Ein stürmisches erstes Dezemberdrittel erleben derzeit weite Teile West-
und Mitteleuropas. Dabei hat es fast den Anschein, als wolle die
Atmosphäre ihre Versäumnisse in Sachen Aktivität vom November binnen
weniger Tage nachholen. Bereits am Mittwoch traten in Deutschland bis
ins Flachland verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen, in höheren Lagen
Orkanböen auf. Das Tableau der stärksten Windgeschwindigkeiten führte
der 1.835 Meter hohe Wendelstein in den bayerischen Alpen mit 169 km/h
an. Nur 24 Stunden später steht bereits das nächste Orkantief ante
portas, sein Starkwindfeld hat bereits die Britischen Inseln überquert.
In den schottischen Cairngorm Mountains auf 1.245 Meter Höhe wurde eine
Spitzenböe von 252 km/h (!) registriert. Zwar ist die Station bekannt
für große Windgeschwindigkeiten, solche Werte schafft aber auch dort
längst nicht jeder Sturm. In den Großstädten Aberdeen und Edinburgh
konnten orkanartige Böen gemessen werden.
Am späten Donnerstagabend liegt "Friedhelm", so der Name des Orkantiefs,
mit seinem Zentrum mittig über der nördlichen Nordsee. Der Kerndruck
beträgt etwa 955 hPa, damit hat er seinen Entwicklungshöhepunkt
erreicht. Das klassisch spiralförmige Wolkenband des Tiefs windet sich
vom Nordosten Schottlands um den Kern herum über den Süden Skandinaviens
hinweg und mündet in einen großflächig bedeckten Bereich über dem
nördlichen Mitteleuropa. Hier wirkt auf der Vorderseite des Tiefs
massive Warmluftadvektion. Südlich des Zentrums lassen sich zwei Gebiete
mit maximalen Windgeschwindigkeiten identifizieren; zum einen
unmittelbar vor der Kaltfront, die noch am Donnerstagabend den
Nordwesten Deutschlands erreicht und bis Freitagfrüh etwa bis zur
Mittelgebirgsschwelle südwärts vorankommt. Andererseits im Trogbereich,
der angefüllt mit hochreichend kalter Luft rasch über die südliche
Nordsee in Richtung Norddeutschland und Dänemark vorstößt. Dabei treten
in der unteren freien Atmosphäre, in rund 1.500 Metern Höhe, mittlere
Windgeschwindigkeiten um 150 km/h auf. Im Falle einer vertikal labilen
Schichtung, wie sie im Umfeld des Höhentroges gegeben ist, können
Spitzenböen ähnlicher Größenordnung bis in tiefe Lagen durchgreifen.
Entsprechend besteht für die unmittelbare Küstenregionen sowie generell
für die höheren Lagen der Mittelgebirge Orkangefahr, doch auch in den
Niederungen der Mitte und des Südens kommt es in der Nacht zum Freitag
zu Sturm- und schweren Sturmböen. Im Laufe des Freitags arbeitet sich
die Kaltfront Stück für Stück weiter Richtung Alpen vor, gerät aber
wegen ihrer Ausrichtung parallel zur Höhenströmung immer mehr ins
Schleifen. Ein konfluentes Strömungsmuster mit nordwestlichen Winden auf
ihrer Nord- und südwestlichen Winden auf der Südseite verschärft den
Temperaturgegensatz und verwandelt die Front in eine quasistationäre
Luftmassengrenze. Somit sind im Süden Deutschlands bis in den
Samstag hinein größere Niederschlagsmengen zu erwarten. Erfahrungsgemäß
zeichnen sich solche Luftmassengrenzen im Winter auch durch eine recht
tiefe Schneefallgrenze an der nördlichen Berandung des
Niederschlagsgebietes aus; für Schneeflocken bis in tiefste Lagen ist
die Luft in diesem Fall aber nicht kalt genug. Unterdessen mutiert
"Friedhelm" zu einem steuernden Tief über Südskandinavien, das am
Samstag - dann mit Zentrum über dem Bottnischen Meerbusen gelegen - ein
Randtief an seiner Südwestflanke über Südnorwegen und -schweden sowie
die südliche Ostsee hinwegführt. Dabei sind auch im Norden und Nordosten
Deutschlands nochmals Sturm- und schwere Sturmböen möglich. Zum Sonntag
beruhigt sich die Lage. "Friedhelm" zieht unter weiterer Abschwächung
weit nach Norden ab, über Mitteleuropa stellen sich sowohl in der Höhe
als auch in Bodennähe vorübergehend antizyklonale Bedingungen ein. Auf
der Rückseite des Zwischenhochs dreht die Strömung allmählich zurück auf
Südwest, womit sich die in Auflösung begriffene Luftmassengrenze wieder
nach Norden verschiebt. Großräumige Hebungsantriebe, ausgelöst durch
andauernde moderate Warmluftadvektion, überkompensieren schließlich das
durch einen Hochdruckrücken initiierte Absinken; als Folge setzen im
Südwesten in den Abendstunden leichte Regenfälle ein.
Anfang der nächsten Woche kommt auf der Vorderseite eines neuen
kräftigen und umfangreichen Tiefs über Nordwesteuropa eine ausgeprägte
Südwestströmung in Gang. Damit wird milde bis sehr milde Luft nach
Mitteleuropa gelenkt, Niederschläge fallen bis in hohe Lagen als Regen.
Ob dann auch in Teilen Deutschlands eine neuerliche Sturmlage ansteht,
muss noch abgewartet werden.
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