Regenmassen, wie sie normalerweise nur in den Innertropen vorkommen,
gingen am Dienstag und Mittwoch über dem Südosten Frankreichs nieder
und hinterließen Verwüstungen katastrophalen Ausmaßes. Mindestens 20
Menschen kamen ums Leben, mehrere gelten noch als vermisst. Besonders
schwer betroffen war die Region Provence-Alpes-Côte d'Azur und dort im
Speziellen das Département Var. In Le Luc, einer kleinen Gemeinde
zwischen Nizza und Marseille, fielen innerhalb von zwölf Stunden
zwischen Dienstagfrüh und -abend unglaubliche 237 mm - das ist etwa ein
Drittel des durchschnittlichen Jahresniederschlages in Karlsruhe.
Binnen 24 Stunden bis Mittwochmorgen summierten sich gar 286 mm, die
mit Abstand größte dort je gemessene 24-stündige Niederschlagsmenge
seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1947. Örtlich sollen sogar mehr
als 350 mm gefallen sein, was einem mehr als 100-jährigen Ereignis
entsprechen würde.
Bei solchen Extremereignissen stellt sich naturgemäß die Frage nach
deren Ursache, und wie so oft war es auch in diesem Fall das
Zusammenwirken mehrerer Faktoren, die solche Summen ermöglichten. Zum
einen hatte sich ein umfangreiches Höhentief mit seinem Zentrum über
dem Norden Spaniens etabliert, an dessen Ostflanke ein markanter
Kurzwellentrog von Algerien über das westliche Mittelmeer nach
Norditalien schwenkte. Am Boden weitete sich ein Tiefdruckgebiet von
der Mitte Algeriens rinnenförmig nach Norden aus und erstreckte sich am
Dienstagnachmittag über die Balearen hinweg bis in den Süden
Frankreichs. Darin eingelagert fand sich eine Luftmassengrenze, die
sehr warme Luft im Osten von kühlerer Luft im Westen trennte. Sowohl
die Tiefdruckrinne am Boden - durch Zusammenströmen - als auch der
Kurzwellentrog in der Höhe - durch dynamische Antriebe - förderten
großräumige Hebung der sich über dem Mittelmeer mit Feuchtigkeit
vollsaugenden Luft, die ab einer Höhe von etwa 2.000 bis 3.000 Metern
mit einer südlichen Strömung Richtung Südostfrankreich geführt wurde.
Dort bewirkten zusätzlich Staueffekte an den Seealpen und am Esterel
eine lokale Verstärkung der durch die Nord-Süd-Ausrichtung der
Luftmassengrenze länger andauernden Niederschläge.
Das am Donnerstagnachmittag mit seinem Zentrum über Norditalien
liegende Tief gewinnt nun auch auf das Wettergeschehen in Deutschland
vermehrt an Einfluss. Bereits am Mittwoch verbargen sich die Gebiete
südlich des Mains unter einer dichten Wolkendecke, die nur selten
einige Lücken offenbarte. Südlich der Donau fiel anhaltend Regen.
Zwischen dem Tief und einer sich vom östlichen Nordatlantik über die
Britischen Inseln und Norddeutschland nach Weißrussland erstreckenden
Hochdruckzone sorgten große Luftdruckgegensätze für starke Böen im
Flachland und schwere Sturmböen auf dem Feldberg im Schwarzwald. Das
sich am Dienstag noch über Nordspanien befindliche Höhentief kann am
Donnerstag über Südostfrankreich analysiert werden. Das Band mit
leichten bis mäßigen Regenfällen hat sich, gestützt durch
Warmluftadvektion, nach Norden verlagert und überdeckt aktuell die
Regionen vom westlichen Rheinland-Pfalz über Südhessen bis in den
Westen Bayerns. Aus den Alpen heraus gelangt labil geschichtete
Warmluft in den Süden Baden-Württembergs und Bayerns, die durch einen
markanten Randtrog des südfranzösischen Höhentiefs gehoben wird. Dies
hat dort am Donnerstagabend kräftige Regenfälle und zum Teil auch
schwere Gewitter zur Folge. Unter dem Einfluss der Hochdruckzone
herrscht dagegen im Norden meist sonniges und mäßig warmes Wetter. Am
Freitag ziehen Höhen- und Bodentief über die Alpen respektive
Süddeutschland hinweg ostwärts. Das Tief in der Höhe gewinnt dabei
Anschluss an einen von Nordeuropa über Skandinavien südwärts
vorstoßenden Höhentrog, der eine Umstellung der Großwetterlage
einleitet. Auf seiner Vorderseite entwickelt sich ein kräftiges Tief
über Mittelschweden, an dessen Westflanke eine stramme nördliche
Strömung in Gang kommt. Die zugehörige, aber nur wenig wetteraktive
Kaltfront schreitet rasch südwärts voran, erreicht am Freitagmittag
Norddeutschland und in der Nacht zum Samstag bereits die Alpen. Hinter
ihr wird zum Wochenende ein Schwall empfindlich kalter Luft polaren
Ursprungs nach Mitteleuropa gelenkt, in der nächtens die Temperaturen
gebietsweise in den Bereich der Rekordwerte für Ende Juni absinken
können. Im klassischen Sinne handelt es sich dabei um eine - wenn auch
etwas späte - Schafskälte. Zu Beginn der neuen Woche schnürt sich aus
dem Langwellentrog über dem nördlichen Mittelmeerraum ein
eigenständiges Höhentief ab. Über Mitteleuropa steigt das Geopotential
an und die Luft kann sich unter auch am Boden zunehmendem
Hochdruckeinfluss etwas erwärmen. Da am Rande des Hochs mit Schwerpunkt
bei den Britischen Inseln die nördliche Strömung über Mitteleuropa aber
erhalten bleibt, ist eine Rückkehr zu sommerlichem Wetter vorerst noch
nicht zu erwarten.
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