Sturm, Starkregen, Rekordwärme - selten erlebt man in Mitteleuropa
Mitte November eine solche Dichte meteorologisch bemerkenswerter
Ereignisse wie am vergangenen Wochenende. Die Windspitzen, ausgelöst
durch Tief "Carmen", lassen sich dabei noch als kräftigerer Herbststurm
abtun; dagegen fallen verbreitet um 100 mm Regen binnen 48 Stunden in
Nordrhein-Westfalen besonders zu dieser Jahreszeit bereits unter die
Kategorie "außergewöhnlich". Nicht nur aus baden-württembergischer
Sicht am interessantesten verlief jedoch der gestrige Sonntag mit
frühlingshafter Wärme mitten im Spätjahr und einer ganzen Reihe neuer
Rekordtemperaturen. Den - inoffiziellen, da nicht mehr vom Deutschen
Wetterdienst gemessenen - Spitzenwert stellte die Station in der
Karlsruher Hertzstraße, wo sagenhafte +22,0 Grad verzeichnet werden
konnten. Dies bedeutete einen neuen Monatsrekord für November in der
Messreihe seit 1876! An 34 von 118 Stationen in ganz Deutschland wurden
am Samstag und Sonntag neue Rekorde für die zweite Novemberdekade
aufgestellt, hinzu kamen 3 Stationen mit eingestellten Rekordwerten.
Einen solch flächendeckend warmen Tag Mitte November hatte es zuletzt
vor vier Jahren gegeben.
Nach diesen ereignisreichen Tagen, die endgültig jedoch erst mit dem
morgigen Dienstag abgeschlossen werden, folgt ein für November
typischerer Witterungsabschnitt mit herbstlichem Grau und insgesamt
wenig Aktivität. Zuvor aber regnet es in der Südosthälfte Deutschlands
noch länger anhaltend und teilweise kräftig. Überflutungen und
Hochwasser in dem Ausmaß vom Wochenende im Westen und in den
angrenzenden Staaten sind zwar nicht zu befürchten, dennoch kann es bei
zu erwartenden Regenmengen zwischen 30 und 50 mm bis Dienstagabend
lokal zu kleineren Überschwemmungen kommen. Der Regen fällt im Bereich
einer lang gestreckten, quer über Europa gelegenen Luftmassengrenze,
die warme Luft im Süden von kühlerer Meeresluft im Norden trennt.
Südwest-nordost-exponiert unter der Vorderseite eines Höhentroges über
Westeuropa kommt sie nur zögernd nach Südosten voran. Unmittelbar vor
der Trogspitze hat sich über dem Golf von Genua ein Tief entwickelt, an
dessen Nordflanke im Übergangsbereich zu hohem Luftdruck über Nordwest-
und Nordeuropa der bodennahe Wind über Mitteleuropa bereits eine
nördliche Komponente erhalten hat. Die überlagerte Südströmung bewirkt
ein Aufgleiten feuchter und warmer Luft auf kühlere Luft in der unteren
Troposphäre, woraus großräumige und das Niederschlagsgebiet an der
Luftmassengrenze stützende Hebungsprozesse resultieren. Im Laufe des
Dienstags schnürt sich der Höhentrog in seinem Südteil ab, das daraus
hervorgehende Höhentief bewegt sich zum Tyrrhenischen Meer. Der
verbliebene Trogrest schwenkt rasch über den Norden Deutschlands hinweg
nordostwärts. Mit der nördlich des Höhentiefs auf Ost drehenden
Höhenströmung lassen die Hebungsantriebe nach, sodass sich auch die
Niederschläge im Umfeld der Luftmassengrenze allmählich abschwächen
respektive nach Nordosten verlagern. Dem Trog folgt von Westen her ein
Hochdruckrücken nach, der sich am Dienstagnachmittag von Südwesteuropa
über die Biskaya und die Britischen Inseln zum Nordmeer, 24 Stunden
später in deutlich gebogener Form vom westlichen Mittelmeer über die
Mitte Frankreichs und die Nordsee nordwestwärts erstreckt. Er trägt
maßgeblich zur Entstehung eines eigenständigen Bodenhochs über Nord-,
später Nordosteuropa bei. Unter dem Einfluss des Rückens setzt sich zur
Wochenmitte auch im Westen Deutschlands meist ruhiges, allerdings
nebel- und hochnebelanfälliges Wetter durch. In der Osthälfte macht
sich die Luftmassengrenze mit dann allerdings nur noch leichtem Regen
bemerkbar, die mit einer östlichen Strömung auf der Südseite des
nordeuropäischen Hochs zum einen und auf der Vorderseite eines kleinen,
sich über Österreich bildenden Tiefs zum anderen wieder etwas nach
Westen an Raum gewinnt.
In der zweiten Wochenhälfte platziert sich ein kleinräumiges, aber
kräftiges Tief mit seinem Zentrum bei den Britischen Inseln. Ein
weiteres Tief steuert zum Wochenende auf den Westen und Norden
Frankreichs zu. Die Ausläufer dieses Tiefdrucksystems tangieren
voraussichtlich nur den Westen Deutschlands. Gleichwohl wird auf dessen
Vorderseite von Südwesten her vor allem in höheren Schichten wieder
vermehrt warme Luft nach Mitteleuropa gelenkt.
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