstag in
kaum abgemilderter Form mit Temperaturwerten zwischen -15 und -20 Grad
in rund 1.500 Metern Höhe bis nach Südfrankreich vor.
Während sich die Außergewöhnlichkeit des nahenden Kaltluftvorstoßes
immer deutlicher abzeichnet, bestehen hinsichtlich der Andauer der
Kältewelle noch größere Unsicherheiten. Mitentscheidende Bedeutung
kommt hierbei einem im Laufe des Wochenendes über den
isländisch-grönländischen Raum hinwegziehenden Tiefdrucksystem zu,
dessen Form und Ausprägung von den verschiedenen
Wettervorhersagemodellen noch unterschiedlich gehandhabt wird.
Möglicherweise greifen die zugehörigen Fronten mit deutlich milderer
Luft zum Sonntag auf den Nordwesten Deutschlands über. Mindestens
ebenso wahrscheinlich erscheint aber auch eine Andauer des mäßigen bis
strengen Frostwetters bis weit in die kommende Woche hinein.
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