Dass es - die "passende" feuchtwarme Luftmasse und die entsprechenden
synoptischen Rahmenbedingungen vorausgesetzt - in Mitteleuropa auch
Anfang September noch leicht zu sommerlichen Wetterunbilden kommen
kann, bewiesen eindrucksvoll die vergangenen Tage. Am Freitag wurde in
Tübingen und Reutlingen Hagel mit Korngrößen von bis zu 5 cm im
Durchmesser beobachtet, in Amberg in der Oberpfalz fielen binnen einer
Stunde 62 mm Regen. Anhaltender Starkregen sorgte von Sonntagnachmittag
an insbesondere vom Allgäu bis nach Mittelfranken für Probleme. In
Leutkirch-Herlazhofen, an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und
Bayern, summierten sich bis Montagfrüh innerhalb von etwa 18 Stunden 94
mm, das entspricht fast der kompletten sonst im gesamten Monat
September üblichen Menge. Bis 20 Uhr kamen weitere 12 mm hinzu. An der
Günz, einem Donauzufluss, wurde an zwei Pegeln die erste
Hochwassermeldestufe erreicht.
Die intensiven Regenfälle und die Umstellung von schwülwarmer zu
deutlich kühlerer Witterung gingen auf das Konto von "ex-Irene", dem
ehemaligen Hurrikan. Doch weniger dessen Herkunft und Abstammung als
vielmehr der auf die zugehörige Kaltfront nachfolgende, markante
Höhentrog sowie die präfrontal herangeführte warme und sehr feuchte
Luft machten die unwetterartigen Regenfälle im Süden Deutschlands
möglich. Während die Kaltfront am Montagmittag bereits die
deutsch-polnische beziehungsweise die deutsch-tschechische Grenze
erreicht hatte, hing der Höhentrog einige hundert Kilometer über dem
Osten Frankreichs zurück. Somit entstand, wie schon einige Male in
diesem Sommer, eine ausgeprägte Scherungssituation zwischen
nordwestlichen Winden in den unteren Luftschichten und südwestlich bis
südlichen Winden in der mittleren und oberen Troposphäre - ideale
Voraussetzungen für großräumige Hebungsvorgänge und damit Wolken- und
Niederschlagsbildung. In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Trog über
Deutschland hinweg ostwärts und wird zuvor sogar noch von der Okklusion
eines kleinen Tiefs über der Nordsee überlaufen. Diese macht sich in
erster Linie durch einzelne Schauer bemerkbar. Auf der Rückseite von
Höhentrog und Kaltfront respektive Okklusion setzt sich eine
vorübergehende Wetterberuhigung durch. In Bodennähe hat sich bereits
der Keil einer südwesteuropäischen Hochdruckzone in den Süden
Deutschlands vorgeschoben, in der Höhe lässt sich der Ansatz eines
Hochdruckrückens erahnen. Diesem folgt aber bereits im Tagesverlauf ein
neuer, zunächst auf die Britischen Inseln zulaufender Trog nach. Dieser
zeichnet sich durch eine kräftige Strömung an seiner Südflanke aus,
eine prägnante Achse lässt sich hingegen nicht erkennen. Zu dem Trog
korrespondiert ein Bodentief, das mit seinem Zentrum über Schottland
hinweg zur nördlichen Nordsee zieht. Während dessen Warmfront nur den
äußersten Nordwesten des Landes streift, greift die Kaltfront am
Nachmittag auf die Nordseeküstenregion über und überquert, einhergehend
mit einem lang gezogenen Regenband, bis Mittwochmittag weite Teile der
Bundesrepublik. Durch die - verhältnismäßig - großen Druckgegensätze
auch in Bodennähe legt der Wind deutlich an Stärke zu; direkt an der
Nordsee und auf den Gipfeln der Mittelgebirge muss mit Sturm-, auf dem
Brocken in der Nacht zum Mittwoch sogar mit orkanartigen Böen gerechnet
werden. Aber auch sonst treten verbreitet frische bis starke, teilweise
stürmische Böen auf.
Hinter der Kaltfront wird kurzzeitig noch etwas kühlere Meeresluft
herangelenkt, doch die Großwetterlage stellt sich bereits zum
Donnerstag wieder um. So führt ein über dem Nordatlantik südostwärts
vorstoßender Trog zur Aufwölbung eines breiten Rückens über West- und
Mitteleuropa, der sich am Freitag weiter nach Osten verschiebt. Derweil
geht aus einem anfänglichen, nach Süddeutschland gerichteten
Hochdruckkeil ein eigenständiges Hochdruckgebiet hervor, das sich im
Verlauf nach Südosteuropa verlagert. Zwischen diesem und tiefem
Luftdruck über Nordwesteuropa kommt neuerlich eine südwestliche
Strömung zustande, mit der zum Wochenende wieder warme bis sehr warme
Luft advehiert wird. Somit bestehen gute Chancen auf ein weiteres
sommerliches Wochenende. Allerdings muss betont werden, dass sich die
verschiedenen Wettermodelle hinsichtlich des Ablaufs von Donnerstag an
noch uneins sind. Ebenso denkbar erscheint nach derzeitigem Stand eine
zunächst kühlere und nassere Variante.
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