In einem quantisierten Drei-Tage-Rhythmus suchen derzeit heftige
Gewitter Teile West- und Mitteleuropas heim. Nach Donnerstag letzter
Woche waren davon auch am gestrigen Sonntag vor allem die südlichen
Regionen Deutschlands, also in erster Linie Baden-Württemberg und
Bayern betroffen. Heraus ragte dabei das niederbayerische Pocking,
unweit der österreichischen Grenze im Landkreis Passau gelegen.
Innerhalb von einer Stunde fielen dort 56 mm Niederschlag, im Gesamten
waren es 70 mm. Hinzu kamen örtlich orkanartige Böen, in Chieming
beispielsweise wurden 106 km/h gemessen. Im Landkreis Reutlingen häufte
sich Hagel zu dicken Schichten an. Nach einer kurzen Beruhigung zu
Wochenbeginn werden am Mittwoch einige Wetterstationen ähnliche
Meldungen absetzen; dann stehen, dem Drei-Tage-Rhythmus folgend, die
nächsten schweren Gewitter an.
Übergeordnete Ursache der Wetterunbilden ist eine seit Tagen etablierte
südwestliche Höhenströmung, die sich bereits am Mittwoch vergangener
Woche auf der Vorderseite eines hochreichenden Tiefdruckgebietes über
den Britischen Inseln eingestellt hat. Das zunächst nahezu ortsfeste
Tief zog am Wochenende unter Abschwächung nach Norden und spielt am
Montagabend keine Rolle mehr für das hiesige Geschehen. Ein letzter,
von ihm ausgehender Randtrog schwenkte im Tagesverlauf über Deutschland
hinweg ostwärts und löste nur mehr einzelne, alles in allem
vergleichsweise schwache Regenschauer aus. Dahinter nähert sich von
Frankreich her ein mittelprächtig ausgeprägter Hochdruckrücken an, der
das Bundesgebiet bis Dienstagabend aber relativ zügig ostwärts
passiert. Die eigentlich spannende Entwicklung vollzieht sich dann über
Südwesteuropa: Auf der Vorderseite eines neuen, sich auf die Iberische
Halbinsel zubewegenden Höhentroges führen großräumige Hebungsprozesse
zu bodennahem Luftdruckfall über Nordspanien und Frankreich. Der Kern
des resultierenden Tiefs erreicht bis zum Tagesende Nordostfrankreich,
derweil auf der Vorderseite des Troges erste kurzwellige Strukturen
nordostwärts ablaufen. Somit sind sowohl von der Höhe her als auch
durch das konfluente Strömungsmuster in Bodennähe mit Zusammenströmen
der Luft zum Tiefdruckzentrum hin Hebungsantriebe gegeben, die in der
zuvor an der Ostflanke des Tiefs von Süden eingeströmten sehr warmen
und feuchten Subtropikluft die Bildung heftiger Gewitter erwarten
lassen. Diese greifen im Laufe des Abends etwa bis zur Mitte
Deutschlands ostwärts aus und gehen gebietsweise mit Starkregen,
örtlich auch mit Hagel und Sturm- oder Orkanböen einher. Bis
Mittwochfrüh wird die wärmste Luftmasse in den Südosten Deutschlands
zurückgedrängt; eine klar definierte Kaltfront ist jedoch nicht
erkennbar. Vielmehr lassen sich mehrere aufeinanderfolgende Zonen mit
einem konzentrierten Temperaturgradienten beziehungsweise
frontähnlichen Strukturen ausmachen. Tagsüber verlagert sich das Tief
über die Mitte des Landes hinweg zur Ostseeküste, nahe der Alpen
entsteht im Bereich der wärmsten Luft und vermutlich teilweise
leebedingt ein sekundäres Zentrum. Mit weiterer Annäherung des
Höhentroges respektive eines aus ihm herauslaufenden kurzwelligen
Anteils muss dort, also im südöstlichen Baden-Württemberg und in Bayern,
im Tagesverlauf verbreitet mit unwetterartigen Entwicklungen gerechnet
werden. Das dann rasche Vordringen deutlich kühlerer Luft von Nordwesten
her bedingt aber auch weiter nördlich nochmals starke schauerartige und
gewittrig durchsetzte Regenfälle. Am Donnerstag hat sich die deutlich
kühlere und vielfach stabil geschichtete Meeresluft in ganz Deutschland
durchgesetzt und die Unwetterlage beendet. Das Tief verweilt mit seinem
Kern über der Ostsee und erreicht dort den Höhepunkt seiner
Entwicklung. Um sein Zentrum herum wird im Gegenuhrzeigersinn ein Teil
der alten Warmluft wieder nach Westen und Süden geführt, die dadurch
erzwungenen Hebungsprozesse geben im Norden für gebietsweise kräftige
und - durch den mit relativ kalter Luft angefüllten, überlagerten
Höhentrog - schauerartig verstärkte Regenfälle Anlass. Wesentlich
bedeutsamer dürfte jedoch die Windentwicklung sein, stellt sich auf der
Rückseite des Tiefs doch ein beachtlicher Luftdruckgradient ein. Dies
hat für den Norden und Nordosten starke bis stürmische Böen, örtlich
auch Sturmböen zur Folge.
Zum Ende der Woche zieht das Unwettertief nach Nordosten ab und
verliert rasch an Kraft. Dahinter setzt sich jedoch nur kurzzeitig
Zwischenhocheinfluss durch, ehe ein neues, sich von den Britischen
Inseln zur Nordsee bewegendes Tief die Kontrolle übernimmt. Es sorgt
für ein im besten Fall wohl mit "durchwachsen" umschriebenes und kühles
Wochenende.
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