Sämtliche Augen sind am Donnerstagabend auf Sturmtief "Carmen"
gerichtet, das mit einem Kerndruck von etwa 955 hPa über den Norden
Schottlands hinwegzieht und Freitagfrüh mit seinem Zentrum über dem
Skagerrak liegt. An seiner Süd- und Südostflanke hat sich ein
veritables Starkwindfeld formiert, das am Nachmittag und Abend von
Westen her auch auf deutsches Gebiet übergegriffen hat. Bereits zuvor
waren auf den Britischen Inseln und in Nordfrankreich verbreitet Sturm-
und schwere Sturmböen registriert worden. In Deutschland verzeichnete
bis 21 Uhr MEZ der Brocken im Harz eine Spitzenböe von 148 km/h, der
Feldberg im Schwarzwald kam auf 112 km/h. In Rheinstetten bei Karlsruhe
konnten zwischen 18 und 19 Uhr MEZ 79 km/h - Windstärke 9, also Sturm -
gemessen werden. Die zu "Carmen" gehörende Warmfront hat mitsamt eines
imposanten Wolkenschirms und einem breiten Regenband Deutschland am
Abend schon weitgehend ostwärts passiert, ihr folgt von Nordwesten her
rasch die Kaltfront nach. Postfrontal dringt ein Schwall kalter
Meeresluft nach Südosten vor; bis in große Höhen reichende Kaltluft
gelangt in Verbindung mit einem kurzwelligen Höhentrog in die
Nordhälfte des Landes. Entsprechend sind dort, wo sich durch die
Höhenkaltluft die vertikale Schichtung labilisiert und somit eine rege
Durchmischung der Luft möglich wird, die größten Böengeschwindigkeiten
zu erwarten. In der Südhälfte bleibt die Schichtung aufgrund der hier
relativ flach einfließenden Kaltluft vergleichsweise stabil, sodass
sich Böen der Stärken 10 bis 12 meist auf die Höhenlagen beschränken.
Nichtsdestotrotz muss auch in den Niederungen mit Sturm- und einzelnen
schweren Sturmböen gerechnet werden. Die gerade erst am Alpenrand
angekommene Kaltfront wird im Zuge einer Wellenentwicklung über dem
mittleren und östlichen Nordatlantik bereits am Freitagmittag wieder
nach Norden rückläufig. Vorderseitig dieser Welle, die sich mit ihrem
Scheitel im Laufe des Samstags über den Norden Deutschlands ostwärts
verlagert, sorgt massive Warmluftadvektion für großräumige
Hebungsprozesse und daraus resultierend für Regen. Die ursprüngliche
Kaltfront von "Carmen" tritt auf ihrem Weg nach Nordosten dabei als die
Warmfront der Welle in Erscheinung. Die stabile, sich also nicht
vertiefende Welle führt auf ihrer Südseite ein weiteres Starkwindfeld
mit sich, sodass der Wind in der Mitte und im Süden Deutschlands nach
kurzer Beruhigung am Abend und in der Nacht zum Samstag wieder an
Stärke zulegt. Aufgrund der stabilen Schichtung sind dabei in erster
Linie aber erneut die höheren Lagen von schweren Sturm- und Orkanböen
betroffen.
Anders als bei "Carmen" gelingt es der Kaltluft auf der Rückseite der
Welle nicht, nach Süden vorzustoßen. Der Grund ist in einem sich nach
Süden ausweitenden Höhentrog über dem Ostatlantik zu suchen, auf dessen
Vorderseite die Höhenströmung über West- und Mitteleuropa auf Südwest
rückdreht. Die Frontalzone nimmt eine südwest-nordost-orientierte Lage
an und verläuft am Sonntag von der Iberischen Halbinsel über Frankreich
und Deutschland hinweg zum Baltikum und in den Nordwesten Russlands. Im
Umfeld der darin eingebetteten und schleifenden - sich also kaum nach
Norden oder Süden bewegenden - Luftmassengrenze fällt vor allem im
Westen und Nordwesten Deutschlands weiterer Regen, wobei durch
orografische Effekte verstärkt speziell in den westlichen
Mittelgebirgen größere Mengen zwischen 30 und 50 mm innerhalb von 24
Stunden zusammenkommen können. Südlich davon bestimmt Warmluft
subtropischen Ursprungs das Geschehen, die sich auch in den Niederungen
durchsetzen kann und im Zusammenspiel mit zeitweiligem Sonnenschein ein
äußerst mildes Novemberwochenende kreiert. Dabei können regional
durchaus Temperaturen deutlich oberhalb der +15-Grad-Marke erreicht
werden und einzelne Rekorde für die zweite Novemberdekade in Gefahr
geraten. Erst zu Beginn der neuen Woche schwenkt der ostatlantische
Langwellentrog unter Verkürzung seiner Wellenlänge allmählich
nordostwärts, und auch die Luftmassengrenze kommt auf der Rückseite
eines neuen, über die Britischen Inseln und die Nord- zur Ostsee
ziehenden Tiefs nach Südosten voran. Daran anschließend deutet sich
unter zumindest vorübergehendem Hochdruckeinfluss ruhigeres und
kälteres Wetter an.
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