Eine in ihrem Gesamtverlauf ungewöhnliche Tiefdruckentwicklung brachte
- und bringt noch immer - den östlichen und südöstlichen Teilen
Mitteleuropas in dieser Woche intensive Regenfälle. Seit Dienstagabend
fielen mancherorts mehr als 100 mm, zum Beispiel in Aschau-Stein im
Chiemgau (Bayern) 125 mm bis Donnerstagmorgen. Knapp dreistellige
Mengen in nur 24 Stunden summierten sich in Kubschütz im Landkreis
Bautzen und in Boxberg in der Oberlausitz (beide Sachsen) mit 98
respektive 97 mm. Vielerorts kam es zu Überschwemmungen, mehrere
kleinere Flüsse in Bayern und Sachsen haben inzwischen die zweite
Hochwassermeldestufe erreicht.
Ob "Otto" bereits am vergangenen Montag vor der Nordwestspitze Spaniens
geboren wurde - wie auf den Wetterkarten des Deutschen Wetterdienstes
analysiert - oder sich doch erst einen Tag später über dem Südosten
Bayerns ausgebildet hat, sei dahingestellt; in jedem Fall durchläuft
das Tief einen eigenwilligen, in dieser Form nicht allzu häufig zu
beobachtenden Lebenszyklus. Gestützt durch ein über die Alpen ost- und
anschließend über Südosteuropa nordwärts ziehendes Höhentief verlagerte
sich "Otto" am Mittwoch über Tschechien hinweg zur Mitte Polens und
verweilte dort über einen Zeitraum von etwa 24 Stunden quasistationär
an Ort und Stelle. Die Gründe für die anhaltenden und ergiebigen
Regenfälle sind in erster Linie in massiver niedertroposphärischer
Warmluftadvektion zu suchen - und zu finden -, die sich an der
Westflanke des Bodentiefzentrums eingestellt hat. Vereinfacht
formuliert hat die in der Nacht zum Donnerstag beispielsweise in Berlin
angekommene Luft einen weiten Weg vom westlichen und zentralen
Mittelmeerraum, wo sie am vergangenen Wochenende gestartet war, über
die nördliche Adria und Osteuropa zurückgelegt und wurde dann im
Gegenuhrzeigersinn um den über Polen liegenden Tiefkern in die
Bundeshauptstadt gelenkt. Entsprechend ihrem Ursprungsort handelt es
sich um eine warme und sehr feuchte Luftmasse, die auf die in
Mitteleuropa lagernde kühle Luft aufgleitet und dabei massiv gehoben
wird. So können ausgedehnte Wolken- und Niederschlagsgebiete entstehen.
Klassischerweise werden solche Vorgänge bei Tiefdruckgebieten
beobachtet, die eine Vb-Zugbahn einschlagen. Jene Tiefs entwickeln sich
allerdings über dem Golf von Genua oder über Norditalien und ziehen
dann über die nördliche Adria und Osteuropa nach Nordosten. "Otto"
hingegen bewegt sich am Freitag nach Dänemark und am Samstag zur
südlichen Nordsee, sodass - abgesehen vom Entstehungsort - allein schon
aufgrund dieser Zugbahn nicht von einer typischen "Vb-Entwicklung"
gesprochen werden kann. Auf seinem Weg nach Westen erfährt das Tief
eine neuerliche Intensivierung; der Luftdruck in seinem Zentrum soll
den Prognosen zufolge auf rund 990 hPa absinken, was den ohnehin schon
großen Gradienten an seiner West- und Südwestflanke weiter verschärft.
Insbesondere am Samstag und in der Nacht zum Sonntag drohen im Norden
Sturm-, örtlich auch schwere Sturmböen. Möglich wird diese
Intensivierung durch die Lage des Bodentiefs auf der Vorderseite des
ebenfalls zurück nach Westen geführten Pendants in der Höhe. Das
Höhentief wird als Randtrog einem neuen und umfangreichen Höhentief
angegliedert, das am Freitag aus einem Abtropfvorgang über der Nordsee
hervorgeht und sich über Benelux zur Mitte Deutschlands verlagert. Mit
seiner Annäherung werden, gänzlich unabhängig von "Otto", am Freitag
bereits über der Südwesthälfte Deutschlands einige Schauer und Gewitter
ausgelöst. Weiter anhaltend Regen fällt im Nordosten, der Verlagerung
des Tiefs folgend zunehmend auch im Norden und Nordwesten.
Am Rande von "Otto", das dem Norden Deutschlands auch zu Beginn der
nächsten Woche noch Gesellschaft leistet und sich nur zögernd Richtung
Skandinavien zurückzieht, strömt von Nordwesten her ein frischer
Schwall kühler Meeresluft nach Mitteleuropa ein. Dies macht sich am
Samstag und Sonntag in für die Jahreszeit weiterhin zu niedrigen
Tagestemperaturen bemerkbar, im norddeutschen Dauerregen werden
teilweise keine +15 Grad erreicht. Erst Richtung Wochenmitte deutet
sich wärmeres, aber nicht zwangsläufig beständigeres Wetter an.
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