Als buchstäblich fortgeschrittenes Aprilwetter könnte man das
derzeitige Geschehen in Mitteleuropa titulieren, das insbesondere am
heutigen Donnerstag mit dem Tagesgang folgenden Schauer- und
Gewitterentwicklungen zur Ausprägung kam. Sehr kalte Luft in größeren
Höhen und durch die Sonne erwärmte bodennahe Schichten schaffen dabei
vertikal labile Verhältnisse, die in kräftigen konvektiven Ereignissen
münden. Aufgrund ungleich höherer Einstrahlung und Temperaturen fallen
diese entsprechend intensiver aus als im Frühjahr; örtlich gab es sogar
unwetterartige Regenmengen. So fielen am Dienstag - allerdings während
der Nacht - in Sigmarszell am Ostufer des Bodensees 91 mm binnen sechs
Stunden, am gestrigen Mittwochabend kam es in einigen Heidelberger
Stadtteilen nach Gewittern zu Überschwemmungen.
Ganz andere Sorgen haben derweil die nordosteuropäischen Regionen, wo
seit geraumer Zeit außergewöhnliche Hitze herrscht. Seit dem 14. Juli
stiegen die Temperaturen in Moskau an jedem Tag über +30, seit dem 22.
sogar über +35 Grad. Bereits am Montag und Mittwoch mit jeweils +37,5
und erneut am heutigen Donnerstag mit +38,2 Grad wurden dort neue
absolute Rekorde der Höchsttemperatur aufgestellt. Und nach zwei etwas
weniger heißen Tagen sind ab Sonntag bis weit in den August hinein
erneut tägliche Spitzenwerte jenseits der +35-Grad-Marke zu erwarten.
Doch nicht nur im russischen Raum, auch bis in den Osten Finnlands
hinein kann seit Wochen ein großes Gebiet mit markant positiven
Temperaturabweichungen beobachtet werden. In Joensuu, etwa 80 Kilometer
von der russischen Grenze entfernt, wurde am Donnerstag mit +37,2 Grad
ein neuer Allzeitrekord für Finnland registriert. Der bisherige Rekord
datierte aus dem Jahre 1914 (Turku, +35,9 Grad).
Die Großwetterlage weist am Donnerstagabend einen umfangreichen
Höhentrog aus, der weite Teile Europas überdeckt und über
Norddeutschland ein abgeschlossenes Höhentief beinhaltet. Die
niedrigsten Temperaturen in etwa fünf Kilometern Höhe sind über dem
Westen und Süden des Landes auszumachen, wo zeitweilig weniger als -20
Grad analysiert werden konnten. Beinahe zwangsläufig kam es dann hier
auch am häufigsten zu Schauern und Gewittern. Der Trogkomplex wird
flankiert von zwei Hochdruckrücken vor Westeuropa und über Russland. Im
Bodendruckfeld findet sich als bestimmendes Gebilde ein kräftiges Tief
mit Zentrum über dem Kattegat, auf dessen Südwestseite die hochreichend
kalte Meeresluft nach Mitteleuropa einfließt und das im Zusammenspiel
mit einem Hoch über dem Westen Russlands die angesprochene extrem heiße
Luft in den europäisch-russischen Bereich lenkt. Am Freitag wird der
Trog bildlich gesprochen in die Länge gezogen, wobei sich sowohl in
seinem Nordteil über dem Westen Finnlands als auch im südlichen Part
über der Adria zwei neue Höhentiefs ausbilden. Gleichzeitig verschiebt
sich das gesamte System etwas nach Osten und macht dem westeuropäischen
Rücken Platz, der ebenfalls ostwärts wandert und sich zum Tagesende
Deutschland annähert. Großräumiges Absinken zum einen, andererseits das
sich nach Norden entfernende und abschwächende Tief über
Südskandinavien lassen auch am Boden den Luftdruck allmählich steigen.
Dennoch entwickeln sich im Bereich der nach wie vor vorhandenen
Höhenkaltluft vor allem im Süden und Osten Deutschlands nochmals
Schauer und einzelne Gewitter, deren Intensität jedoch nicht mehr an
die der vergangenen Tage heranreichen wird. Auch den Norden erwarten
auf der Rückseite des Tiefs noch einige Schauer und etwas Regen.
Am Samstag schwächt sich der Trog weiter ab, der Rücken verlagert sich
über Deutschland hinweg gen Osten. Von Nordwesten her schwenkt ein
weiterer Trog heran, zu dem ein vom isländischen Raum zur nördlichen
Nordsee ziehendes Tief korrespondiert. Mit einer auf Südwest drehenden
Strömung wird vorübergehend warme Luft herangeführt, die im Südwesten
und im Osten Deutschlands Höchsttemperaturen um +30 Grad ermöglicht.
Das okkludierende Frontensystem des Tiefs greift derweil bereits am
Samstagabend auf den Nordwesten mit ersten Schauern und Gewittern über.
Es kommt im weiteren Verlauf zögernd südostwärts voran und erreicht
voraussichtlich erst zu Beginn der neuen Woche die Alpen. Damit wird
die Warmluft abgedrängt und erneut durch deutlich kühlere Meeresluft
ersetzt.
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